hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
 
Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Jüdische Weisheit
Hymne - Israel
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!
Advertize in haGalil?
Your Ad here!

Zur Nahost-Berichterstattung:
Von Schutzheiligen in Politik und Medien

Von Ulrich W. Sahm

Für Politiker wäre Don Quichote der beste Schutzheiligen. Ihre Parteiprogramme sind wie ein Kampf gegen Windmühlen. Gleichwohl muss den Politikern eingestanden werden, manchmal die Welt tatsächlich verbessert zu haben, manchmal eher verschlimmbessert, wenn man an die Kriege, die Massaker und die Not denkt.

Für Journalisten ist natürlich Münchhausen, der Lügenbaron, der ideale Schutzpatron. Denn bei genauem Hinschauen: Hat der wirklich gelogen? Nein! Er hat ein Portrait seiner Zeit gezeichnet, historisch korrekt. Seine Erlebnisse hat er überzeugend beschrieben. Er hat auch nicht wirklich übertrieben. Münchhausen hat lediglich die Wirklichkeit ein ganz klein wenig auf den Kopf gestellt, ein ganz klein wenig aufgeblasen und ein ganz klein wenig seine Fantasie blühen lassen. Der Ritt auf der Kanonenkugel wäre längst in Vergessenheit geraten, wenn es nicht seit Josua und der Hure von Jericho Spione gäbe. Sich an den Haaren selber aus dem Sumpf ziehen ist längst zum geflügelten Wort geworden. Münchhausen hat nur Geschichten erzählt, also Worte aneinander gereiht. Später wurden seine Worte auch verfilmt.

Bei den Medien, besonders im Nahen Osten, geschieht nichts anderes. Die Printmedien verschicken Millionen Worte in alle Welt und das TV liefert die Verfilmung. Doch die Wirklichkeit bleibt auf der Strecke, wie bei Münchhausen. Denn vermeldet wird nur der Ritt auf der Kanonenkugel, das Ungewöhnliche, weil das zum Lachen oder Weinen ermuntert. Und die Verfilmung im TV? Da kann die Wirklichkeit genauso gestellt werden wie in Hollywood, durch den richtigen Aufnahmewinkel der Kamera oder durch einen gelungenen Schnitt der Cutterin.

Das Bild, das man sich heute in Deutschland von Israelis oder Palästinensern macht, wurde durch die Münchhausengeschichten der Medien, vor allem der letzten vier Jahre, derart verformt, dass ein sachliches und leidenschaftsloses Gespräch über die Vorgänge in Nahost kaum mehr möglich ist.

Jetzt, im vierten Jahr der El-Aksa-Intifada, hat sich einiges zum Besseren gewandelt. Das erlaubt einen kritischen Rückblick, ohne einseitiger Schuldzuweisungen bezichtigt zu werden. Wobei Schuldzuweisungen Teil des medialen Spiels waren und heute noch sind. Denn allein mit einer richtigen oder falschen Wortwahl wird eine Seite verteufelt während die Andere ungeschoren davon kommt oder gar verherrlicht wird. Jene Zeitungsleser oder TV-Zuschauer, der eindeutig Partei ergriffen hat, entwickelte zudem die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen oder nur das zu sehen, was er will. So werden schwerbewaffnete Knirpse bei Paraden im Gazastreifen von dem einen als "Kindersoldaten" verurteilt, während Andere darin einen Ausdruck des Leidens der Palästinenser sehen, wo selbst Kinder für ihre Freiheit kämpfen müssen. Die Einen sehen in Panzern in engen Basargassen im Westjordland inmitten Steine werfender Kinder die Notwendigkeit gebeutelter Israelis, sich selber zu verteidigen. Andere sehen da nur die monströse Übermacht eines Goliath, der rücksichtslos gegen eine unterdrückte Zivilbevölkerung vorgeht. Die Wirkung von Propaganda hängt offenbar auch mit der Seelenverfassung des Betrachters zusammen, seiner ideologischen Ausstattung und seiner persönlichen Werteskala. Widersprüche sind da nicht auszuschließen. Jene, die Steine werfende Kinder als heldenhafte Widerstandskämpfer verherrlichen, berufen sich andererseits lautstark auf echte und vermeintliche Menschenrechte. Sie beklagen am lautstärksten den Tod oder die Verwundung von Kindern, kämen aber nicht auf die Idee zu fordern, Kinder aus den Kampfzonen herauszuhalten oder das Vorschicken von minderjährigen Selbstmordattentätern zu verurteilen. Und jene, die jegliches israelisches Vorgehen gegen "palästinensische Terroristen" gut heißen, merken nicht, dass da viele Straßensperren und erniedrigende Kontrollen reine Schikane sind, solange es zahlreiche "Löcher" im Zaun und Schleichwege gibt.

Die Welt scheint eine besondere Vorliebe für Weichlinge zu habe, sonst hätte der Begriff "Hardliner" keinen so negativen Beigeschmack. Ob es den angeblich so neutralen Berichterstattern, insbesondere der Nachrichtenagenturen zusteht, einen bestimmten Politiker pauschal als "Hardliner" zu beschreiben oder eher zu verunglimpfen, ist eine andere Frage. Denn eigentlich sollte nur Historikern oder Politikern und Kommentatoren zugestanden werden, eine Politik als falsch, richtig oder eben als "hart" zu definieren.

Wie lächerlich diese Methode ist, konnte man in einer Reuters-Meldung nachlesen. Da kam der Autor aus dem Staunen nicht heraus, als Israels Premier einen neuen politischen Kurs verkündete. "Obwohl der doch ein Hardliner ist", schrieb da der Korrespondent. Er bemerkte gar nicht, dass er sich selber lächerlich machte, weil er sein eigenes Vorurteil Lügen strafen musste. Ein ap Korrespondent prägte sogar für Scharon natürlich das bemerkenswerte Prädikat: "Karriere-Hardliner".

Scharon hat sich nie selber als Hardliner bezeichnet. Scharon als Hardliner zu bezeichnen ist spätesten seit der Verkündung des Rückzugs aus Gaza Geschichte. Seitdem ist Scharon aus Sicht der Reporter der wohlgelittene Weichling, ohne dass man ihm dieses Kompliment als Adjektiv an den Namen anhängt. Stattdessen häufen sich in den Berichten die Hardliner (im Plural) im israelischen Kabinett.

Gleichgültig wie man über Scharon und seine Politik denkt - hier geht es um die Begriffe - fällt auf, dass es "hardliner" nur auf der israelischen Seite zu geben scheint. Gleichwohl kann man den Palästinensern wohl nicht absprechen, ebenfalls Politik zu machen, also mal eine weichere und mal eine härtere Gangart einzuschlagen. Und auf Deutschland übertragen: Niemand käme auf die Idee, in Sachen Rentenreform gewisse Politiker als "hardliner" zu bezeichnen.

Angemerkt sei hier auch, dass "hardliner" einer subtilen Parteinahme für palästinensische Forderungen gleichkommt. Bei einer sauberen und tunlichst neutralen Berichterstattung, zu der die "Nachrichten"-Agenturen eigentlich verpflichtet sein sollten, wäre es in der bestehenden Konfliktsituation wohl eher angebracht, mit wenigen Worten die Positionen darzustellen und es dem Leser zu überlassen, selber zu entscheiden, wer da "hart" und wer "weich" ist.

Ein anderes Phänomen ist ebenfalls fast Geschichte. Nur die französische Nachrichtenagentur afp hängt bis heute jeder Nachricht aus Nahost eine winzige Statistik an mit der Zahl der palästinensischen und israelischen Toten. Bis vor Kurzem taten das auch ap und Reuters. Das war jedoch keine automatische Chronistenpflicht. Denn bei anderen Konflikten, etwa in Sudan, Ruwanda, Irak oder Jugoslawien gab es keine solche Angaben.

Diese Ministatistiken bezweckten eine unausgesprochene Schuldzuweisung gegen die Israelis, da es mehr palästinensische Tote gab als Israelis. Bei genauem Hinschauen enthielten diese Ministatistiken beachtenswerte Elemente, die sich im Laufe der Zeit änderten. So musste angegeben werden, "seit wann" gezählt wird, ohne das Fremdwort "Intifada" zu verwenden. Die Stunde Null wurde in den ersten Monaten mit einer Schuldzuweisung gegen den israelischen Oppositionschef Ariel Scharon beschrieben. Mit seinem Besuch "auf dem Tempelberg", "in der El Aksa Moschee", "auf dem drittheiligsten Schrein der Moslems" habe er die Intifada ausgelöst.

Über diesen historischen Fakt kann man streiten, denn die ersten tödlichen palästinensischen Schüsse auf Israelis fielen schon einige Tage vor jener "Provokation Scharons". Die ersten palästinensischen Opfer gab es einen Tag nach Scharons Visite, im Gefolge einer aufrührerischen Hetzpredigt in der El Aksa Moschee. Und ein Jahr später gestand Marwan Barghoutti in einem Interview, dass er bewusst die Tempelberg-Visite Scharons "genutzt" habe, um endlich die lange im Voraus geplante Intifada zu starten und gleichzeitig den Israelis die Schuld zuzuweisen. Unerwähnt bleibt zudem, dass Arafats Geheimdienstchef Dschibril Radschoub und sein Jerusalemminister Faisal Husseini ihren "Segen" gegeben hatten, den Israelis "Ruhe" versprachen und persönlich auf dem Tempelberg anwesend waren, als Scharon mit einer Hundertschaft Leibwächter und Polizisten dort erschien. Der Polizeieinsatz wiederum wäre ohne Zustimmung des verantwortlichen Regierungschefs Ehud Barak undenkbar gewesen. Die Verantwortlichkeiten waren also verteilt auf beide Seiten, als Scharon gemäß einer Feststellung des Mitchel-Reports letztlich eine innenpolitische Demonstration gegen die Politik seines Regierungschefs Barak veranstaltete, der kurz zuvor in Camp David angeboten hatte, die heiligste Stätte des Judentums unter palästinensische Souveränität zu stellen.

Als die Intifada andauerte und immer mehr Tote auf beiden Seiten forderte, bemerkten auch die Agenturen, dass "Scharons Provokation" allein keine Erklärung für das Blutvergießen liefern könne. So wurde die Stunde Null sehr fantasievoll umformuliert in: "Seit Ausbruch des Volksaufstandes...", "Seit Beginn des Kampfes um einen eigenen Staat...", "Seit Beginn der blutigen Auseinandersetzungen..."

Der nächste problematische Punkt waren die Zahlen an sich. Bei den Auseinandersetzungen wurden auch Ausländer getroffen, einige wurden von Palästinensern erschossen oder starben bei Selbstmordanschlägen. Andere fielen israelischen Angriffen zum Opfer. In den besagten Statistiken kommen aber keine Ausländer vor. Sie wurden posthum zu Israelis oder Palästinensern gemacht, je nachdem, wer sie getötet hat oder auf welcher Seite sie standen.

Eine Agentur hatte ihre "Politik" beim Zählen der Toten erklärt. Dabei stellte sich heraus, dass sogar um die 200 palästinensische Selbstmordattentäter als "Opfer der Israelis", oder "durch Israelis getötet" angeführt wurden. Genauere und vielleicht aufschlussreichere Angaben, die auch einen Rückschluss auf die Vorgänge bei der Intifada zuließen, wurden extrem selten erwähnt. So zum Beispiel die Tatsache, dass nur etwa 5 Prozent der Opfer auf der palästinensischen Seite Frauen waren, während Frauen fast die Hälfte der Opfer auf der israelischen Seite ausmachten. Solange sich beide Seiten gegenseitig Vorwürfe machen, jeweils auf Zivilisten zu zielen, wären genauere Angaben über "Bewaffnete" oder "Kombattanten" sicherlich hilfreich. Je nach dem Inhalt der Nachricht mit angehängter Statistik könnte der nicht geschulte Leser zum Schluss kommen, dass palästinensische Selbstmordattentäter "unschuldige Zivilisten" sind. Genauso sollte wohl ein israelischer Zivilist, der in einem Bus oder Restaurant in die Luft fliegt, etwas anders gewertet werden als ein schwerbewaffneter Soldaten, der im Kampf gegen ebenso bewaffnete Freischärler "fällt". Die absolute Zahl, das Aufzählen sämtlicher Toten ohne jede Unterscheidung, dient allein der Stimmungsmache. Da es dreimal so viele palästinensische Tote gibt wie israelische, soll der propagandistische Eindruck erweckt werden, als seien die Palästinenser nur "Opfer" und die Israelis nur "Täter". Nach vier Jahren schmutzigem Krieges kann wohl keine Seite für sich beanspruchen, nur Opfer oder nur Täter zu sein.

Immer wieder fällt eine eigentümliche Wortwahl auf, die wohl weitgehend unbewusst geschieht. Bekannt ist, dass BBC und Reuters, möglicherweise aber auch andere Medien den Beschluss gefasst haben, den problematischen Begriff "Terrorist" auszusparen. Dieses Wort entstammt dem israelischen Lexikon, während sich die Palästinenser als Märtyrer, Freiheitskämpfer oder sonst was bezeichnen. Diese Redaktionen handeln also lobenswert, sich nicht zum Opfer einer propagandistischen Manipulation einer Seite zu machen. Verlegenheit kommt aber auf, wenn in einem explodierten Bus 19 Menschen sterben, darunter auch Kinder oder in einem Hotel auch mal 29. Wenn auf Dscherba oder Bali oder auch in Istanbul oder Madrid ähnliches passiert, sind sehr wohl "Terroristen" am Werk. Doch in Israel sind es "Freiheitskämpfer"?

Das Problem wurde gelegentlich mit einem grammatikalischen Stilmittel umgangen. Da tötet keiner, sondern 29 Menschen kommen ganz passiv "ums Leben", "wurden getötet". Typisch sind da Überschriften von Reuters vom Juli 2003. Da heißt es im einen Fall: "Israelische Truppen erschieße Palästinenser im Westjordanland". Das klingt fast wie die standrechtliche Hinrichtung eines unschuldigen Zivilisten. Doch aus der Meldung geht hervor, dass sich bewaffnete palästinensische Kämpfer ein Feuergefecht mit den Soldaten lieferten und dabei erschossen wurden. Drei Tage später kommt die Überschrift "Schießerei im Westjordanland stört den Frieden". Die Täter sind in diesem Fall Palästinenser, doch das erfährt man erst beim Lesen des Textes. Diese Methode wurde lange Zeit systematisch angewandt. Wer nur die Überschriften las, konnte den Eindruck gewinnen, als würden immer nur die Israelis schießen. Und wenn auch Israelis getötet werden, so scheinen Ufos am Werk gewesen zu sein, identitätslose "Aktivisten" oder bestenfalls "mutmaßliche Palästinenser".

Synonyme für die verbotenen "Terroristen" sind gelegentlich "Militante", "Extremisten", "Aktivisten" oder "mutmaßliche Palästinenser". Der Begriff "Aktivisten" ist besonders irreführend, weil es auch "Friedensaktivisten" und sonstige Aktivisten gibt. Selbstmordattentäter, die man auch als Massenmörder bezeichnen könnte, verbal mit Flugblattverteilern, Demonstranten oder Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen gleichzusetzen, kommt einer intellektuellen Zumutung gleich. Selbst Befürworter des "palästinensischen Freiheitskampfes" sehen in den Methoden der Selbstmordattentäter und ihrer Organisationen oft ein Verbrechen und keine legitime Kampfart.

Eine weitere Methode der Wirklichkeitsverdrehung betrifft die Hamas-Organisation. Dutzende Male meldeten die Agenturen im Laufe der letzten drei Jahre die "Friedensbereitschaft" dieser radikalen Organisation. Damit wurde bezweckt, allein Israel für die weitere Entwicklung oder gar Eskalation verantwortlich zu machen. Wenn es dann jedoch Stunden oder Tage später wieder zu einem großen Anschlag der Hamas kam, dann besann sich niemand mehr auf die vermeintliche "Friedensbereitschaft". Die "friedlichen" Absichten von einer der radikalsten Palästinenserorganisationen wurden bei Reuters zum Beispiel durch die schlicht falsche Kurzbeschreibung des Ziels der Hamas geschürt, einen "palästinensischen Staat in der Westbank und im Gazastreifen errichten zu wollen". Das widerspricht dem Grundsatzprogramm, der Charta, der Hamas und auch den Äußerungen ihrer Anführer, allen Voran der inzwischen von den Israelis getöteten Scheich Jassin und Rantisi. Reuters kommt der Wahrheit wohl sehr viel näher, seitdem es diese Kurzbeschreibung revidierte und heute schreibt: "Hamas hat geschworen, den Staat Israel zu zerstören."

Es geht uns hier nicht darum, Reuters oder andere Agenturen für vergangene Sünden zu rügen. Vielmehr wollen wir auf die gefährliche Propaganda hinweisen, wie sie sogar in den einfachsten Nachrichtenmeldungen Eingang fand und die Wahrnehmung der Vorgänge in den ersten drei Jahren der Intifada entscheidend prägten. Inzwischen bahnt sich ganz langsam ein Wandel an. Israels Politik wird weiterhin extrem kritisch und misstrauisch behandelt. Aber im Unterschied zu früher wird das palästinensische nicht mehr ganz so unvorbehaltlos gut geheißen und als selbstverständlich dargestellt. Dadurch kommt ein klein wenig mehr Ausgewogenheit in die Wahrnehmung des Konflikts, der höchst kompliziert und vielschichtig ist und dem man allein mit moralischen Ansprüchen oder überkommenden Klischees gewiss nicht gerecht werden kann.

Wenn ein Selbstmordattentäter Vorbeter in einer Moschee war, wie jener, der sich in dem "Kinderbus" in Jerusalem am 2. August 2003 sprengte, würde kein Berichterstatter auf die Idee kommen, den nun als "muslimischen Extremisten" zu bezeichnen. Das wäre politisch nicht korrekt. Ganz unbemerkt geistert aber ein ähnlich diffamierender Begriff unbeanstandet durch die Presse: "jüdische Siedler". Es fragt sich, ob das Verbrechen der Siedler darin liegt, dass sie jüdisch sind. Geht es nicht viel mehr um das Völkerrecht, um die Genfer Konvention, das einem Besatzer verbietet, seine Staatsbürger in besetztes Land zu "deportieren"? Es ist schwer vorstellbar, dass die Konventionen zwischen Christen, Moslems und Juden unterscheiden, aber nur "jüdische" Siedler in besetztem Gebiet verbieten, im Gegensatz zu christlichen oder muslimischen. Abgesehen von der Tatsache, dass unter den "jüdischen Siedlern" auch fanatische christliche Fundamentalisten sein können oder russische Einwanderer, die formal nicht als Juden anerkannt sind, wäre wohl "israelische Siedler" oder einfach nur "Siedler" die bessere Formulierung.

Wie leicht eine Wortwahl historische Assoziationen bewirkt, sieht man an der französischen Bezeichnung der Siedlungen. Da heißen sie "Colonies", was jeden Franzosen an Algerien erinnert.

Die verwendeten Begriffe in der Berichterstattung sind kein Zufall. Das geht bis in die Schreibweise. So wird der amerikanische Präsident nicht zu einem "Busch" eingedeutscht, während der israelische "Scharon" in Deutschland anders buchstabiert wird, als im Rest der Welt. Das sind Kleinigkeiten. Schwerwiegender ist die Frage, wie denn nun der umstrittene israelische Sperrwall genannt werden sollte: Mauer, Zaun, Barriere, Berliner-Mauer, Apartheitsmauer, Anti-Terror-Zaun? Die arabische Liga hat beschlossen, das Gebilde als "Mauer" zu bezeichnen, weil es Assoziationen mit der Berliner Mauer und Apartheit erwecken soll. Die UNO und der IGH folgten dieser Empfehlung. Offizielle israelische Empfehlungen wie "Abtrennungszaun" oder "Anti-Terrorzaun" werden sogar bei wörtlichen Zitaten entsprechend der politisch-korrekten Sicht in "Mauer" übersetzt. An der Sache, der Diskussion über das umstrittene Bauwerk ändert das ohnehin nicht viel. Den Israelis nützt es nicht viel zu behaupten, dass 95 Prozent Zaun seien, wenn in den Medien immer nur die Mauer gezeigt wird. Und selbst wenn der Zaun tatsächlich gezeigt wird, heißt es in der Bildunterschrift oder im Sprechertext bei Fernsehberichten oft "Mauer".

Ohnehin heben die Israelis nur die Ursachen für den Bau des Bollwerks hervor, "Terroristen" am Eindringen nach Israel zu behindern, während die Palästinenser dieses geflissentlich ignorieren. Die sehen lediglich die Folgen der "Mauer" für die Anwohner, die in "Ghettos" gesperrt werden oder von ihren Feldern abgeschnitten sind. Die Palästinenser reden gerne von "Sippenhaft" und "Kollektivstrafe". Dass umgekehrt die Angst vor Terror und die Willkür der Auswahl der Terroropfer genau so eine Form der "Kollektivstrafe" sind, und sogar der Sippenhaft, wenn man die Bekennerschreiben ließt, in denen ausdrücklich "Juden" und nicht "Israelis" als Ziel der Anschläge genannt werden, wird selten gesagt.

Ähnlich wie die arabische Liga gingen die Israelis mit ihren "außergerichtlichen Hinrichtungen" und "Liquidierungen" vor. Diese Begriffe passen natürlich nicht in das israelische Selbstverständnis. Um propagandistischen Schaden abzuwenden, beschloss die israelische Regierung, fortan nur noch von "gezielten Tötungen" zu reden. Doch selbst die israelischen Medien befolgen nicht immer diese "Empfehlung". Sogar Minister verwenden das Wort "Liquidierung", obwohl es ungute Erinnerung an die Nazizeit erweckt.

Die Liste solcher Begriffsverwirrungen lässt sich noch unendlich weiterführen. So beklagen Palästinenser die Verwendung biblischer Provinznamen wie "Judäa und Samarien" für das besetzte Westjordland, auch "Westufer" oder "Westbank" genannt. Das betrachten sie als Besitzanspruch im Sinne einer "Groß-Israel-Politik". Man könnte sich da streiten, ob alte deutsche Namen wie Litauen, Danzig oder Schlesien auch nur von Ewiggestrigen verwendet werden. Umgekehrt findet man in palästinensischen Veröffentlichungen eine Stadt Namens "Jerusalem" und nicht nur "El Kuds" (das Heilige, der arabische Name für Jerusalem). Dort hat übrigens ein gewisser Scharon im September 2000 eine Provokation auf dem "Tempelberg" gemacht, also nicht auf dem "Haram esch Scharif", den im Ausland kaum jemand kennt. Wer aber vom Tempelberg redet, impliziert, dass da mal ein Tempel gestanden habe. Dass das nun einmal der salomonische Tempel war, lange bevor es Moslems gab, steht im Widerspruch zu offiziellen Behauptungen der muslimischen Religionsbehörde, dem Wakf, wonach es an der Stelle niemals ein jüdisches Heiligtum gegeben habe, in dem auch ein gewisser Jesus von Nazareth gelehrt hat. Da es hier aber um Propaganda, also um eine Verdrehung der Wirklichkeit geht, spielen historische Fakten oder Traditionen nur eine untergeordnete Rolle.

Münchhausen lässt grüßen. Andererseits, gegen diese Propaganda anzukämpfen, ist wie das Vorgehen des Don Quichote gegen die Windmühlen.

Ulrich Sahm, 1950 in Bonn als Sohn eines deutschen Diplomaten geboren. Aufgewachsen in London, Paris, Bonn, Heppenheim (1968 Abitur an der Odenwaldschule), Moskau und Ankara. Studium der evangelischen Theologie, Judaistik und Linguistik in Bonn, Köln und an der kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Ab 1970 Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 Nahost-Korrespondent für deutsche Medien mit Sitz in Jerusalem. Website: http://www.sahm.com

Dieser Artikel erschien im Magazin "CAMPO de Criptana", Heft 6, III/IV Quartal 2004.

hagalil.com 22-09-2004

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved