Freie Glaubensausübung:
Der sunnitische Islam
Von Haydar Isik
Die Türkei nennt sich gerne ein hundert
prozentiges islamisches Land. Aber in diesem Land gibt es Millionen
Menschen, die anderen Glaubensrichtungen angehören. Die Alleviten
geben nach Schätzungen ihre Einwohnerzahl mit 15 bis 20 Millionen
Menschen an. Es gibt noch die Zarathustra Anhänger- kurdische
Jeziden-, die christlichen Assyrer, Armenier, Griechen und Juden.
Nehmen wir die Alleviten. Diese, meist aus Kurden
bestehende Glaubensgemeinschaft hat ihre religiösen Elemente
hauptsächlich aus dem Zarathustra Glauben, aus dem Jüdischen,
Christlichen und Islam aufgenommen. Sie hat keine Moscheen und
richtet sich nicht nach den sogenannten fünf Säulen des Islams. Die
Alleviten haben keinen heiligen Krieg (Djihad). Sie sind
demokratisch gesinnt, friedlich und an die westlichen Werte
orientiert.
Aber dieser Glaube wurde zu allen Zeiten von der
sunnitischen Konfession unterdrückt. Er wurde früher von dem
osmanischen Despotismus und seit Gründung der Republik von dem
Regime Kemal Atatürks verfolgt und Progromen ausgesetzt. Viele
Osmanische Sultane, die auch Kalifen waren, schickten ihre hohe
forte gegen die Kizilbashs (Rotkopf- so nennt man die Alleviten,),
um den sunnitischen Islam von diesen Ketzern rein zu halten. Die
Alleviten werden von den sunnitischen Moslems als die
niederträchtigsten Menschen angesehen, da sie ihrer Verleumdung nach
keine Mutter und Schwester anerkennen und Inzest begehen. Die
Alleviten können nur Moslem werden, wenn sie vorher40 Jahre lang zum
Christentum konvertiert sind. Dann dürfen sie den Islam annehmen.
Wenn ein Moslem sieben Alleviten tötet, ebnet der Prophet ihm den
Weg zum Paradies. Durch solche Repressionen bleibt vielen Alleviten
nur ein Weg frei, sich aus Angst zu verleugnen.
Die vom Westen als modern bezeichnete Türkei
erkennt die Alleviten seit ihrer Gründung nicht an. Nach dem
Militärputsch 1980 ließen die Generäle in den kurdisch allevitischen
Dörfern Moscheen bauen und die Kinder der armen Alleviten in den
sunnitisch religiösen Schulen einschulen. Zwar zahlen die Alleviten
Steuer, aber damit werden Moscheen gebaut, in der die Mullahs
Alleviten beschimpfen. Im Jahr 1978 wurden nach einer
Freitagspredigt in den Moscheen von Marash einhundert und zehn
allevitische Kurden, meist Frauen und Kinder bestialisch von den
aufgebrachten türkischen Fanatikern umgebracht. Auch in Sivas wurden
vor zehn Jahren 35 allevitische Intellektuelle, die sich für eine
allevitische Kulturveranstaltung im Hotel Madimak befanden, unter
den Augen des Militärs von den Türkisch-Sunnitischen Massen lebendig
verbrannt.
Ministerpräsident Erdorgan las vor einigen Jahren
in Urfa ein Gedicht mit dem Inhalt "unsere Minarette sind unsere
Bajonette, unsere Moscheen sind unsere Kasernen." Dieser Mann, der
bis vor Kurzem ein blühender Islamist war, ist heute ein blühender
Laizist geworden. Was hat sich geändert?
Heute werden die islamistischen Terroristen vom
sunnitischen Islam rekrutiert. Die Türkei hat in den 90'er Jahren
eigenhändig von der Jandarmarie-JITEM (eine Konterguerilla gegen die
PKK) aus der sunnitischen Bevölkerung die Hisbollah gegründet. Um
ins Paradies zu gehen hat diese Bande "die gottlosen kurdischen
Kämpfer" getötet. Tatsächlich haben diese religiös blind und scharf
gemachten Killer nahezu 10.000 kurdische Intellektuelle, Ärzte,
Rechtsanwälte, Schriftsteller, Journalisten, Lehrer umgebracht.
Damals hat die Welt den Schrei der Kurden nicht gehört. Der heutige
Innenminister, Aksu war damals auch Innenminister und sagte
sinngemäß: "Wir müssen gegen die PKK Menschen aufbringen, in deren
Hand die Gebetskette ist." Aksu war einer davon, der die Gründung
der Hisbollahs begünstigt hat. Nachdem die PKK sich aufgelöst und
den bewaffneten Kampf aufgegeben hatte, haben diese
Hizbollahanhänger sich gegen die jüdischen Menschen gewandt.
In diesem Jahr hat das von Aksu's Innenministerium
hervorgebrachte Reuegesetzt angeblich bezweckt die PKK Kämpfer aus
den Bergen ins Gefängnis zu holen. Aber in Wirklichkeit wollte man
mit diesem Gesetzt einstige Hisbollah- Terroristen begünstigen.
Hunderte von diesen Mördern kamen frei und bewegen sich nun auf dem
Nährboden des politischen Islam, welcher von der AKP-Partei,
Erdogans, ermöglicht wurde.
Die Türkei hat eine Paranoia. Wenn sie den Kurden
ihre Rechte gewährte, glaubt man, dass das Land gespalten würde.
Diese tief sitzende Angst lässt das Kemalisten-Regime nicht sachlich
denken. Um den Kurden keine Freiheit zu geben, machen sie alles
mögliche. Der Premierminister Erdogan sagte: Wenn man nicht daran
denkt, dass es ein Kurdenproblem gibt, dann gibt es eben kein
Kurdenproblem. Er will damit sagen, die Kurden sollen sich wie die
Alleviten selbst verleugnen. Aber das Bewusstsein der Kurden ist
nicht mehr zurückzudrängen. Daher ist die Türkei gefordert, das
Problem aller Probleme- das Kurden Problem- politisch zu lösen.
Sonst wird dieses Land niemals stabil.
Die Türkei soll den Kurden, die international
anerkannten Minderheitenrechte, verfassungsmäßig zu erkennen und den
Alleviten freie Glaubensausübung ermöglichen. Dann wird sie
demokratisch und kann in die EU kommen.
Die westliche Welt hat leider auf das falschen
Pferd gesetzt. Man hat die Generäle und ihr rassistisches Regime,
den Kemalismus, als säkular und modern bezeichnet und gefördert. Und
man hat keinerlei Druck auf die Türkei ausgeübt, dass die Kurden und
Alleviten frei kommen können.
So wie die von Saddam begünstigten sunnitischen
Banden wird auch Al Qaida mit dem Kapital des Sunnitischen-Islam
hochkommen. In allen moslemischen Ländern, in denen die sunnitische
Konfession in der Macht ist, wird der Djihad Aufruf gegen Giavur
(Ungläubige) immer wieder kommen. Da die Sunniten die Interpretation
des Islams nur zu Gunsten ihrer Konfession auslegt, und sich nicht
reformiert hat, werden sie für anders denkende Menschen eine
potentieller Gefahr stellen. Natürlich wird das Vorhaben dieser
Konfession gestärkt, wenn auch in dem Koran die Führung des
religiösen Krieges vorkommt.
"Wenn es Euch auch nicht gefällt, wird der Krieg
eure Pflicht." (Bakara Sure, 216) Außerdem sind die sunnitisch
religiösen Schulen, die von einem seriösen, weltoffenen und
völkerfreundlichen Unterricht sehr weit entfernt, sind von der
türkischen Regierung verbreitet. Es gibt einen kurdischen Spruch:
Ein halber Arzt nimmt einen Menschen das Leben, aber ein halber
Mullah macht den ganzen Glauben kaputt.
Die Türkei wurde mal vom Pantürkismus mal vom
Panislamismus oder wie wir heute haben, in einer Synthese der beiden
Ideologien regiert. Wenn jemand dieses Land in diesem Zustand als
säkular bezeichnet, sagt er nicht die Wahrheit. "Die Ehrlosigkeit in
der Welt ist schlimmer als die Qual des Grabes." sagt ein kurdischer
Spruch. Da die Politiker meist nur das Geschäftsinteresse ihres
Landes vertreten, verwischen sie die Dinge wie es ihnen passt. Zum
Beispiel habe ich oft gelesen, dass das Saddamregieme säkular sei.
Wenn man in Bagdad in ein Taxi einsteigt, wird im Radio oder auf
Kassetten aus dem Koran vorgetragen.Ich habe dies persönlich erlebt.
Die USA und der Westen müssen die Realität des
Islams endlich richtig und differenziert betrachten. „Tausend
Freunde sind wenig, ein Feind ist zuviel.“ sagen die Kurden. Wenn
man seine wahren Feinde begünstigt, und den sunnitischen Islam in
der Türkei, Irak, in allen arabischen Ländern als Partner hofiert,
und den Alleviten und anderen Glaubensrichtungen keine Hilfe und
Achtung schenkt, werden selbstverständlich El Qaida, Hisbollah,
Ibda-C und andere terröristische Organisationen im Herzen der
Menschheit neue Wunden bringen. Man darf nicht vergessen, dass die
Mörder vor den Istanbuler Synagogen einst gewünschte "gute religiöse
Personen waren, in der Hand die Gebetskette, um die Kurden zu
killen."
Die Staaten und Organisationen, die der Türkei
beistehen in die EU zukommen, müssen unbedingt die Reformen der
sunnitischen Konfession fordern. Eine zeitgemäße Änderung ist vom
Kopftuch bis zum Inhalt der Religion erforderlich. Außerdem denke
ich, wer ehrlich für die Aufnahme der Türkei in die EU ist, muss
gleichzeitig die demokratischen Institutionen, unterstützen
besonders den Alleviten und Kurden helfen, dass sie die Türkei
fürEuropa konvertibel machen können.
hagalil.com
07-12-2003 |