Eine Analyse von Miriam Magall:
Allahs Sonne über dem Abendland?
Über die Möglichkeiten
eines friedlichen Nebeneinanders von Orient und Okzident...
Auseinandersetzungen mit dem Westen
- 2.1 Die Kreuzzüge
-- 2.1.1 - Exkurs: Die Assassinen
- 2.2 Die Reconquista in Spanien
Trotz al Hakim gelten die ägyptischen Fatimiden als
die duldsameren Herrscher und Herren auch über die den Christen
heiligen Stätten in Palästina. Das ändert sich, als die türkischen
Seldschuken 1071 ihnen Syrien und Palästina entreißen. Als sich nach
zahllosen Klagen über Schikanen der Seldschuken an den heiligen
christlichen Stätten vor allem in Jerusalem auch der byzantinische
Kaiser hilfesuchend an ihn wendet, reagiert Papst Urban II. darauf
und hält auf dem Konzil von Clermont 1095 seine Kreuzpredigt. Er
ruft die Christen zum Krieg gegen den Islam und zur Befreiung des
Heiligen Grabes in Jerusalem auf. Sein Aufruf wird im gesamten
christlichen Europa begeistert aufgegriffen.
2.1 Die Kreuzzüge
Im Jahr 1096 brechen französische Ritter und
süditalienische Normannen zum 1. Kreuzzug auf. Am 15. Juli 1099
nehmen die Kreuzfahrer Jerusalem ein und richten unter seinen
Bewohnern ein so gewaltiges Blutbad an, dass es bis zum heutigen Tag
in muslimischen Kreisen nicht vergessen ist. Das Königreich
Jerusalem wird gegründet, außerdem entstehen weitere christliche
Kreuzfahrerstaaten, so die Grafschaften Edessa und Tripolis, das
Fürstentum Antiochia und das Königreich Klein-Armenien. 1248--54
findet der sechste und letzte Kreuzzug ins Heilige Land statt.
Natürlich nehmen die Muslime dieses Vordringen der
Europäer auf ihr ureigenstes Gebiet nicht tatenlos hin. Immer wieder
kommt es zu Zusammenstößen, die jedoch nur Teilerfolge bringen. Die
entscheidende Wende kündet sich mit einem großen Feldherrn an. Im
Jahr 1187 bringt Saladin den Franken in der Schlacht bei den Hörnern
von Hattin am See Genezareth eine erste entscheidende Niederlage
bei, im gleichen Jahr erobert er Jerusalen und den größten Teil des
fränkischen Gebiets zurück. Die "Besatzer", wie sie für die Muslime
heißen, besitzen nur noch Tyros, Tripoli und Antiochia. 1291 geht
den Christen mit der Einnahme von Akkon die letzte
Kreuzfahrerbastion im Heiligen Land verloren. Die nun herrschenden
Mamelucken zerstören systematisch alle Küstenstädte um eine Rückkehr
möglicher Kreuzfahrer von vorneherein dauerhaft auszuschließen.
Damit gehen zweihundert Jahre fränkischer Besatzung im Orient
endgültig zu Ende.
Die arabischen Geschichtsschreiber sprechen natürlich
nicht von Kreuzzügen, sondern von den Kriegen bzw. Invasionen der
Franken, wie die Eindringlinge aus Europa von den Arabern genannt
werden. Der Europäer sollte sich dabei vor Augen halten, dass diese
zweihundert Jahre der Invasionen und Kriege nicht nur das Abendland,
sondern auch die arabische Welt entscheidend geformt und die
Beziehungen massgeblich bestimmt haben und zum Teil immer noch
bestimmen. Für die Araber ist die Einnahme Jerusalems durch die
europäischen Invasoren der Ausgangspunkt einer tausendjährigen
Feindschaft zwischen dem Islam und dem Abendland, nach Ansicht
einiger hält sie bis zum heutigen Tag an.
2.1.1 Exkurs: Die Assassinen
Ein Teil der Kommentatoren betrachtet die
Assassinen lediglich als eine exotische Entgleisung der Geschichte,
andere halten sie dagegen für die Prototypen moderner
Selbstmordattentäter. Wie dem auch sei, sie sollten nicht übergangen
werden, wenn von nahöstlichen Konflikten die Rede ist.
Ihr arabischer Name bedeutet "Haschisch-Genießer", sollen sie sich
doch vor ihren Anschlägen mit dieser Droge in Trance versetzen.
Gegründet wird dieser islamische Geheimbund kurz vor Beginn der
Kreuzzüge (um 1081) als eine Abzweigung der Ismailiten. Ihr Gründer,
der Perser Hassan ibn Sabbah (gest. 1124), hat sich das Ziel
gesetzt, ein schiitisches Kalifat wieder erstehen zu lassen, nachdem
die sunnitischen Seldschuken das gesamte Gebiet von Kleinasien in
Besitz genommen haben und den vorher herrschenden Schiismus zu einer
gerade noch geduldeten Doktrin machen, die schließlich auch
unterdrückt wird.
Hassan bemächtigt sich im Jahr 1090 der nordpersischen Festung
Alamut, die in einem unzugänglichen Gebiet nicht weit vom Kaspischen
Meer liegt. Von dort aus terrorisieren er und seine Nachfolger
Fürsten und Staatsmänner sowohl der Muslime als auch der Kreuzfahrer
durch Meuchelmörder, die nach erfolgtem Anschlag bereitwillig ihr
Leben lassen. Ein Zweig der Assassinen setzt sich im syrischen
Bergland fest und bedroht hauptsächlich die Kreuzfahrer. Berühmt
berüchtigt ist Sinan, "der Alte vom Berg", der schon bald nach der
Ankunft der Kreuzfahrer 1199 Angst und Schrecken unter ihnen
verbreitet, aber auch mit Saladin, dem größten Feldherrn der Muslime
zur Zeit der Kreuzzüge, aneinandergerät und wiederholt sein Leben
bedroht. Erst die Mongolen brechen 1256 die Schreckensherrschaft der
persischen Assassinen, der Mameluckensultan Baibars 1272 die der
syrischen Assassinen.
2.2 Die Reconquista in Spanien
Während es den Muslimen nach zweihundertjähriger
Besatzung durch die Franken im Nahen Osten gelingt das fremde Joch
abzuwerfen, erleiden sie am entgegengesetzten Ende des Mittelmeers,
in ihrem geliebten Andalus, eine Niederlage, unter der ihr Stolz bis
heute leidet.
Um 800 untersteht Spanien dem Emirat, später Kalifat
von Córdoba unter der Herrschaft der Omajjaden aus Damaskus.
Lediglich die christlichen Randstaaten Navarra, Barcelona und
Asturien, auch Leon genannt, haben sich als unabhängige Königreiche
bzw. Grafschaft erhalten. Als sich das Omajjaden-Kalifat in einem
großen arabischen Bürgerkrieg 1008--1028 auflöst, beginnen die
christlichen Königreiche ihre Angriffe aus dem Norden.
Cluniazensische Mönche stärken die nationalen Ritterorden, die
Päpste (Gregor VII. und Innozenz III.) fördern die Kreuzzüge durch
Werbung und Geldmittel und die Ritterorden (Templer und Johanniter)
leisten aktive Hilfe.
Held der Kämpfe um Toledo, das 1085 von den Spaniern genommen wird,
ist Rodrigo Diaz, genannt
El Cid. 1118 erobert Alfons I. der Krieger (1104--1134)
Saragossa, 1137 erfolgt die Vereinigung mit Katalonien. Nach dem
Sieg der Spanier bei Navas de Tolosa 1212 löst sich das
Almohaden-Reich auf. Als die Balearen 1229--1235 und 1238
Valencia durch Jakob I. (1213--1276) eingenommen werden, ist das
muslimischer Herrschaftsgebiet auf weniger als die Hälfte des
ursprünglichen Emirats von Córdoba geschrumpft. Ferdinand III. der
Heilige erobert in einem langjährigen Kampf, der von 1217 bis 1252
dauert, den Süden mit Córdoba. Schließlich kann sich nur noch
Granada als letzte muslimische Enklave auf spanischem Boden halten.
Sie wird 1492 von den Spaniern erobert. Damit ist die Reconquista
unwiederruflich beendet, die Muslime haben nach siebenhundert Jahren
Herrschaft Andalus für immer verloren.
Die Inquisition wird 1481 erneuert. Unter dem Großinquisitor
Torquemada (1483--1498) verwandelt sich Spanien in ein Land
fanatischer Religiosität, in dem es nur Platz für ein Volk, einen
Glauben und eine Sprache gibt: 1492 werden alle Juden ausgewiesen,
soweit sie nicht zum Christentum übertreten, im Jahr 1515 ereilt die
Moriskos (Mauren) ein ähnliches Schicksal mit einem Unterschied: Sie
müssen Spanien verlassen, selbst wenn sie sich zum Christentum
bekehren.
hagalil.com
16-08-2005 |