
Antisemitismus:
Wenn Israel zum Problem wird
Von Abraham Tirosh, Maariv, 19.11.2003
Es ist richtig, Antisemitismus hat tiefe Wurzeln
und es gibt ihn nicht erst seit gestern. Aber zweifelsohne wird seine
jetzige Welle in großem Maße von den Ereignissen in den Gebieten und der
israelischen Palästinenserpolitik genährt. Ich möchte den Antisemitismus
Gott behüte nicht damit rechtfertigen. Nicht jede antisemitische
Erscheinung ist das Ergebnis des Verhaltens Israels, und nicht jede
Kritik an der israelischen Politik ist Antisemitismus.
Aber nicht wenige Antisemiten verstecken sich hinter
dem Argument, sie hätten nichts gegen Juden, sondern nur gegen die
Politik und die Taten Israels. Der israelischen Öffentlichkeitsarbeit
fällt es schwer, sich mit Berichten und Aufnahmen von getöteten Frauen
und Kindern nach einem "gezielten Töten" irgendeines gesuchten
Terroristen auseinanderzusetzen, von Armut und Hunger in den
Flüchtlingslagern und von ausgerissenen Olivenbäumen. All dies wird zum
Benzin in den Motoren des Antisemitismus.
Wenn die Politik Israels dazu führt, dass Juden in der
Diaspora Gefahren drohen, dann ist das ein Problem. Bisher wurden in der
Diaspora zwar kaum Stimmen laut, die Israel Vorwürfe machen und seine
Politik kritisieren. Aber sollte die Antisemitismuswelle zunehmen,
könnten immer mehr Juden in der Diaspora Israel die Schuld an ihren
Problemen geben und fordern, die Politik zu ändern. Wenn die israelische
Politik das Leben dieser Juden beeinflusst und gar gefährdet, dann haben
sie auch das Recht, sich einzumischen.
Die einfache Lösung für Antisemitismus ist die
Auswanderung nach Israel. Einfach, jedoch nicht real. Fast allen
Einwanderungen nach Israel lagen negative Motive zugrunde. Die Juden
hatten guten Grund, die Länder, in welchen sie lebten, zu verlassen und
nach Israel zu kommen. Das hat nicht immer geklappt, und auch heute
würde es nicht klappen.
Terrorakte, Brandstiftungen an Synagogen, Angriffe
gegen Juden und antisemitisches Gerede sind noch immer kein Grund für
die Juden, so schnell nach Israel auszuwandern. Sharon rief vorgestern
die italienischen Juden auf, nach Israel zu kommen. Sie applaudierten
ihm, rannten jedoch nicht nach Hause, um ihre Koffer zu packen. Man kann
auch keine Einwanderungswelle aus der Türkei erwarten. Im Gegenteil, die
Zahl der Neueinwanderer nimmt ständig ab. In seiner jetzigen Situation
ist Israel keine verlockende Option für die Juden, nicht einmal für die,
die Probleme in ihren Ländern haben. Für die meisten Juden ist Israel
der gefährlichste Platz der Welt, sowohl aus sicherheitspolitischer
Sicht, als auch aus wirtschaftlicher.
Israel muss keine Politik betreiben, die den
Antisemiten behagt. Das wird nämlich auch nichts helfen. Aber Israel
sollte Taten vermeiden, die nicht nur an sich schlecht sind, sondern
auch den Antisemiten in die Hände spielen.
hagalil.com
20-11-2003 |