Der Iran und das Munitionsschiff
Kommentar von Se’ev Schiff, Ha’aretz, 11.01.2002
Wenn es um die Affäre des Munitionsschiffes geht,
konzentriert sich Israel natürlich auf die Palästinensische
Autonomiebehörde (PA). Eine bedeutende Rolle wurde in dieser Affäre
jedoch vom Iran gespielt, dem Ursprungsland der Waffen, die die
Palästinenser versucht hatten, in ihre Gebiete zu schmuggeln. Der Iran
ist seit langem in direkte Aggressionen gegen Israel verwickelt. Er
bezahlt beispielsweise Geld für jeden Terrorangriff, den der Islamische
Jihad gegen Israel ausführt. Und trotz der geheimen, hinter
vorgehaltener Hand geführten Gespräche zwischen dem Iran und den
Vereinigten Staaten ist der Iran weiterhin in diese Aggressionen
verwickelt.
Die Gespräche wurden in der Welle des Krieges, den
Washington dem globalen Terror erklärt hat, intensiver. Die Iraner
entdeckten plötzlich, dass sie bezüglich bestimmter Dinge gemeinsame
Interessen mit den Amerikanern haben, z. B. bezüglich des Themas
„Taliban“ und bezüglich der Bedrohung, die der irakische Präsident
Saddam Hussein darstellt. Die Iraner begannen zu verstehen, dass die
Amerikaner im Grunde Saddam in Schranken halten. Und doch vollziehen sie
in Gesprächen mit den Amerikanern und in verschiedenen Begegnungen
typische Ausweichmanöver.
Die Iraner fordern, dass das Thema
iranisch-amerikanische Beziehungen von der iranischen Haltung gegenüber
Israel getrennt gehalten sein soll. Mit anderen Worten: sie wollen die
Aktionen ihres Landes im arabisch-israelischen Streit oder ihre
aggressive Politik nicht diskutieren.
Wie bezüglich anderer Aktivitäten, so ist Irans Rolle in
der Munitionsschiff-Affäre ein Beweis dafür, dass Israel resolute
Schritte unternehmen muss, um sich dieser vom Iran verlangten Trennung
der Themen entgegen zu stellen. Israel muss seine Energien eher auf
diplomatische Bemühungen richten als auf eine Unterstützung –in Termini
von Waffen und Geheimdienst gesprochen- des im Untergrund im Iran
operierenden Oppositionellen Mujaheddin Halq.
Teheran möchte von beiden Dingen das beste haben.
Einerseits möchte es den Terror, der gegen Israel gerichtet ist,
unterstützen, und andererseits möchte es von sich sagen können, dass es
den internationalen Terror bekämpft. Man sollte dem Iran diesen „Luxus“
nicht genehmigen. Auch wenn man den Iran nicht zwingen kann, den
Nahost-Friedensprozess zu unterstützen (dem sich sogar einige Israelis
entgegenstellen), ist es dennoch möglich zu fordern, dass der Iran es
unterlässt, den Terror zu bestärken und Massenvernichtungswaffen zu
produzieren, auch im Hinblick darauf, dass der Iran internationale
Konventionen gegen solche Waffen unterschrieben hat.
Druck auf den Iran auszuüben ist auch deshalb wichtig,
weil eine kürzlich dort stattfindende Diskussion die Interessen Teherans
am palästinensisch-israelischen Disput vertieft hat. Im Gegensatz zu
diesen Interessen gibt es zwischen Konservativen und Pragmatisten keine
Diskussion darüber, ob der Iran Boden-Boden-Raketen produzieren soll.
Alle Iraner unterstützen die Produktion dieser Raketen; darüber hinaus
gibt es keine interne Opposition im Blick auf Irans nukleare Ambitionen.
Die Diskussion, die im Iran in einem Seminar mit dem
Thema „Palästina aus iranischer Perspektive“ geführt wurde, war wegen
der Reichweite der Ansichten, die dort geäußert wurden, fesselnd.
Besonders aufschlussreich war eine Äußerung von Mohammed Raja Thajikh,
einem Berater des iranischen Präsidenten Mohammed Khatami. Er sagte, der
Iran muss hier „in einem neutralen Zusammenhang operieren und fähig
sein, einen Zusammenstoß zwischen Ideologie und nationalen Interessen zu
verhindern. Der palästinensischen Sache muss der religiöse Titel
entzogen werden, so dass sie von einem realpolitischen Standpunkt aus,
der zu unserer Politik passt, überprüft werden kann.“
„Die palästinensische Sache“, vermerkt er,
„unterscheidet sich beträchtlich von der libanesischen Sache. Es ist
unmöglich und verboten, die Modelle der Hisbollah und des Südlibanon in
den besetzten Gebieten zu benutzen. Selbstmordanschläge führen nirgendwo
hin. Die Rolle der störenden Gruppen muss auf ein Minimum beschränkt
werden.“
Im gegenwärtigen Kräfteverhältnis im Iran sind Personen
mit diesen Ansichten nicht unbedingt in einer Machtposition zu finden.
Wenn solche Personen verhaftet werden, erhalten sie kein Wort der
Unterstützung von seiten des iranischen Präsidenten Khatami.
Nichtsdestoweniger fahren sie fort, mutig ihre Meinung zu sagen.
Der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad hebt
ganz richtig hervor, dass Israel, gerade weil der Iran seine Existenz
erheblich bedrohen könnte, nach Möglichkeiten suchen sollte, diese
Situation zu ändern. Mit anderen Worten: Auch wenn Israel weiterhin auf
die iranische Bedrohung aufmerksam machen muss, sollte es sich dennoch
nicht von einem ernsthaften Dialog mit dem Iran abhalten lassen, wenn
sich die Möglichkeit von selbst bietet.
Eine gefährliche Beziehung für die PA
Redaktionsartikel, Ha’aretz, 14.01.2002
Über Jahre hinweg hat der Iran eine Beziehung zum
Islamischen Jihad, einer Terrororganisation, aufrecht erhalten. Der Iran
finanziert diese Organisation und überweist für jeden Anschlag, der
gegen Israel und seine Bürger ausgeführt wird, Geld.
Mit der Zeit hat der Iran auch eine kooperative
Beziehung zur Hamas aufgebaut, die, wie der Islamische Jihad, von den
USA als Terrororganisation definiert worden ist.
Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung hat Teheran
Hamas-Aktivisten in Lagern der iranischen Revolutionsgarde ausgebildet,
auch im libanesischen Beka’a-Gebiet. Diese Beziehungen sind mit einer
engen Kooperation zwischen dem Iran und der Hisbollah gemischt und sie
beinhalten auch, dass der Iran dieser libanesischen Organisation als
Hauptwaffenlieferant dient.
In letzter Zeit gab es eine starke Vermehrung an
Berichten, wonach sich die Verbindungen zwischen dem Iran und den
Palästinensern ausgeweitet haben sollen. Dies war eines der Hauptthemen
auf dem Tagesplan einer israelischen Delegation von
Top-Geheimdienstlern, die letzte Woche nach Washington gesandt wurde.
Die Delegation reiste wegen der Kaperung des
palästinensischen Waffenschiffes Karin A nach Washington. Die Waffen auf
der Karin A waren hauptsächlich Angriffswaffen und sie waren vom Iran
geliefert worden.
Die Waffen in die Territorien zu bringen ist auf jeden
Fall eine schwerwiegende Verletzung der Abkommen mit Israel, die
Palästinenserführer Arafat unterzeichnet hat. Es ist klar, dass dieser
Schritt der Palästinenser nicht ohne Arafats persönliche Zustimmung
gegangen werden konnte.
Dieser Schritt hat die Autonomiebehörde trotz leerer
palästinensischer Kassen eine Menge Geld gekostet und er verstieß gegen
Abkommen mit Israel. Bezüglich der militärischen Beziehung zu einem
Staat wie dem Iran war es jedoch auch ein strategischer Schritt.
Die sich entwickelnde Beziehung zwischen der PA und dem
Iran hat demnach ernsthafte strategische Auswirkungen. Sie könnte eine
Kehrtwendung zu einem deutlich offensiven Charakter der PA bedeuten. In
der Vergangenheit stand der Iran Arafat bezüglich der unterzeichneten
Abkommen mit Israel kritisch gegenüber und forderte, dass Arafat diese
Abmachungen rückgängig machen sollte.
Durch die Verbindungen mit den Palästinensern könnte der
Iran die Territorien unterwandern und die Bevölkerung anstacheln, so
könnte er es auch bei den israelischen Arabern machen. Wenn sich die
Beziehung zwischen dem Iran und der PA weiter entwickelt, wird Israel
keine andere Wahl haben, als sich in seiner Haltung gegenüber der PA
grundlegend zu ändern.
Solch ein palästinensischer Schritt würde Kairo und
Amman sicher beunruhigen und könnte sich auf die gesamte Region
auswirken.
Er würde sicherlich auch der Beziehung zwischen den
Palästinensern und der USA schaden. Letzten Endes wären die
Palästinenser die eigentlichen Opfer solch eines abenteuerlichen
Schrittes. Ihre nationalen Ambitionen würden einen Schlag erleiden.
Es ist immer noch möglich, Leute in der
palästinensischen Führung davon zu überzeugen, die Beziehung von Arafat
und der PA zum Iran ernsthaft zu überdenken. Die USA werden sich sicher
auch anstrengen, den Palästinensern die Gefahren deutlich zu machen.
Zusätzlich hat Washington die wichtige Aufgabe, die
Iraner vor abenteuerlichen Schritten gegenüber anderen Staaten in der
Region zu warnen, ob diese nun direkt oder indirekt über Bevollmächtigte
gegangen werden. Und die USA werden den Iran davor warnen, regionale
Friedensprozesse und bestehende Vereinbarungen zu torpedieren.
alfb / haGalil onLine
13-01-2002 |