Der neue Generalstabschef:
Ohne ein Augenzwinkern
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 25.02.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Es gibt keine nette Art jemanden zu sagen, es
sei Zeit für ihn zu gehen. Ob es nun ein Generalstabschef ist, der
sein viertes Jahr nicht mehr absolvieren darf, oder der Leiter des
Inlandgeheimdienstes Shin Bet, dem sein fünftes Jahr nicht
zugesprochen wird, oder ein brillanter Offizier, dessen
Herzenswunsch es war, Generalstabschef zu werden und der nun an der
Haustür zurückgelassen wurde. Man kann die bittere Pille noch so
sehr versüßen. Man kann Lorbeerkränze auf die Häupter setzen. Man
kann stunden- und tagelang über den großen Beitrag reden, den diese
Männer in der Vergangenheit für Israel geleistet haben.
Man kann darüber reden, dass diese Männer auch
eine Zukunft haben, in der man etwas von ihnen erwartet. Doch die
Verletzung, die entsteht, wenn man gesagt bekommt, man solle seine
Koffer packen und die schon zu gewöhnlichen Zeiten schmerzhaft ist,
ist tausendmal schmerzhafter zu Zeiten, da man gerade dabei war,
sich selbst zu beweisen. In diesem Fall hat man das Gefühl, als
hätte sich ein Dolch ins Herz gebohrt.
Während sich das Land auf den Ausnahmezustand zu bewegt und sich
kurz vor einem historischen Ereignis befindet, erfordern jedoch die
neuen Herausforderungen neue Leute. Wie kann der Abkopplungsplan von
einem zweifelnden Generalstabschef umgesetzt werden? Von jemandem,
der diesen Plan öffentlich "Rückenwind für den Terror" nennt und die
Tatsache ignoriert, dass die Regierung –selbst in ihrer alten
Zusammensetzung als nationale Einheitsregierung- der so genannten
Roadmap und der Gründung eines palästinensischen Staates Ende 2005
zugestimmt hat? Man kann sich nicht auf Zusammenstöße mit Siedlern
vorbereiten und zur gleichen Zeit Zweifel über Abu Mazens Fähigkeit,
den Terror zu stoppen, aufwerfen. Ein pessimistischer
Geheimdienstchef, der der Regierung Gesten des guten Willens
gegenüber der palästinensischen Autonomiebehörde ausredet und dann
vom Premierminister erwartet, dass seine Hand beim Unterschreiben
des Evakuierungsplans nicht zittert, ist nicht tragbar.
Es gibt einige hochnäsige Leute, die sagen, die Ernennung von Dan
Halutz sei Sharons Entscheidung gewesen. Nun, was ist an solch einer
Entscheidung falsch? Schließlich hat Sharon keinen Trottel ernannt,
sondern einen Offizier, der beste Führungsqualitäten besitzt. Halutz
ist der Mann, der Bodenstreitkräfte mit der Technologie kombinieren
kann, die Israel in irgendwelchen zukünftigen Kämpfen, die in Folge
syrischer und iranischer Drohungen aufkommen können, benötigen wird.
Doch zu allererst wird Halutz bezüglich seiner Fähigkeit, einen
Aufstand vor der eigenen Haustür zu bewältigen, getestet werden.
Die Anführer des fanatischen Flügels der Siedlerbewegung bereiten
sich auf einen richtigen Krieg vor. "Ein schwarzer Tag" – so nannte
Pinhas Wallerstein letzten Sonntag die Zustimmung der Regierung zum
Rückzug. "Die Nation strebt einer Spaltung zu und wir müssen uns an
diesen Gedanken gewöhnen. Hoffentlich werden wir die emotionale
Stärke finden, bei der Stange zu bleiben und den Rückzug zu
verhindern, ob es nun ihr Leben oder meines kostet." Auf Grund
solcher Worte muss sich die Regierung resolut zeigen und ihren
"Killerinstinkt" schärfen. Halutz' erste Mission wird diejenige
sein, die Regierungsentscheidung umzusetzen, selbst wenn er "einen
leichten Schlag an der Spitze der Tragfläche seines Flugzeuges"
spürt.
Während des Zweiten Weltkrieges, als die Armeen von Feldmarschall
Rommel durch Nordafrika vorwärts drangen, hielt Churchill daran
fest, seine Generale zu drängen, eher anzugreifen als sich hastig
zurückzuziehen. Als sie dies nicht taten, hatte Churchill keine
Bedenken, drei gefeierte Generale –Wavell, Alexander und Auchinleck-
einen nach dem anderen zu feuern und sie durch General Montgomery zu
ersetzen, der der Militärkampagne ein anderes Gesicht gab. Der Rest
ist, wie man sagt, Geschichte.
Die Regierung hat sich für den Abkopplungsplan entschieden. Obwohl
fünf Minister gegen den Plan stimmten, ist keiner von ihnen
zurückgetreten. Die Ironie besteht darin, dass sie gemäß dem Gesetz
der geteilten Verantwortung, volle Partner dieser Entscheidung sind.
Doch Sharon, der von einer Partei mit gestutzten Flügeln unterstützt
wird, während Likudextremisten Wind in die Segel der Siedler blasen,
muss ein Bild der Entschlossenheit projizieren. Er muss zeigen, dass
er ein Gewinnerteam hinter sich hat, das loyal zu seinem Plan steht.
"Drohungen sind eine bedrohliche und schreckliche Sache", sagt
Sharon. "Doch den Drohungen nachzugeben wäre noch schrecklicher. In
meinem ganzen Leben habe ich keiner Drohung nachgegeben. Und ich
habe nicht vor, jetzt damit anzufangen. Es wird nicht möglich sein,
dass eine Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwängt."
Die drei neu Ernannten –der Generalstabschef, der Leiter des
Inlandgeheimdienstes und der Polizeipräsident- werden die
harmonische Orchesterbegleitung liefern für die Melodie, die von der
politischen Formation unter dem Taktstock von Sharon und Mofaz
gespielt werden wird. Das bedeutet nicht, dass es den Führungsrängen
des ausführenden Arms verboten wird, Meinungen zu äußern, doch diese
sollten im Geist der Politik sein, die vom Premierminister geprägt
ist und nicht entgegen diesem Geist, auf jeden Fall nicht in der
Öffentlichkeit.
Es liegen keine leichten Tage vor uns während Israel sich auf die
Umsetzung des Abkopplungsplans vorbereitet und auf die Abwehr der
Schlacht, in die die Verrückten, die nach einem Groß-Israel streben,
den Staat hineinziehen wollen. Nun ist die Zeit, einer Meinung zu
sein und mit einer Stimme zu sprechen – und zwar ohne ein
Augenzwinkern.
hagalil.com
25-02-2005 |