Generalstabschef J'alon warnt vor der eigenen Politik:
Späte Erkenntnis
Inzwischen hat Ministerpräsident Scharon die
Meinungsverschiedenheiten mit Generalstabschef Mosche Jaalon, der
vor einer katastrophalen Entwicklung in den besetzten
Palästinensergebieten gewarnt hatte, für beendet erklärt. Von
disziplinarischen Maßnahmen gegen General Jaalon werde man absehen,
so enge Mitarbeiter Scharons. Ursprünglich hatte Scharon
wutentbrannt auf die Kritik Jaalons reagiert und ihm die Wahl
zwischen einer Entschuldigung und Rücktritt gelassen.
Ofer Shelach kommentiert die "Die Spätzündung
Ya’alons" in Jedioth achronoth: ...Der unwichtigste Aspekt der
Diskussion, die nach der Kritik des Generalstabchefs entstanden ist,
ist die Frage der Erleichterungen für die Palästinenser oder die
verspäteten Klagen darüber, die Abu-Masen Regierung nicht
großzügiger behandelt zu haben.
Der wirklich wichtige Punkt ist die Tatsache, dass die IDF zugibt,
wenn auch, indem sie jemandem anderen die Schuld gibt, dass Israel
keine Politik hat, keine klaren Ziele und keinen Weg, irgendein Ziel
zu erreichen.
Das ist vor allem deshalb interessant, da der Sprecher Ya’alon ist,
der uns in seiner Eigenschaft als stellvertretender Generalstabchef
noch erklärt hatte, bei der Intifada handle es sich um die zweite
Phase des Unabhängigkeitskriegs. Er war es, der von Sieg gesprochen
hat, als das Ziel des Kriegs noch nicht einmal definiert war. Aber
die Sache ist nichts Persönliches. Es handelt sich um die Armee, die
schon seit drei Jahren festlegt, wie wir die Realität zu sehen haben
und sich jetzt darüber beschwert, wie sie aussieht.
Nach drei Jahren stellt die Armee fest, dass die Palästinenser keine
Hoffnung haben. Nach drei Jahren sagt sie, es gehe hier nicht nur um
Arafat. Nach drei Jahren entdeckt sie, dass die Absperrungen den
Hass schüren und der Hass den Terror stärkt.
Es stimmt schon, die IDF füllt hier ein Vakuum aus, das durch die
Schwäche der Regierung entstanden ist. Hauptgrund für diese
Schwäche, in kritischsten Zeiten, ist ein Ministerpräsident, der
keine Debatten führt und keine Entscheidungen fällt.
Letztendlich liegt die Schuld jedoch bei uns. Wie kann es sein, dass
wir es nötig hatten, vom Generalstabchef skandalöse Äußerungen zu
hören, um diese Äußerungen ernst zu nehmen? Wie kann es sein, dass
gerade die IDF, die für die Gleichgültigkeit, mit der wir die ganze
Sinnlosigkeit schon seit drei Jahren akzeptieren, den Begriff
"Durchhaltevermögen" geprägt hat, ihre eigene Grundannahmen in Frage
stellt?
Diese Tatsachen verdeutlichen nur, dass die israelische
Öffentlichkeit aufgehört hat, eigenständig zu denken.
In M'ariw kommentiert Chemi Shalev unter der
Überschrift "Der Groschen Ya’alons": ..."Generalstabchef Mosche
Ya’alon ist der Meinung, dass die Lage in den Gebieten kurz vor
einer Katastrophe steht. Er lud einige politische Kommentatoren in
sein Büro, um eine öffentliche Diskussion zu dem Thema auszulösen.
Er dachte nicht, dass dieser "Umschwung" solchen Wirbel auslösen
würde. Ya’alon deutete seine Unzufriedenheit mit der engen Blockade
der palästinensischen Städte an.
Er hatte nicht mit bombastischen Schlagzeilen gerechnet, mit einem
neuen Skandal und beispiellosen Spannungen in den Beziehungen
zwischen ihm und seinen Vorgesetzten, bis hin zu Hinweisen auf einen
Rücktritt"...
Ya’alon, der wohl am meisten rechtsgerichtete Generalstabschef den
die Armee je hatte, "befindet sich also wieder einmal im
Scheinwerferlicht. Nur ist es diesmal nicht die Linke, die ihn
verurteilt, sondern er muss sich jetzt mit dem Zorn der Rechten
auseinandersetzen".
Shalev findet es "schon ironisch, dass Ya’alon eine Rüge von Mofas
erhielt, der ja in seiner Amtszeit als Generalstabchef mit einer
politischen Erklärung nach der anderen aufwartete, und von Sharon,
der als General absolut keine Grenzen kannte.
Die Kritiker Ya’alons sagten gestern, bei allen früheren Debatten
über Erleichterungen für die Palästinenser habe er geschwiegen. Sein
Umfeld entgegnete darufhin, der Generalstabchef warne schon seit
langem vor der Gleichung Blockade = Hass = Terror.
Spätestens der Zusammenbruch der Abu-Masen Regierung, auf die er
große Hoffnungen gesetzt hatte, ließ bei ihm den Groschen fallen.
Abu-Masen sei am fehlenden Entgegenkommen der Regierung Scharon
gescheitert, so Ya'alon.
'Better late than never', werden Y'alons neue Befürworter sagen. Das
"Protest-Briefing" des Generalstabchefs könnte durchaus dazu führen,
dass die öffentliche, die politische und letzten Endes auch die
staatliche Aufmerksamkeit auf die Situation der palästinensischen
Öffentlichkeit gelenkt werden wird. Es kann jedoch sein, dass
Ya’alon dafür einen persönlichen Preis bezahlen werden muss.
hagalil.com
02-11-2003 |