Die israelische Polizei hat am Dienstag vierzehn Mitglieder der
"Islamischen Bewegung" in Israel verhaftet, darunter ihren Anführer
und früheren Bürgermeister der Stadt Um-al-Fahem in Nordisrael,
Sheich Ra'ad Salah.
Der Bewegung wird vorgeworfen, bei arabischen Israelis gesammelte
Gelder über die Hamas an die Familien von Selbstmordattentätern
weitergeleitet zu haben, so die Brigadegeneralin Miri Golani von der
Sondereinheit der israelischen Polizei für finanziellen Missbrauch.
Ohne diese Finanzhilfen wäre die Hamas nicht in der Lage gewesen,
viele ihrer Terroranschläge gegen Israelis durchzuführen, sagte die
Polizeisprecherin. Sheich Salah ist der geistige Führer der
nördlichen Gruppierung der "Islamischen Bewegung" in Israel. Er
predigt die Gründung eines Gesetzesstaates nach dem Vorbild der
Sharia, der israelische Staat ist seiner Meinung nach eine
vorübergehende Erscheinung.
Hintergrund und Kommentar der israelischen Tageszeitung Ma'ariv:
"Am kommenden Samstag wird Sheich Ra'ad Salah in der
Abu-Ubeida-Moschee in Um-al-Fahem zum ersten Mal erfahren, ob, - und
wenn ja, wie sehr, - sein Umfeld ihn wirklich unterstützt.
Jahrelang hörten Araber in Israel die Warnungen des Sheichs vor den
Gefahren, die die Al-Aqsa-Moschee betreffen. Nun, nach der
dramatischen Nacht der Festnahmen, sehen sich der Sheich selbst und
die gesamte Islamische Bewegung gefährdet.
Die Hauptdemonstration ist für 15 Uhr geplant und alle politischen
arabischen Flügel sind zur Demonstration aufgefordert: für den
Sheich, für die Bewegung und für den Islam. Die Frage ist
allerdings, ob sich die Anhänger des Sheichs bis zum Samstag
zurückhalten können, denn am Donnerstag wird der "Tag der Erde"
begangen und auch die Freitagsgebete bieten immer wieder Anlass zu
Unruhen.
Sheich Ra'ad Salah aus Hajana, erst 45 Jahre alt, genießt hohes
Ansehen bei seinen Anhängern. Er ist ein charismatischer Führer, der
hinter den gesamten Aktivitäten des nördlichen Teils der Islamischen
Bewegung steht. Ihm unterliegen alle Kontakte zwischen der
Islamischen Bewegung und Büros in den Palästinensergebieten oder im
Ausland. Salah ist die geistig-ideologische Autorität des Flügels
der Organisation und gilt als derjenige, der die Bewegung
ideologisch positioniert hat.
Sheich Ra'ad Salah ist verantwortlich für schwere
anti-israelische und anti-jüdische Verleumdungen, die sich im Laufe
der Konfrontationen mit den Palästinensern noch verschärft haben.
"Ausbeutende Verbrecher, die Moscheen mit Raketen beschießen",
"Schlächter schwangerer Frauen und kleiner Kinder. Weiter so,
zerstört und verbrennt, der Sieg gehört den Moslems, vom Nil bis zum
Eurhrat." – so schrieb Salah vor einem Jahr.
Ideologisch stammt der Sheichs aus der Schule der Bewegung der
Moslem-Brüder. Dementsprechend strebt die Islamische Bewegung in
Israel, wie auch ihre Schwesterorganisationen weltweit, nach der
Durchsetzung der "Sharia" als islamische Ordnung für ale
Lebensbereiche und der Unterwanderung der Gesellschaftsgestalt, in
die sie eingebettet ist. Ziel der Islamisten ist die allmähliche
Errichtung eines Gesetzesstaates und dessen Integration in eine
große islamische Nation. Der Staat Israel ist für sie eine
vorübergehende, unnatürliche Erscheinung.
Den Weg zur Verwirklichung dieses islamischen Traums sieht der
Sheich in der Unterwanderung und der Beeinflussung der Bevölkerung
durch ein effektives System von Predigten gegeben, das von
kulturellen und wirtschaftlichen Systemen, die in staatlichen
Einrichtungen konkurrieren, unterstützt wird. Diese Methode haben
die Moslem-Brüder "Herzens-Bildung" genannt. "Jihad" bedeutet nach
Ansicht der Moslem-Brüder nicht nur Gewaltaktionen, sondern auch
Beeinflussung durch soziale Dienste wie der Bau einer Moschee oder
eines Kindergartens oder die kostenlose ärztliche Verpflegung. Auf
diesem Weg wird versucht, die islamische Revolution in den Herzen
der Gläubigen voranzutreiben. Die Hamas in Gaza agiert mit der
gleichen Methode. Allerdings setzt sie auch Anschläge mit Raketen
und Sprengsätzen ein. In diesem Bereich ist der Sheich Leitfigur und
Autorität, nicht nur in Israel, sondern auch in der islamischen
Welt.
Früher jedoch ging der Sheich einem gewaltvolleren Weg. In den
80er Jahren war er einer der bedeutendsten Figuren der
israelisch-arabischen Terrorgruppe, die sich "Familie des Jihad"
nannte. Das war die Zeit, zu der Ägypten von einer islamischen
Terrorwelle heimgesucht wurde. Zahlreiche junge Moslems, auch in
Israel und den Palästinensischen Gebieten wurden von ihr
beeinflusst. Der ägyptische Jihad war damals das Vorbild.
Im Februar 1981 wurde der Sheich verhaftet und wegen seiner
Beteiligung an Terroraktivitäten befragt. Außer ihm wurden weitere
Personen festgenommen, die zu der Führung der Islamischen Bewegung
in Israel gehörten. Nach seiner Freilassung verlagerte Salah seine
Aktivitäten in den religiösen, politischen, gesellschaftlichen und
kulturellen Bereich.
1996 teilte sich die Islamische Bewegung in zwei Flügel, einen
nördlichen und einen südlichen. Der südliche Flügel (gegründet von
Abdallah Nimar Darvish) gilt als eher pragmatisch. Er erkennt den
Staat Israel an und ist in der Knesset, dem israelischen Parlament,
Der nördliche Teil (Sheich Ra'ad Salahs) erkennt die Existenz des
israelischen Staates dagegen nicht an und zeigt sich extremer.
Sheich Ra'ad Salah und seine Islamische Bewegung unterhalten
Kontakte zur Hamas, zumindest auf ideologischer Ebene. In
Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass diese Kontakte weitaus
enger geknüpft sind und dass Salahs Bewegung zur Stärkung der Hamas,
die die mächtigste Organisation in der Region darstellt, verhalf.
Die Islamische Bewegung ist Sprachrohr der Hamas. Dazu gehört die
Unterstützung von Selbstmordattentätern. (...)"
© Botschaft des Staates Israel, 2003