Für die kommenden Abstimmungen:
5 Appelle, die aus dem Herzen kommen
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 01.02.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Der Februar, der normalerweise als harmloser
Monat betrachtet wird, beginnt am 1. mit einer zehntägigen
Achterbahnfahrt kritischer Entscheidungen, die die Zukunft dieses
Landes prägen werden. Am 6. Februar wird die Regierung über den
neuen Verlauf des Sicherheitszauns abstimmen, was voraussichtlich
eine Konfrontation mit den Likud-Rebellen auslösen wird. Am 9.
Februar ist ein Treffen zwischen Scharon und Abu Mazen geplant.
Vor diesem Treffen werden sich Mofas und Dahlan
zusammensetzen und Details zur Übertragung der Verantwortung an die
palästinensischen Sicherheitskräfte ausarbeiten. Am 10. Februar wird
die Gesetzesvorlage zur Kompensation der evakuierten Siedler zur
zweiten und dritten Lesung vor die Knesset gebracht. Als nächstes
wird die Regierung über den Abkoppelungsplan abstimmen, dessen
Genehmigung den Schlüssel im Zündschloss umdrehen und das Auto zum
Fahren bringen wird. Niemals zuvor sind so viele grundsätzliche
Entscheidungen von so wenigen Personen abhängig gewesen. An diese
wenigen Personen will ich von ganzem Herzen appellieren.
1. Appell an Bibi Netanyahu: Du weißt es. Scharon
weiß es. Die Likud-Rebellen und Yesha, der Rat der Siedler, weiß es.
Du bist derjenige, der Scharons Initiative voranbringen oder
scheitern lassen kann. Du kannst dies zu jeder Zeit des Spiels tun
und wo immer du es willst, im Kabinett oder in der Knesset. Doch wie
du auch weißt, wird der Zusammenbruch der Partei nicht deinen
politischen Interessen dienen. Im Jahr 1996 wurdest du auf Grund
eines Frieden-und-Sicherheit-Fahrscheins gewählt. Du fuhrst damit
fort, das Oslo-Abkommen umzusetzen; du hast das Wye-Abkommen
unterzeichnet; du hast hinsichtlich Gesprächen mit Syrien die Fühler
ausgestreckt. Ein Mensch, der Hebron zurückgeben konnte, sollte
keine Probleme mit der Rückgabe des Gazastreifens haben. Seit 1996
bist du älter und weiser geworden. Niemand versteht besser als du,
wohin dieses Land innen- und außenpolitisch marschiert, wenn wegen
uns ein neuer Krieg ausbricht. Scharon hat dir, dem Finanzminister,
die ganze Zeit über den Rücken gestärkt. Nun, da er dich braucht,
ist es an dir, ihm zur Seite zu stehen. Die Chancen stehen gut, dass
du eines Tages sein Nachfolger wirst. Wäre es dir nicht lieber, wenn
er bis dahin die schmutzige Arbeit getan und dich von dem
Höllenloch, das auch Gazastreifen genannt wird, befreit hat?
2. Appell an Avi Dichter: Wer weiß besser als du,
dass kein Geheimdienst dieser Welt jemals die richtig großen
Ereignisse vorhergesehen hat? Ereignisse wie der Frieden mit
Ägypten, der Zusammenbruch des Kommunismus, der Jom-Kippur-Krieg,
die Invasion von Kuwait, der 11. September. Bei allem Fokussieren
auf die unmittelbaren Gefahren neigt man dazu, die Sicht auf das
gesamte Bild zu verlieren. Ich bin mir nicht sicher, ob du zum
Beispiel irgendeine Vorstellung davon hattest, dass Abu Mazen so
schnell eine Feuerpause organisieren kann. Du klebst noch an der
Zeitbombenstufe fest, du bist noch voller Zweifel, ob Abu Mazen
wirklich ein Partner sein kann. Der Zeitpunkt ist gekommen, da du
den Blick etwas höher heben kannst, da du die Gelegenheit ergreifen
kannst, mehr Großzügigkeit und Mut in deinen Gesten gegenüber den
Palästinensern zu zeigen. Freilassung von Gefangenen, Entfernung von
Straßensperren, Rückzug aus den Städten – ohne diese Dinge wird Abu
Mazen niemals überleben. Hebe den Blick und sieh nach vorne. Du hast
bereits bewiesen, dass du das kannst.
3. Appell an Rabbi Ovadja: Du hast das Herz der
Allgemeinheit gewonnen und hast die Shas-Partei um zehn Sitze
stärker gemacht, indem du auch die Unterstützung nicht-orthodoxer
Wähler gewonnen hast. Einer der Gründe für deinen Erfolg war deine
rabbinische Entscheidung, nach der menschliches Leben heiliger ist
als das Land. Ich weiß nicht, wer deinen Kopf durcheinander gebracht
und dich dazu veranlasst hat, diese Entscheidung rückgängig zu
machen. Tatsache ist, dass Shas einen Schlag erlitt und gerade dann
auf den Abgang aus der Regierung zustrebte als Scharon, dem du immer
die Füße geküsst hast, begann, gemäß deiner ersten rabbinischen
Entscheidung zu handeln. Es ist hart, eine solch geachtete und
gebildete religiöse Führungsperson wie du es bist, dabei zu
beobachten, wie sie der politischen Linie einiger kleiner Rabbiner
folgt, die Gewalt predigen und die Menschen dazu aufrufen, für das
Land Israel zu sterben. Wo steht so etwas geschrieben? Juden beten
dreimal am Tag um Frieden. Strebe nach dem Frieden, Rabbi Ovadja,
und bringe der Shas-Partei ihre frühere Ehre einer politischen
Friedenspartei zurück.
4. Appell an die Leitung des Yesha-Rates: Wir
haben die Botschaft verstanden. Es ist nicht leicht für euch, eure
Häuser und euer Eigentum zu verlassen. Doch wenn ihr einmal tief in
euch hineinhorcht – ist es nicht möglich, dass ihr von Anfang an
wusstet, dass ihr nicht für immer dort bleiben würdet? Nun haben wir
den Zeitpunkt erreicht, an dem „für immer“ zu Ende geht. Ihr habt
eure letzte Schlacht zu früh begonnen und ihr kämpft nicht für die
richtige Sache. Der Gazastreifen ist nicht das Land Israel. Im
Prinzip gibt es gar kein Land Israel. Es gibt einen Staat Israel. Es
wäre besser gewesen, ihr hättet eure Energie für die letzte Stufe
des Abkommens aufgespart, wenn es um die Größe der Siedlungsblöcke
gehen wird. In dem Moment, da ihr mit Drohungen und Gewalt begonnen
und die Autorität des Staates herausgefordert habt, war das Spiel
vorbei. Ihr habt den Kampf verloren bevor er begonnen hat.
5. Appell an Yossi Beilin: Ich kann es nicht
glauben. Du wirst gegen den Haushaltsplan stimmen? Die Regierung
stürzen? Neuwahlen anstreben? Den Rückzug aus dem Gazastreifen
sabotieren? Bibi und die Rebellen an die Macht bringen? Weißt du
was? Yassir Arafat pflegte zu sagen: Geh und trink aus dem Meer von
Gaza!
hagalil.com
02-02-2005 |