Das dürfen wir nie vergessen:
Die Antwort auf Auschwitz
Von Sever Plotzker, Yediot Aharonot, 23.1.05
Es waren die Soldaten der 107.
Infanterie-Division der 60. Armee der Roten Armee, unter der
Kommandantur von General Konjew, die am Mittag des 27. Januar 1945
durch die Tore auf das Gelände des Konzentrations- und
Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau kamen.
Sie fanden dort nur 7000 menschliche Reste, letzte Überlebende von
dem, was vier Jahre lang eine Fabrik des größten Massensterbens der
Geschichte war. Eine Million und 200.000 Juden wurden zur
Wegkreuzung von Auschwitz-Birkenau geschickt, durchliefen die
Selektion und wurden in den meisten Fällen sofort in die Gaskammern
geschickt – der technologische Beitrag der Deutschen zur
Massenvernichtung. Ihre Leichen wurden verbrannt; die Wenigen, die
für die Zwangsarbeit für tauglich erklärt wurden, verhungerten,
erfroren, starben durch Folter und letztendlich auf dem Todesmarsch.
"Ein Ort", so schreibt Prof. Raoul Hillberg, "wurde zum Symbol des
Holocausts an den Juden in Europa: Auschwitz". Dieses Lager war dazu
bestimmt, die "Endlösung" des "Judenproblems" in Europa
durchzuführen: sie alle zu ermorden. Männer und Frauen, Alte und
kleine Kinder, Gesunde und Kranke, Kommunisten und Revisionisten,
Bärtige und Rasierte. Aus dem Westen, dem Osten, aus dem Balkan -
jeder, den die deutsche Rassenlehre als "jüdisch" definierte, war
zum Tode verurteilt, auf dem Weg in die Gaskammer. Der
nationalsozialistische Hass gegen Juden sorgte für den Brennstoff
der Verbrennungsöfen von Auschwitz-Birkenau, bis zum letzten Moment.
Erst als sie die sowjetische Armee von Nahem sahen, legten die Nazis
die Todesindustrie in Auschwitz-Birkenau still. Das Team des Lagers
erhielt aus Berlin die Anweisung, jeden Beweis, leblos oder noch am
Leben, zu vernichten. Die Gaskammern und Brennöfen wurden abgebaut
und gesprengt und ihre Betreiber ermordet. Die Lager, in denen die
Kleidung der Toten und deren persönliche Habe aufbewahrt wurde,
gingen zusammen mit Bergen von Dokumenten in Flammen auf.
Der letzte der SS-Soldaten verließ das Lager am 24. Januar. Der
Schriftsteller Primo Levi, Gefangener des Lagers, schrieb über
diesen Tag in seinem Buch mit dem Titel "Ist das ein Mensch?": "24.
Januar. Freiheit... keine Deutschen mehr, keine Selektion mehr,
keine Zwangsarbeit, keine Schläge, keine Appelle... aber niemand
konnte die neue Situation genießen: auf jedem Schild war der Engel
des Todes und der Zerstörung."
Nach Auschwitz stellten die Schriftsteller und Philosophen ihre
Arbeit ein. Es war unmöglich Dichtung zu schreiben oder Gedanken zu
verfassen. Die menschlichen Grundordnungen hatten sich von Grund auf
geändert. Sie irrten sich. Die Erinnerung an Auschwitz bleibt wie
eine blutende Wunde auf dem Gewissen des christlichen Europas
zurück. Doch sie hinderte seine Einwohner nicht daran, Zerstörtes
wieder aufzubauen, Kinder in die Welt zu setzen,
Theaterveranstaltungen zu genießen, ihr Brot zu verdienen, Dichtung
zu lesen – und sogar Antisemiten zu sein. Die westliche Kultur sog
"Auschwitz" als einen von sich untrennbaren Teil in sich auf.
Bis heute wurde keine befriedigende Antwort auf die Frage gegeben
"Wie konnte Auschwitz geschehen?" und vielleicht gibt es keine
Antwort: K. Zetnik, ein überlebender Schriftsteller, nannte die
Vernichtungslager "andere Planeten" und verschloss sie so dem
menschlichen Verstand. "Wir sagen Auschwitz", schreibt Prof. Israel
Gutman, einer der führenden Erforscher des Holocaust in Israel und
weltweit, selbst Überlebender von Auschwitz, "und meinen das Zentrum
der Folterungen und des unfassbaren Schreckens, die Essenz des Bösen
und des Grauens, das Menschen angetan wurde."
Auschwitz wurde vor 60 Jahren befreit; erst jetzt hielt es die
Organisation der Vereinten Nationen – "eine Organisation, die aus
der Asche von Auschwitz hervorgegangen ist", so UN-Generalsekretär
Kofi Annan - für richtig, eine Sondersitzung der Vollversammlung
anlässlich des Befreiungstages einzuberufen. Die Vollversammlung
wird morgen (24.1.) zusammenkommen, um die Reden der Außenminister
Israels, Deutschlands, Frankreichs, Argentiniens und führender
Diplomaten zu hören.
Die Sondersitzung der UN-Vollversammlung zum Gedenken und die
Gedenkveranstaltungen, die im Laufe der Woche auf dem Gelände des
Lagers von Auschwitz-Birkenau stattfinden, haben pädagogische,
moralische und globale Bedeutsamkeit. Doch wird man aus ihnen
unsere, die Lehre der Juden, ziehen? Uns ist jeden Orts und jeder
Zeit die Lehre eindeutig: nur der Rechtsstaat des jüdischen Volkes
kann sicherstellen, dass es nicht zu einem zweiten "Auschwitz"
kommt. Nur die Existenz eines starken Staates Israel ermöglicht es
den Juden, eigener Herr über ihr Schicksal, ihre Zukunft und die
Zukunft ihrer Kinder zu sein. Nur in Israel werden die Juden vom
Objekt zum Subjekt, von der Zerstreuung zu einer Nation, von Fremden
zu Ortsansässigen, von Schutzjuden zu freien Menschen.
Der Staat Israel und nichts anderes ist die Antwort auf Auschwitz.
Das dürfen wir nie vergessen.
Botschaft des Staates Israel
hagalil.com
27-01-2005 |