Nach Angaben der
Nachrichtenagentur ISNA am 19.2.2004 sind die beiden
reformislamistischen Zeitungen Yaase No und Sharq verboten worden.
(ISNA, 19.2.2004) Wie dazu Rouydad, eine reformislamistische Homepage,
berichtete, wurde das Verbot der Zeitung Yaase No in Anwesenheit des
Chefredakteurs und zwei weiterer Redakteure der Zeitung bekannt gegeben.
Zwei nicht namentlich erwähnte Mitarbeiter der Zeitung seien verhaftet
worden.
Rouydad weiter: "Während der
religiöse Führer des Iran der Meinung ist, dass im Iran vollständige
Pressefreiheit herrscht, wurden in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag
die Zeitungen Yaase No und Sharq verboten. Die Zeitungen hatten Teile
eines Protestschreibens von Majlessabgeordneten an den religiösen Führer
abgedruckt. Das Verbot wurde auf Befehl von Hassan Rohani,
Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates, ausgesprochen. Beamte
der Teheraner Staatsanwaltschaft sind in der vergangenen Nacht in den
Büros der Zeitungen Yaase No und Sharq erschienen und haben vor Ort das
Verbot bekannt gegeben. Nachdem die Beamten die Mitarbeiter der
Zeitungen über Stunden in ihren Büros verhört und die Telefonleitungen
der Büros unterbrochen hatten, wurden die Büros plombiert. Als Grund für
das Verbot der Zeitungen wurde die Veröffentlichung einiger Passagen des
Briefes von Majlessabgeordneten an den Führer angegeben. In der Nacht
hatte Hassan Rohani persönlich die Veröffentlichung dieses Briefes
zensiert. […] Hassan Rohani, der nicht zum ersten Mal die Zensur der
iranischen Presse anordnete, hatte kürzlich in Gegenwart des
französischen Außenministers Hubert Vedrine und Jacques Chirac noch
beteuert, dass der Sitzstreik der Majlessabgeordneten ein Beweis für die
Demokratie im Iran sei!
Damit sind die beiden
meistverkauften Nichtregierungszeitungen einen Tag vor den siebten
Majlesswahlen verboten worden. Dabei ist es nicht einmal eine Woche her,
dass der religiöse Führer von einer vollständigen Pressefreiheit im Iran
sprach. […] Das Verbot von Scharq und Yaase No so kurz vor den Wahlen
erinnert an das Verbot der Zeitung Salam (linksislamistisches Blatt, d.
Redaktion)vor dem vierten Majless."
Die studentische Nachrichtenagentur ISNA zitierte Seyyed Mohammad Ali
Abtahi, den parlamentarischen Sekretär von Präsident Khatami, der das
Verbot der beiden Zeitungen bedauerte. Das Verbot sei illegal. Der
Präsident sei, obwohl Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates, erst
informiert worden, nachdem die Entscheidung getroffen worden war.
Abtahi: "Solche Maßnahmen haben einen sehr negativen Einfluss auf den
Ablauf der Wahlen. Es war natürlich vorauszusehen, dass im Falle eines
Sieges der Regierungskritiker solche Auseinandersetzungen gehäuft
auftreten würden. Das Verbot der Zeitungen hat aber gezeigt, dass die
Kritiker ihr Ziel, die Freiheiten einzuengen, schon vor dem Wahlsieg
verfolgen." (ISNA, 19.2.2004)
Auch der Verteidiger der
Zeitung Yaase No, Abdolfatah Soltani, erklärt bei ISNA, dass das Verbot
der Zeitungen illegal sei. Eine Zeitung könne nur verboten werden, wenn
der Nationale Sicherheitsrat sie wegen eines Problems zunächst ermahne
und erst wenn dann das Problem nicht behoben werde, könne die Zeitung
verboten werden. Natürlich könne auch dann nicht einfach der
Staatsanwalt ein Verbot aussprechen, sondern das Gericht müsse ein
Urteil verkünden. Der Anwalt erwähnte, die Büros seien geschlossen
worden und die Beamten hätten die Schlüssel mitgenommen. Aber selbst
wenn das Verbot legal gewesen wäre, so Soltani, dürften nicht einfach
neue Schlösser angebracht und die Büros verriegelt werden. (ISNA,
19.2.2004)
Die ISNA veröffentlichte zudem
die Einschätzung von Issa Saharkhis, Mitglied des Zentralrates des
Vereins zur Verteidigung der Medien im Iran. Saharkhis meint, dass das
Verbot der Zeitungen als Zeichen für einen neuen Höhepunkt der
Interventionen in politische Dispute zu werten sei. Solche Einmischungen
hätten zwar Tradition, seien dieses Mal aber eindeutig zugunsten der
Minderheit im Majless ausgefallen. Das Ziel sei die "vollständige
Entwaffnung" der Reformer. Zudem solle im Vorfeld der Wahlen des siebten
Majless dafür gesorgt werden, dass diese Zeitungen keine
"Entlarvungsaktionen" starten könnten. Letztendlich sei die Durchsetzung
einer einstimmigen Medienlandschaft Ziel der Maßnahme.
In seiner Erklärung fragt
Saharkhis: "Wenn Majlessabeordnete nicht das Recht besitzen, ihre
Positionen bekannt zu geben, wer kann dann das Recht des Volkes gegen
Übergriffe verteidigen?" Saharkhis erinnert den Präsidenten Mohammad
Khatami daran, dass es seine Aufgabe sei, die Verfassung des Landes zu
verteidigen und die Freiheiten der Bürger zu schützen. Die direkte
Einmischung des Nationalen Sicherheitsrates, der ja unter dem Vorsitz
von Präsident Khatami stehe, verletze den Artikel 4 der Verfassung, der
die Meinungsfreiheit im Rahmen der islamischen Ordnung festlege. Allein
die Regierung und die Judikative hätten die Verantwortung dieser Verbote
zu tragen. (ISNA, 19.2.2004)
Die Agentur ILNA meldete, dass
der Chefredakteur der Zeitung Sharq, Rahmanian, in einem Schreiben an
die Revolutionäre Staatsanwaltschaft von Teheran die Aufhebung des
Verbots seiner Zeitung gefordert habe. Rahmanian schreibt in seinem
Brief von ILNA veröffentlichten Brief an den Staatsanwalt, dass seine
Redakteure einige in der Erklärung der Majlessabgeordneten enthaltene
Beschimpfungen gestrichen hätten, die Erklärung aber ohne Unterschriften
der Majlessabgeordneten gewesen sei. In dem Schreiben gesteht er, dass
die Veröffentlichung einer anonymen Erklärung mit den Prinzipien des
Pressegesetzes nicht zu vereinbaren sei. Die Bemühungen der Redaktion,
das Schreiben mit den Unterschriften zu bekommen, seien jedoch nicht
erfolgreich gewesen. Rahmanian bittet den Staatsanwalt, das Verbot der
Zeitung aufzuheben. Sharq werde in Zukunft im Rahmen der Werte des
Systems arbeiten. Rahmanian gesteht einen Fehler der Redaktion ein und
äußert seine Hoffnung auf das Wiedererscheinen der Zeitung Sharq. (ILNA,
19.2.2004)
Die Plattform der Reformer
'Partizipationsfront des Islamischen Iran' hat derweil das Verbot der
Zeitungen durch die Neokonservativen als eine Bedrohung der Freiheiten
charakterisiert. Das Verbot zeige, dass die Konservativen mehr als nur
die Durchführung einer ungerechten Wahl im Sinne hätten. (ILNA,
19.2.2004)
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