Der iranische Sender Sahar
TV strahlte im Dezember und Januar eine Serie mit dem Titel "Zahras
blaue Augen" aus. Die erste Folge erschien am 13. Dezember 2004. Die
Reihe spielt in Israel und zeigt die fiktive Geschichte des
militärischen Oberbefehlshabers in der Westbank, Yitzhak Cohen, der
israelischer Ministerpräsident werden will. In der ersten Folge hält
Cohen im Rahmen einer medizinischen Konferenz einen Vortrag über die
israelischen Fortschritte im Bereich der Organverpflanzung. Später ist
dann zu sehen, wie als UNO-Mitarbeiter maskierte israelische Soldaten
eine palästinensische Schule besuchen. Sie behaupten, die Kinder auf
Augenkrankheiten untersuchen zu wollen. Tatsächlich aber suchen sie
palästinensische Kinder, deren Augen als Organspende für Israelis dienen
sollen. So sollen Zahras Augen Theodor, dem kranken Sohn von Yitzhak
Cohen, eingesetzt werden.
Nachdem MEMRI Teile der Serie
übersetzt und veröffentlicht hatte, wurde sie von der US-Regierung
scharf kritisiert und von The Voice of America als "Aufhetzung zum Hass"
charakterisiert. Außerdem richteten sich 15 demokratische und
republikanische Kongressangehörige [1] mit einem Schreiben an offizielle
Stellen des Iran, in dem sie gegen die Reihe protestierten, die sie als
"verleumderisch, abscheulich und extrem hetzerisch" bezeichneten.
Am 22.2. berichteten das
iranische Fernsehen und die iranische Nachrichtenwebsite IRIB dann, dass
Sahar TV in Frankreich verboten worden sei. Die französischen Stellen
reagierten damit auf die Ausstrahlung von 'Zahras blaue Augen' sowie der
persischen Fassung von 'Al-Shatat', einer libanesisch-syrischen
Produktion, die Sahar TV vom Hizbullah-Sender Al-Manar übernommen hatte.
Zuvor war in Frankreich bereits die Satellitenübertragung von Al-Manar
verboten worden, nachdem das MEMRI TV Monitor Project der Öffentlichkeit
die antisemitischen Inhalte der Ramadan-Serie 'Al-Shatat' bekannt und
zugänglich gemacht hatte. [2]
Wir dokumentieren zunächst
Auszüge aus der siebten Folge von "Zahras blaue Augen". Es folgen
Auszüge aus Interviews mit Ahmad Mir-Alawii, Produzent der Serie und
früherer Offizieller im iranischen Bildungsministerium, und Ali
Derakhshni, Regisseur und Drehbuchautor und andere iranische
Stellungnahmen zum Verbot der Ausstrahlung des Senders.
I. Auszüge aus Folge 7
[Der palästinensische Arzt Zanyab, Abu Hamed, Zahras Lehrer und Isma’il
(Zahras Bruder) diskutieren das Schicksal der entführten Zahra. Isma’il
beschließt, nach ihr zu suchen. Zanyab soll ihn begleiten. Sie suchen
Zahra in den Räumen des Krankenhauses. Dort spielt sich die folgende
Szene ab:]
Zahra: Ich habe Angst.
Krankenschwester: Hab keine Angst, mein Kind. Hab keine Angst Zahra.
Zahra: Wo gehen wir hin?
Krankenschwester: Es ist nichts. Nur eine kleine Operation.
Zahra: Bitte Fräulein, ich habe Angst.
Krankenschwester: Ich habe Dir gesagt, du sollst keine Angst haben. Hier,
komm rein, komm rein.
Zahra: Nein!
Arzt: Komm mein Kind, komm.
Israelischer General: Geh rein, du störrisches Mädchen!
Zahra: Nein. Ich werde nicht mitgehen […].
Israelischer General: Komm und geh rein! Wo läufst du hin? Komm, schnell.
Zweiter israelischer General: Komm und geh rein. Beweg dich, schnell.
Packt sie. Verfluchtes Kind.
Zahra: Warum muss ich operiert werden? Ich bin nicht krank. Meine Augen
sind gesund und ich kann alles sehen. In Gottes Namen, ich belüge Euch
nicht!
Krankenschwester: Halt's Maul. Ich bin kein Arzt. Weinen ist schlecht für
dich... Du... halt's Maul habe ich dir gesagt. Ich habe gesagt, du
sollst nicht mehr weinen. Weinen ist schlecht für deine Augen.
Israelischer General: Gut so. Kommen Sie herein, Sir.
Zahra: Um Himmels Willen, nein keine Spritze. Bitte, bitte. Um Himmels
Willen gehen Sie mit dieser Nadel weg. Bruder Isma'il, Großvater...
helft mir, helft mir, helft mir... Isma'il... Isma'il... Meine Augen,
meine Augen... ich kann nichts sehen... Warum haben Sie meine Augen
bedeckt? […]
[Nach der Operation:]
Zahra: Wo bin ich? Was ist meinen Augen passiert? Ich kann nichts sehen.
Meine Augen schmerzen. Meine Augen tun so weh...
Yitzhak Cohen: Gut. Alles muss nach Plan laufen. Ich will noch nicht die
Presse informieren. Erst wenn wir sicher sind, dass Theodor sehen kann,
geben wir es bekannt.
Israelischer General: Sir, was ist mit dem Mädchen?
Yitzhak Cohen: Sie wird hier einen oder zwei Tage bleiben und dann müssen
Sie die Geschichte beenden. Sie wissen doch, das Mädchen muss sterben.
Krankenschwester [zu Zahra]: Deine Augen wurden operiert. Du bist im
Krankenhaus. Weine nicht. Weinen tut deinen Augen weh."
[Unterdessen gelangen Zaynab
und Isma'il zur Augenabteilung des Krankenhauses und finden Zahra. Sie
sind schockiert über Zahras Schicksal. Als die Krankenschwester ins
Zimmer kommt, verstecken sich die beiden und Yitzhak Cohen wiederholt
seinen Befehl: Nachdem sein Sohn die Augen geöffnet hat, muss das
Mädchen liquidiert werden. Zahras Lehrer kommt in das Krankenhaus. Er
versucht, seine Schülerin zu trösten, muss ihr aber erklären, dass sie
nie wieder sehen wird. Derweil sammelt sich eine Menschenmasse vor dem
Krankenhaus. Aufgebracht durch Zahrahs Leid schreit die Menge "Tod für
Israel!" Im Krankenhaus wird Yitzhak Cohen ins Zimmer seines Sohnes
gebeten. Der öffnet die Augen. Zahras Lehrer, Isma'il, Zaynab und ein
weiterer Palästinenser unterhalten sich über das Geschehen. Sie alle
wünschen sich den Märtyrertod, um Zahra zu rächen. Die Wahl fällt
schließlich auf Isma'il.]
[In seinem Haus feiert Yitzhak
Cohen die Heilung seines Sohnes:]
"Yitzhak Cohen: Ich habe euch
heute zu dieser Feier eingeladen. Es ist aber nur die Vorfeier für das
große Fest, das wir feiern werden, wenn wir alle Länder zwischen Nil und
Euphrat beherrschen und das schwarze Gold besitzen. Und jetzt...:Viele
von euch haben mich – teils sogar in kritischem Ton – gefragt, wie wir
denn die Augen eines palästinensischen Mädchens benutzen könnten, um die
Augen meines Sohnes Theodor zu heilen. Nun werde ich all eure Fragen
beantworten: Dieses Land und alles, was sich darauf befindet, gehört
alleine uns. Uns steht all das zu. Wir nehmen zurück, was einst den
Juden gehörte. Die einzigen, die vom Geschenk Gottes an die Juden
profitieren dürfen, sind wir und niemand sonst. Wir werden dieses
Geschenk mit niemandem teilen - die Augen, die Herzen der
palästinensischen Araber und sogar der [palästinensischen] Christen,
sind wie Früchte auf den Bäumen in unserem Obstgarten. Wir werden diese
Früchte genießen, wie wir wollen. Keiner darf uns im Wege stehen und
sich an unserem Hab und Gut bereichern.
Israelischer General: Freunde, erhebt euer Glas, lasst uns auf Theodor und
die Rückeroberung des Heiligen Landes trinken. Zum Wohl!"
Isma'il [draußen in seinem Auto]: Unter den Gläubigen gibt es Männer, die
ihren Bund mit Gott nicht vergessen haben. Unter ihnen sind solche, die
dafür starben, und solche, die noch auf den [Märtyrer-]Tod warten."
[Isma'il steuert das mit Sprengstoff beladene Auto in das Haus, in dem
Yitzhak Cohen mit seinen Freunden feiert. Das Haus geht in Flammen auf.]
(Sahar TV, 24. Januar 2005)
II. Der Produzent Ahmad
Mir-Alawii: 'Eine Sammlung von Fakten'
"Wir haben insgesamt nur einen Bruchteil der zionistischen Verbrechen
dargestellt. Während der Dreharbeiten erhielten wir weitere Information
– sogar von Juden, die unsere Position teilen. Leider waren die
Dreharbeiten da abgeschlossen. Ich wünschte, wir hätten diese
Information schon vorher gehabt.
Ihr Zionisten habt die Häuser unschuldiger Menschen besetzt. Ihr habt sie
getötet, eure Kommandos haben sie erschossen. Ihr habt Kindern vor ihren
Eltern die Augen rausgeschnitten. Im Film haben wir euch sogar noch fair
behandelt und gezeigt, wie ihr die Augen erst im Operationssaal
herausnehmt.
Ein weißes Schiff fährt auf dem Ozean. Es dringt nicht in iranische
Hoheitsgewässer ein, unsere arabischen Brüder aber müssen sich vor
diesem Schiff hüten. Die Zionisten halten darin kleine ahnungslose
Kinder fest. […] Sie wurden unter dem Vorwand entführt, dass man sich um
sie kümmern wolle. Diese Kinder werden in dem Schiff festgehalten,
erhalten die beste medizinische Versorgung und stehen unter stetiger
ärztlicher Beobachtung und Kontrolle. Weshalb sorgen sich die Zionisten
um diese Kinder? Um sie für medizinische Zwecke zu verwenden. Sie
benutzen dazu das Herz, die Nieren und andere Organe.
Die Handlung des Films entspricht keinem bestimmten Fall in Israel. […]
Der Film ist also nicht ganz dokumentarisch. Die Geschichte ergab sich
aus unserer Recherche und aus Informationen, die wir dann in Form einer
Handlung zusammenstellten. Die Geschichte ist eine Sammlung von Fakten.
Wie schon erwähnt, haben wir recherchiert und Rückschlüsse gezogen.
Daraus ist ein Film entstanden, der die Welt über die Verbrechen der
Zionisten gegen die Palästinenser informieren soll." (Sahar TV,
8.2.2005)
Autor Ali Derakhshni: "Theodor
[Yitzhak Cohens Sohn, dem Zahras Augen transplantiert werden sollen; d.
Red.] symbolisiert Israel. Er hat seine Nieren verloren, ist gelähmt und
will seinen Körper revitalisieren. Die großen Filmstudios stehen unter
dem Einfluss der Zionisten. Wir sind zwar erst am Anfang aber
glücklicherweise hat die iranische islamische Republik, unser
islamisches Regime, bereits viele Filme und Serien wie "Zahras blaue
Augen" gedreht." (Sahar TV, 14. Dezember 2004)
III. Iranische Stimmen zum
Verbot
Die Nachrichtenwebsite IRIB bezeichnete die Serien als "antizionistische
Programme". Mit ihnen, so der Direktor von Sahar TV, habe man versucht,
"die Verbrechen des zionistischen Regimes ebenso aufzudecken, wie die
haltlosen Annahmen über Gaskammern und den unter Zionisten als Holocaust
bekannten Völkermord an Juden". Die Entscheidung der französischen
Stellen hätte, so die IRIB-Meldung weiter, "das wahre Gesicht der
Demokratie im Westen gezeigt". (IRIBnews, 22.2.2005)
Ein Nachrichtensprecher auf Sahar TV erklärte: "Am 10. Februar entschied
die oberste französische Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Fernsehen
[CSA; d.Red.] die Ausstrahlung des zur Republik Iran gehörenden
iranischen Senders Sahar TV über den Satelliten Hotbird zu stoppen. Dies
folgte auf die Ausstrahlung der Serien 'Al-Shatat' und 'Zahras blaue
Augen', die erwartungsgemäß zu diversen Reaktionen geführt hatte, weil
sie die Wahrheit so zum Ausdruck bringen und den Menschen bewusst machen
sollte, wie es den Zionisten nicht passt. Unser einziges Verbrechen
besteht darin, dass wir auf der Seite der Unterdrückten stehen und den
Aggressoren entgegen treten wollten, wie es Imam Hussein uns lehrte."
(Sahar TV, 23.2.2005)
Und auf Jaam-E-Jam 3 TV erklärte Mohsan Sharif-Zadeh, Direktor von Sahar
Network: "Sie haben diese Serien als Vorwand benutzt. Aber wir werden
weiter senden und versuchen auf politischen Wegen und über
Menschenrechtsforen zu erreichen, dass die Entscheidung rückgängig
gemacht wird. Wir haben mit [diesen Sendungen] angefangen, um das
palästinensische Volk zu unterstützen und auf die falschen Grundlagen
des zionistischen Regimes hinzuweisen. Wir werden solange damit
weitermachen bis die Übertragungen von Eutelsat gestoppt werden. Selbst
danach würden wir unsere Programme fortsetzen." (Jaam-E-Jam 3 TV)
Anmerkungen:
[1] Steve Rothman (D-NJ), Nita Lowey (D-NY), John Shimkus (R-IL), Sheila
Jackson-Lee (D-TX), Anthony Weiner (D-NY), Joseph Crowley (D-NY), Steve
King (R-IA), Dan Burton (R-IN), Carolyn Maloney (D-NY), Edward Markey
(D-MA), Robert Wexler (D-FL), Barney Frank (D-MA), Tom Lantos (D-CA),
Adam Schiff (D-CA), Chris Chocola (R-IN)
[2] Ausschnitte aus Al-Shatat sind unter
http://memritv.org/Search.asp?ACT=S9&P1=491 oder
http://stream.realimpact.net/rihurl.ram?file=realimpact/memri/shatat.rm
zu sehen.
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