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MEMRI Special Dispatch – 2. Juli 2004

Iranische Reaktionen auf EU-Kritik:
Zur Lage der Menschenrechte

Zusammengestellt von Wahied Wahdat-Hagh*

Anfang Juni forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die EU auf, in Sachen Menschenrechte mehr Druck auf den Iran auszuüben. Bereits seit dem Jahr 2000 hätten Folterungen und willkürliche Verhaftungen zugenommen, sagten Vertreter der Organisation in New York. Am 14. und 15 Juni fand dann die vierte Runde des Menschenrechtsdialoges zwischen der EU und dem Iran in Teheran statt. In einer Erklärung zeigte sich die EU nach der Konferenz "tief beunruhigt über die andauernden und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen".

Kritisiert wurde die Diskriminierung von Frauen, das Fehlen einer unabhängigen Justiz, die Vollstreckung der Todesstrafe und von Körperstrafen, Folter sowie menschenrechtsfeindliche Behandlungen von kritischen Journalisten. Überdies widerspreche das Wahlsystem der Ausübung demokratischer Rechte.

Der Iran, der sich damit neben der Atomfrage erneut unter Druck gesetzt sieht, weist die EU-Kritik zurück. Dennoch ist im Land eine Diskussion um eine Reform der Rechtsprechung und um den Umgang mit Dissidenten entstanden. Einige iranische Reaktionen auf die Kritik sind im Folgenden zusammengefasst:

Kritik an der EU-Delegation

Bereits im Vorfeld des Besuchs der EU-Menschenrechtsdelegation sprachen sich iranische Majless-Angehörige dagegen aus, diese überhaupt einreisen zu lassen. So etwa Hussein Scheich-ul-Eslam, Mitglied der neuen Abadgarangruppe im Majless: "In unserem Land gibt es die verschiedensten Formen von Freiheit. Wir brauchen keine europäische Menschenrechtsdelegation und brauchen uns nicht nach den Ausländern zu richten, wenn wir uns für Meinungsfreiheit einsetzen wollen. […] Die Menschenrechte sind vielmehr ein Hebel in den Händen der Amerikaner, mit dem sie uns unter Druck setzen. Es wäre besser, diese Delegation würde in den Irak, nach Afghanistan oder Palästina reisen. Wir brauchen sie jedenfalls nicht." Und Esatollah Jussefian, ebenso Parlamentsmitglied, meinte: "Immer wenn es ihnen politisch in den Kram passt, versuchen sie mit Menschenrechtsthemen gegen unseren Staat vorzugehen. Wenn der Iran den Amerikanern im Irak helfen würde, gäbe es solche Delegationen erst gar nicht." [1]

Nach dem Besuch der Europäischen Menschenrechtsdelegation wies der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Hamidresa Assefi, deren Erklärung als unwahr und unzutreffend zurück. Nach Ansicht von Assefi beweise diese die "mangelnde Fähigkeit der Europäischen Union zu einem konkreten und transparenten Dialog." Der Iran akzeptiere "keine Vorbedingung für einen Dialog." Außerdem würden Menschenrechtsverletzungen auch in Europa stattfinden. Die Europäer seien aber verärgert, wenn der Iran etwa die Diskriminierung von moslemischen Migranten thematisiere. Bei den Gesprächen in Teheran seien die Europäer überdies mehrfach auf die Menschenrechtsverletzungen in den besetzten palästinensischen Gebieten und im Irak erinnert worden: "Die iranischen Dialogteilnehmer haben betont, dass Europa seine gesamte Kapazität für die Beendigung der Verbrechen des zionistischen Regimes einsetzen muss." [2]

Eine reformislamistische Perspektive: Menschenrechtsverletzungen im Vergleich

In einem Kommentator der Zeitung Sharq geht Mehran Karami auf die europäisch-iranischen Beziehungen ein und stellt zunächst einmal fest, dass die EU [nach dem Konflikt um die atomaren Anlagen] binnen kürzester Zeit zwei Erklärungen gegen den Iran abgegeben habe. Das enttäusche diejenigen iranischen Politiker, die gehofft hatten, dass Europa eine "Festung gegen den amerikanischen Druck" darstellen könne. Aber auch diejenigen, die gemeint hatten, die inneriranischen Verhältnisse könnten die Beziehungen zu Europa nicht trüben, wüssten nun, dass "Europa zwar großen Wert auf die Wirtschaft legt, […] sie aber die Fragen von Demokratie und Menschenrechten nicht den Wirtschaftsinteressen opfern wollen." Auch Karami weist indes darauf hin, dass Folter und schlechte Behandlung von politischen Gefangenen nicht auf den Iran und den Mittleren Osten beschränkt seien: "Es ist der Westen, der nicht nur Menschenrechte verletzt, sondern in islamischen Ländern auch Verbrechen begeht." Karami kritisiert dann die "Neutralität" Europas hinsichtlich von Menschenrechtsverletzungen in Abu Ghuraib, Guantanamo und Palästina, erinnert jedoch auch daran, dass es immerhin die konservative Washington Post gewesen sei, die die ersten Bilder von Abu Ghuraib veröffentlicht habe. Wenn eine Zeitung im Mittleren Osten einen vergleichbaren Schritt unternommen hätte, wäre sie mindestens verboten, vielleicht aber auch der verantwortliche Redakteur wegen Verrat und Spionage für die Fremden verurteilt worden, so Karami in der Sharq. [3]

Unter dem Titel "Iran, der Westen und die Menschenrechte" schrieb auch der namhafte Soziologe Sadeq Sibakalam einen Artikel in Sharq: "Die Bürger- und Bruderkriege, die in vielen Ländern der Welt gegenwärtig stattfinden, sind ein Ergebnis der ausbeuterischen Politik der Kolonialisten, die sich hinter der Waffe der Menschenrechte verstecken. Es ist beschämend, wie diese Händler des Todes, diese Aasgeier und Hyänen, die diese Kriege verschuldet haben, nun in der Rolle der Propheten des Friedens und der Verteidiger von Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit auftreten und lauthals verkünden, dass die Menschenrechte im Iran verletzt würden. Was wollen sie dem Rest der Welt beibringen? […] Sie wollen nicht, dass es auch andere unabhängige und freie Völker auf der Erde gibt." Als Beispiel führt Sibakalam den Energieverbrauch der USA gegenüber Staaten wie Bangladesh und Sudan auf und bemängelt, dass das Pro-Kopf-Einkommen in Bangladesh nicht einmal 40 Dollar betrage, während in Europa und den USA das Einkommen von "Möchtegern-Menschenrechtlern" die 20.000 Dollargrenze überschreite.

Auch Sibakalam stellt Vergleiche an: " Das Verhalten von Israel in den besetzten Gebieten ist tausend Mal schlimmer als das Verhalten der Islamischen Republik Iran gegenüber seinen Gegnern. […] Ja, im Iran werden Frauenrechte verletzt. Sind aber die Rechte der iranischen Frauen etwa vergleichbar mit denen in Saudi-Arabien oder Kuwait? Europa hat Recht - im Iran gibt es politische Gefangene. Aber gibt es in Ägypten nicht hundert Mal mehr als im Iran? Europa behauptet, dass politische Gefangene im Iran schlecht behandelt werden. Die bittere Wahrheit aber ist, dass vor allem fundamentalistische Moslems in den Gefängnissen Ägyptens, Saudi-Arabiens, Kuwaits, Marokkos, Tunesiens, Pakistans und Algeriens hundert Mal schlimmer behandelt werden." Keiner der genannten Staaten würde jedoch von Europa verurteilt werden und auf den schwarzen Listen der Amerikaner tauchten sie auch nicht auf. Am Ende konstatiert der reformorientierte Soziologe aber, dass selbst wenn sämtliche Menschenrechtsberichte zum Iran von US-Handlangern und Zionisten geschrieben worden wären, dann seien Berichte über Schriftsteller, Journalisten, Studenten und politisch aktive Frauen, die ohne Gerichtsverfahren monatelang in iranischen Gefängnissen säßen, doch nicht falsch. [4]

Zu einer Reform der Rechtsprechung

Die Reaktionen auf die Menschenrechtsberichte mündeten auch in eine Debatte um Reformen in der iranischen Rechtsprechung insbesondere was den Umgang mit politischen Gegnern angeht. Mohammad Kianushsad, ehemaliges Mitglied der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik, sagte: "In den letzten Jahren haben die Auseinandersetzungen der Judikative mit politischen Aktivisten, unabhängigen Journalisten und manchen Intellektuellen gezeigt, dass es Probleme mit den Menschenrechten im Iran gibt. Die Kritik der internationalen Institutionen an der Islamischen Republik darf uns nicht daran hindern, die Realitäten unserer Gesellschaft zu sehen. Es darf nicht dazu kommen, dass wir manche innerstaatlichen Probleme nicht kritisieren. […] Wir müssen uns gegenüber den internationalen Konventionen und Verträgen verpflichtet fühlen." [5]

Das Majlessmitglied Eshrat Shayeq forderte eine Reform der Gerichtsbarkeit, da Unklarheiten in der Gesetzgebung vorlägen. Das Majless müsse Gesetzesvorlagen schaffen, damit eine Reihe von Strukturen überdacht werden könnten. [6] In diesem Zusammenhang schreibt die Zeitung Sharq: "Die europäische Menschenrechtsdelegation forderte die Freilassung von 40 politischen Gefangenen. Die iranische Justiz jedoch weist darauf hin, dass in der iranischen Strafgesetzgebung gar keine Strafen für politische Taten vorgesehen sind und es daher also gar keine politischen Gefangenen geben könne. Es liegt aber auf der Hand, dass das öffentliche Bewusstsein Akbar Ganji, Hassan Jussefi Eshkewari, Taqi Rahmani, Hoda Saber, Resa Alijani, Nasser Sarafshan und andere gefangene Studenten und Journalisten als politische Gefangene betrachtet." […]

"Bisher haben iranische Gerichte auf politische Häftlinge und Journalisten immer die normalen strafrechtlichen Gesetze angewandt. […] So hat es ein Sprecher der Judikative in einem Fernsehinterview auch [abgelehnt], politische Delikte anders als normale Verbrechen zu behandeln, weil [im iranischen Rechtsverständnis] ein politisches Verbrechen erst vorliegt, wenn es um Aktivitäten geht, die sich gegen das System der Islamischen Republik richten." Auch der Kommentator Amadoldine Baqi [s.u.] ist der Überzeugung, dass politische Delikte in den Bereichen von Journalismus, Literatur oder öffentlichen Vorträgen nicht als politisches Verbrechen eingestuft werden könnten, da es sich ja nicht um einen bewaffneten Kampf gegen die Republik handle. Noch weiter geht der frühere Chef der Judikative, der Reformislamist Ayatollah Seyyed Abdolkarim Mussawi Ardebili: "Man versteht eine Kritik der Herrschaft als politisches Verbrechen. Eine solche Kritik ist in der islamischen Tradition aber nicht nur kein Verbrechen, sondern sogar erwünscht." [7]

Auch Rassul Montajeb, Mitglied der "Organisation der kämpfenden Geistlichkeit", wies auf Definitionsmängel in der Rechtsprechung hin, die zur Ursache von Menschenrechtsverletzungen werden könnten: "Wir müssen dringend eine Definition der politischen Verbrechen vornehmen und deutlich machen, in welchem Rahmen diese Verbrechen behandelt werden. In der Verfassung wird zwischen politischen und Mediendelikten sowie anderen Verbrechen unterschieden. […] Und wie wir für die Presse spezielle Gesetze haben, benötigen wir solche auch für politische Verbrechen. Jenseits der unterschiedlichen politischen Positionen von Gruppen und Fraktionen müssen wir eine transparente Definition für politische Verbrechen liefern und einen festen Rahmen dafür schaffen." [8]

Auch um die Frage von Geschworenengerichten drehte sich die Diskussion. In der Sharq hieß es dazu: "In der iranischen Verfassung heißt es, dass für politische Strafen Geschworene im Gericht mitentscheiden muss. Dies ist aber bisher nicht umgesetzt worden." […] Schon das fünfte Majless habe für das Pressegericht unabhängige Geschworene gefordert. Das Klerusgericht habe beispielsweise Abdollah Nuri als Herausgeber der Zeitung Khordad in Anwesenheit einer Geschworenengruppe aus Geistlichen verurteilt. Schriftsteller dürften jedoch in einem Pressegericht ohne Geschworene verurteilt werden. Tatsächlich gebe es bisher eine anerkannte Geschworenengruppe, deren Mitglieder alle von staatlichen Gremien stammten: Im Pressegericht setzen sich die Geschworenen aus dem Vorsitzenden des Stadtrates, dem Vorsitzenden der Judikative, dem Kulturminister oder seinem Vertreter, dem Vorsitzenden der Organisation der islamischen Propaganda [Tabliqate Eslami] und einem Vertreter der Hoseye Elmiye [Kleriker-Akademie in Qom] zusammen. Im speziellen Klerikergericht hingegen würden die Geschworenen persönlich vom Vorsitzenden des Gerichts gewählt. Kritisiert wird laut Sharq, dass eigentlich die Geschworenen das gesellschaftliche Gewissen darstellen und daher nicht von staatlichen Vertretern besetzt werden solle. Dabei sei den iranischen Bürgern schon vor 100 Jahren in der konstitutionellen Verfassung ein solches Recht gewährt worden. Dieses Gesetz sei jedoch nie in die Praxis umgesetzt worden. [9]

Khatami zur Rolle der Scharia

Der iranische Präsident Mohamad Khatami erklärte auf einer Konferenz der Verantwortlichen der iranischen Judikative, dass man keinen "Wettbewerb" um die Umsetzung des göttlichen Gesetz veranstalten solle: "Unterdrückung", so Khatami, "gibt es dort, wo es Macht gibt. In der Regel wird der Schwache Opfer der Aggressionen von Starken. Was muss man machen, um die Unterdrückung in der Gesellschaft abzubauen? Die Macht kann einerseits Ursache von Unterdrückung sein. Andererseits benötigt man auch für den Kampf zur Abschaffung von Ungerechtigkeit Macht. Wer die politische, wirtschaftliche, militärische und wissenschaftliche Macht besitzt, hat viele Möglichkeiten, Repressionen auszuüben. Daher sind ein machtvolles System und eine mächtige Justiz erforderlich, um die Unterdrückung zu verhindern. [...] Brüder, ich wende mich als Geistlicher an Euch! Göttliche Gesetze sind sehr wichtig - aber wir sollten nun keinen Wettbewerb um die Umsetzung dieser Gesetze veranstalten. Wir müssen uns auch darum bemühen, Beweise zu liefern." [10]

Konkret hat sich die Lage der islamischen Dissidenten indes nicht gebessert: So hat der Richter im Fall des zum Tode verurteilten Intellektuellen Aqajeri zwar inzwischen festgestellt, dass der Häftling kein Apostat sei. [11] Daher entfällt sein Todesurteil. Aqajeris Anwalt beklagt jedoch laut Sharq, dass das Verfahren nun wieder auf den Stand von vor zwei Jahren, also vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Todesstrafe wegen Apostasie zurückgestellt sei. Und der ebenfalls in Haft sitzende Journalist Amadoldin Baqi weigerte sich am 28. Juni, sich vor dem Gericht zu verteidigen. Er wies darauf hin, dass das Gericht unabhängige Geschworene benötige, die es de facto aber nicht gäbe. [12]

*Dr. Wahied Wahdat-Hagh ist Politikwissenschaftler und arbeitet für MEMRI zum Iran.

Anmerkungen:
[1] Sharq, 12.6.2004
[2] Sharq, 22.6.2004
[3] Sharq, 22.6.2004
[4] Sharq, 23.6.2004
[5] Aftabe Yasd, 23.6.2004
[6] ISNA, 24.6.2004
[7] Sharq 24.6.2004
[8] Aftabe Yasd, 24.6.2004
[9] Sharq 24.6.2004
[10] Sharq, 27.6.2004
[11] Bastab, 29.6.2004
[12] Sharq, 29.6.2004

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