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MEMRI Special Dispatch – 17. März 2004

Entkhab:
Wer sind die wahren Reformer in Iran?

Ali Shokuhi, Kommentator der Zeitung Entkhab, beleuchtet nach der Wahl im Iran in mehreren aufeinander folgenden Artikeln die verschiedenen politischen Ausprägungen der Reformer. In seinem ersten Kommentar unterteilt Shokuhi, der die Zeitung Entkhab selbst als "moderat-konservativen" bezeichnet, die "linken" Reformer in sieben Gruppen. Im zweiten Teil seiner Analyse spricht er sich für eine politische Reorganisation der Reformer und der "Linken" aus und kommentiert den Umgang mit ihnen in der Islamischen Republik Iran. Im dritten Artikel proklamiert er eine geistige und institutionelle Reorganisation der "Linken".

Abschließend dokumentieren wir kurz neue Positionen des "linken" Reformislamisten und ehemaligen Mitarbeiters des Geheimdienstes, Said Hajjarian, der von einer mangelnden Zivilgesellschaft im Iran spricht.

Erster Teil: Sieben Reformgruppen

Shokuhi unterteilt die Reformer wie folgt: Die erste Gruppe der "Linken" lehne sowohl die Prinzipien der religiösen Regierung als auch jegliche Regierungsinstitutionen und –mitarbeiter ab. Politisch orientierten sie sich nach dem Westen, insbesondere auf Amerika. [1] Da sie aber gegenwärtig auf der "Reformwelle reiten" wollten, verteidigten sie manche Strömungen innerhalb der Regierung, wobei sie aber ein liberal-demokratisches westliches System wollen. Diese Gruppierung unterscheidet sich jedoch von den säkularen Royalisten und Kommunisten, die die Regierung direkt stürzen wollen.

Die zweite Gruppe besteht Shokuhi zufolge aus westlichen, liberalen und linken Intellektuellen, die gegen die religiöse Regierung sind, aber lediglich eine Änderung der politischen Kräfte innerhalb der herrschenden Verhältnisse befürworten. Sie gehen davon aus, dass sie auf lange Sicht ihre Reformbestrebungen innerhalb der Regierung durchsetzen können. Während sich diese Gruppierung hauptsächlich im Kulturbereich und für die Durchsetzung von Menschenrechten engagiere sei die erste Gruppe "politischer".

Die dritte Fraktion bestehe aus religiösen Intellektuellen, die aber nicht-religiöse Vorstellungen verfechten. Diese Intellektuellen glauben laut Ali Shokuhi nicht an die "Totalität des Islam", sondern wollen eine Trennung von Staat und Religion. Der Philosoph, Abdolkarim Sorush zähle zu dieser Gruppe und bezeichnet sich selbst, wie Shokuhi abfällig bemerkt, als einer der größten Unterstützer des Präsidenten.

Laut Shokuhi versammeln sich in der vierten Gruppierung die Nationalreligiösen, die zu Beginn der Revolution in der Regierung waren, sich aber langsam von dieser distanziert haben. Nach dem Sieg Khatamis habe diese Gruppe den Präsidenten unterstützt. Sie habe unter Studenten und in akademischen Kreisen ihre Basis. Ihre Kandidaten seien bei den Kommunalwahlen jedoch auch nicht gewählt worden.

Die fünfte Gruppe bestehe aus der "Partizipationspartei" und der Organisation der Mojahedin der islamischen Revolution. Zwar seien diese zwei Gruppen ideologisch sehr unterschiedlich, bildeten aber beide im letzten Majless die Hauptsäulen der Reformer. Beide Fraktionen näherten sich den laizistischen und den nationalreligiösen Gruppen an, wobei sie dem Ayatollah Montazeri [2] sehr nahe stünden. Einige ihrer Intellektuellen kritisierten inzwischen das Denken des Imam Khomeini.

Die Majmae Rohaniune Mobares [Kämpfende Geistlichkeit] glaube als die sechste Gruppe mehrheitlich an Khomeini und befürworte das Prinzip der absoluten Herrschaft des Klerus und Reformen innerhalb des Regimes. Diese sechste Gruppierung stehe der fünften, bestehend aus der "Partizipationspartei" und die Organisation der Mojahedin der islamischen Revolution sehr nahe.

Die siebte Fraktion, die Kargosarane Sasandeghi [Beamte des Wiederaufbaus], hat Shokuhi zufolge keine feste Organisationsstruktur mehr. Sie habe allerdings im Vorfeld der letzten Wahlen versucht, mit den unterschiedlichsten Gruppierungen zusammenzuarbeiten, um an der Macht beteiligt zu werden.

Zweiter Teil: Über den Umgang mit linksislamistischen Reformern

"Der politische und ideologische Pluralismus innerhalb der Khatami-Front [3] ist eine unleugbare Realität. [4] Eine Einheit erlangt die Khatami-Front lediglich durch den Druck, dem sie durch eine äußere Konkurrenz ausgesetzt ist. Innerhalb dieser Front hat es keine Bemühungen zur Einigung gegeben. Sobald die Konkurrenz von außen verblasste, wurden wir oft Zeugen von Kriegen innerhalb der 72 Stämme. Gerade wegen der vielfältigen Ausrichtungen innerhalb der Reformer kann man sich kein einheitliches Urteil über sie bilden." Shokuhi weist daraufhin, dass die Gruppierungen innerhalb der Regierung mit den "Kräften, die behaupten Reformer zu sein, aber die ideologische Grundlage der Islamischen Republik und das Denken von Imam Khomeini ablehnen und insbesondere mit dem Prinzip der absoluten Herrschaft des Klerus Probleme haben, nie zu Rande kommen werden. Selbstverständlich können diese Personen nicht Schlüsselpositionen besetzen und für die Bevölkerung wichtige Entscheidungen treffen. Die Verantwortlichen im Land müssen darauf achten, dass die Handlungsorientierung des Systems und der Gesellschaft nicht von seiner Richtung abweicht." Laut Shokuhi ist es naiv anzunehmen, dass die Präsenz von "solchen Personen in sensiblen Posten des Staates keine Gefahr für die Fortsetzung der Revolution" habe. So Shokuhi weiter: "Bürgerrechte zu besitzen, bedeutet nicht, dass man nicht den konterrevolutionären und antireligiösen Kräften begegnet." Shokuhi prophezeit den allmählichen Sturz der Regierung, wenn derartigen Bewegungen Rechte eingeräumt werden würden.

"Dies bedeutet nicht, die Demokratie abzulehnen. Denn Demokratie und Volksherrschaft müssen im Rahmen einer islamischen Ordnung einen Sinn bekommen." Weder dürfe die Demokratie die Religion abschaffen, noch sollte die Religion eine Kritik an der Macht und die Meinungsfreiheit verhindern.

"[...]Sie [diese Gruppierungen] müssen akzeptieren, dass der Islam nicht mit dem Christentum gleichzusetzen ist und die moslemische Gesellschaft daher eine andere Entwicklung haben wird." Shokuhi spricht sich für eine Revision des Begriffs Reformen aus, da es keine einheitliche Bedeutung dieses Begriffs gäbe. Die unterschiedlichen Positionen der genannten Gruppierungen seien der beste Beweis dafür, dass der Begriff Reform keine einheitliche Bedeutung kennt. Für manche sei beispielsweise das Schicksal der Medien und für andere hingegen das Problem der nicht gewählten Institutionen am wichtigsten.

"Die Linken, die für Reformen sind, müssen deutlich machen, dass sie an Reformen innerhalb unseres Systems glauben. Es ist möglich, uneffektive Strukturen zu kritisieren, ohne dabei die Prinzipien der Herrschaft zu negieren. Sie müssen zeigen, dass Reformen nicht notwendigerweise eine Negation der Vergangenheit bedeuten müssen. Notwendigkeit für die Durchführung der Reformen ist hingegen eine Rückkehr zur Linie von Imam Khomeini und den Werten der Revolution. Die Reformer, die sich innerhalb der revolutionären Front befinden, müssen über Reformen als ‚Revolutionierung der permanenten Revolution‘ nachdenken. In diesem Sinne müssen sie ihre Front reorganisieren."

Dritter Teil: Die institutionelle Reorganisation der "linken" Reformislamisten

Shokuhi zufolge haben sich in den letzten Jahren leider Kräfte im linken Spektrum organisiert, die keineswegs an die Kultur der Revolution glauben. Zwar sei es verständlich, wenn Intellektuelle ihre Positionen ändern, trotzdem ist Shokuhi der Überzeugung, dass die "Linke" an folgenden Problemen krankt[5]:

" - Manche linke Gruppen organisieren sich lediglich aus Gründen des Protestes gegen ihre Kontrahenten.

- Manche verhalten sich zwar sehr radikal gegenüber den Machthabern. Aber außerhalb der dieser Machtstrukturen verhalten sie sich liberaler. [...]

- Manche Gruppen sind von der weltweiten Niederlage der Linken und vom Sieg der kapitalistischen Staaten beeinflusst und glauben daher, dass man sich nur noch der (westlichen) Weltmacht unterordnen könne. Sie verfechten daher brav liberale und westliche Ideen.

- Manche Gruppen wollen nicht verstehen, dass sie inzwischen mit ihrer geänderten Position bezüglich des Verhältnisses zwischen Religion und Politik nicht mehr die Imam-Khomeini-Linie vertreten.

- Manche richten sich bloß nach Trends.

Dies macht deutlich, dass heute die Verteidigung der Revolution und der religiösen Werte und der Prinzipien der religiösen Herrschaft ihren Preis hat."

Shokuhi schlägt vor, dass die traditionellen Linken ihre Vorstellungen neu formulieren sollten und Ideologien, die den Prinzipien der islamischen Ordnung widersprechen, meiden müssten. Die Bereicherung der Kultur müsse im Rahmen der Vorstellungen der islamischen Revolution eingebettet sein. Shokuhi fragt:
"Haben denn etwa die liberalen und demokratisch-westlichen Ideen so gute Ergebnisse gezeitigt, dass es einen Grund für uns gibt, unsere Gedanken erschrocken aufzugeben? [...]."

Weiterhin schlägt Shokuhi eine Reorganisation der "Linken" vor. Ansonsten seien mit ihnen gemeinsame Aktionen nicht möglich. Die Aktivisten der Partizipationsfront würden selber gestehen, dass sie eine uneinheitliche politische Kraft geschaffen haben, ohne dass sie gemeinsame langfristige Ziele teilen. Shokuhi schlussfolgert:

"Erstens müssen all diejenigen, Reformer, die ihre revolutionäre Vergangenheit beiseite geschoben haben und die Prinzipien der Islamischen Republik Iran ablehnen, von den revolutionären Reformern getrennt werden. [...] Natürlich dürfen wir es nicht gleichgültig hinnehmen, wenn ihnen grundlos ihre politischen und gesellschaftlichen Rechte genommen werden, aber deswegen müssen wir sie auch nicht allseitig unterstützen.

Zweitens müssen die revolutionären und linken Gruppen sich annähern und sich auf der Grundlage der Prinzipien der Revolution und der Interessen der Bevölkerung neu gestalten und neue politische Aktivitäten organisieren. Ein Blick auf die Erfahrungen des rechten Spektrums, der "Abadgarane Irane Eslami" zeigt, dass man durch realistische Parolen und neue Ideen die Gesellschaft überzeugen und neue Schritte zur Realisierung der Reformen unternehmen kann." [6]

Shokuhi empfiehlt, dass die Reformkräfte neue Initiativen schaffen sollen, um die Gruppen und Personen, die sich nicht mehr mit ihrer revolutionären Vergangenheit identifizieren, zu stoppen.

Said Hajjarian: Es gibt keine Zivilgesellschaft

In der Nachrichtenagentur ILNA entfaltet der Reformtheoretiker und ehemalige Geheimdienstler Said Hajjarian seine These, dass sich "im Iran noch keine Zivilgesellschaft formiert" hat. [7] Diese stecke erst in den "Anfangsprozessen" und sei "ohne Leben". Er schlägt daher der Partizipationsfront vor, die Massen zu organisieren und sich nicht allein auf die Intellektuellen zu verlassen. Es müssten neue Zeitungen, Gewerkschaften, Syndikate und neue zivilgesellschaftliche Institutionen gegründet werden. Dies benötige jedoch Zeit. Die Reformbewegung müsse jede Möglichkeit nützen, um sich an der Macht zu beteiligen.

Anmerkungen:
[1] Entekhab, 7.3.2004
[2] Islamistischer Kritiker des Regimes, der aber antisemitische und antizionistische Ideologien verficht. Montazeri ist auch für die Verfolgung der Angehörigen der Baha´i-Religion mitverantwortlich. Bisher hat er sich von dieser Gesinnung noch nicht distanziert.
[3] "23-Mai-1997-Front", Khatami wurde an diesem Datum gewählt. Zur Spaltung der Khatami-Front siehe auch: MEMRI Special Dispatch - 27. Januar 2004
[4] Entekhab, 8.3.2004.
[5] Entekhab, 9.3.2004.
[6] Shokuhi geht nicht auf die im Iran verbreitete Meinung eines massiven Wahlbetrugs ein.
[7] ILNA, 12.3.2004.

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hagalil.com 18-03-04

 

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