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Freiheit im Nahen Osten:
Zeit für den Wechsel

"Lang lebe die Freiheit! Lang lebe der Säkularismus!", erklären iranische Studenten. Seit George W. Bushs Diktum vom "Regime Change" scheint Befreiung im Nahen Osten wieder möglich zu sein.

Von Thomas von der Osten-Sacken und Thomas Uwer
Jungle World 50/2002, 04.12.2002

Es ist ein kühner Gedanke. Erstmals nach dem "Ende der Geschichte", das Francis Fukuyama jubelnd und viele Kommunisten resignierend konstatierten, ist Befreiung wieder etwas, das möglich erscheint; und zwar ausgerechnet in einem Teil der Welt, der schon lange vor 1989 unter der Herrschaft monolithischer Regime in Agonie versunken schien. Im Nahen Osten gewinnen nämlich nicht nur die Islamisten an Zulauf und Unterstützung, sie verschärfen zugleich einen seit langem schwelenden Konflikt.

Während die iranischen Bassiji-Milizen am Freitag, dem "Jerusalem-Tag", mit weiteren Unterstützern des Mullah-Regimes zu Hunderttausenden in Teheran gegen Israel demonstrierten, fordern die iranischen Studenten mittlerweile nichts weniger als ein Ende der Theokratie. "Während die USA das herrschende Regime im Iran als Teil der Achse des Bösen bezeichnet haben", heißt es in einem Flugblatt des studentischen Koordinationskomitees für Demokratie in Iran, "(...) und die iranische Nation schreit, 'lasst Palästina in Ruhe, denkt an uns', fahren die Herrscher der Tyrannei (...) mit ihren antisemitischen Shows und Erklärungen fort." Das ist ein einfacher Gedanke und es folgen einfache Forderungen: "Lange lebe der Säkularismus! Lang lebe die Freiheit!" Das Wohl und Wehe der iranischen Bevölkerung hänge nämlich, heißt es, nicht von der Existenz eines palästinensischen Staates ab, sondern von der Gewalt des eigenen Regimes.

Zwei Grundpfeiler nahöstlicher Politik werden damit quasi im Handstreich beseitigt: die Konzentration und Verlagerung aller politischen Äußerungen auf den israelisch-palästinensischen Konflikt und der "kritische Dialog" mit den Eliten, der nicht der Demokratisierung dient, sondern der Aufrechterhaltung diktatorischer Herrschaft.

In Europa sorgt beides für Unruhe. Erstmals richtet sich der Zorn der Bevölkerungen nicht gegen die USA und Israel, sondern gegen die eigenen Regierungen. Lange bevor Regierungen stürzen, wirkt sich der von George W. Bush angekündigte "Regime Change" bereits auf die europäische Nahostpolitik aus, die auf die Stabilisierung unhaltbarer Verhältnisse und den Dialog mit den Eliten setzt.

Einzig aus dieser Perspektive hatten die deutschen Kommentatoren Recht, als sie die "Iran-Rede" George W. Bushs im Sommer dieses Jahres als gefährliches Spiel mit der Macht interpretierten. Dass die "Menschen im Iran die gleichen Freiheiten, Menschenrechte und Möglichkeiten wie alle Menschen auf der Welt" haben sollten, erklärte Bush damals.

Es war eine Botschaft, die in Teheran wie in anderen Städten des Nahen Ostens verstanden wurde. Während die Mullahs im kritischen Dialog weiterhin das westliche Konzept der Menschenrechte als Kulturimperialismus ablehnen und ihnen die wahren "islamischen Rechte" entgegensetzen, wollten, wie Reuel Marc Gerecht kürzlich im Weekly Standard schrieb, die iranischen Studenten vor allem jene Freiheit, für die wie kein anderes Land die USA stünden.

Neben Gerecht sehen sich derzeit auch US-amerikanische Linke mit dem Phänomen konfrontiert, dass ausgerechnet der konservative und zutiefst religiöse Bush mit Erfolg eine für die arabischen Staaten revolutionäre Botschaft verbreitet, wie es seit Woodrow Wilson in der amerikanischen Außenpolitik nicht mehr geschah. Während Wilson 1918 aber das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" propagierte, trete Bush für die Freiheit des Individuums ein und sei der tiefen Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime sich nach "Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sehnten, als einem angeborenen Menschenrecht", schreibt Gerecht.

Wie auch immer das persönliche Verständnis George W. Bushs von der Welt und ihren Dingen beschaffen sein mag, die Ereignisse geben ihm Recht. So meldete auch die FAZ, den demonstrierenden Stundenten gehe es nicht mehr darum, den so genannten Reformflügel um Khatami zu stärken, sondern um einen grundlegenden Bruch mit der islamischen Theokratie.

Und auch der iranische Schriftsteller Faradj Sarkuhi richtet sich gegen die europäische Interpretation der Ereignisse. "Bei der Analyse der Situation im Iran reduzieren sie alles, was geschieht, auf eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Flügeln der iranischen Regierung (...) Wichtige und einflussreiche Teile der iranischen Gesellschaft werden dabei einfach ausgeblendet: Die meisten iranischen Journalisten und Schriftsteller, der größte Teil der Studentenbewegung und die Mehrheit der Bevölkerung ist prinzipiell gegen jede Form von Theokratie und Despotie."

Das ist nicht neu. Neuerdings aber scheint sich mit George W. Bush und den "Falken" ein interessierter Dritter anzubieten, der nicht auf die Eliten und eine Reform von oben, sondern auf die Bevölkerung und den Sturz der Regierungen setzt. Das propagierte und praktizierte Konzept des "Regime Change" ist vor allem ein Wechsel des Subjekts, dessen sich die US-amerikanische Politik im Nahen Osten anzunehmen verspricht.

Und zwar mit Erfolg. Im Iran wie auch im Irak ist die Möglichkeit gegeben, über Befreiung überhaupt wieder nachzudenken. Während in Teheran die Legitimität des Regimes zu schwinden scheint, debattiert die irakische Opposition bereits über die Form eines Staates nach Saddam Hussein. In Irakisch-Kurdistan verabschiedete das Parlament gar eine Verfassung für den ganzen Irak, statt sich darüber Gedanken zu machen, wie der Status quo weiter aufrechterhalten werden könne.

Und erstmals wird in den USA, aber auch in saudischen Exilkreisen debattiert, wie Saudi-Arabien ohne das Haus Saud zu regieren sei. Die jahrzehntelange Erstarrung einer Region, in der bislang keine Regierung gestürzt oder zumindest abgewählt wurde und kein Konflikt lösbar erschien, schwindet.

Das kommt nicht aus heiterem Himmel. Während der neunziger Jahre, als der zivilgesellschaftliche Wandel die Regierungspolitik und den Soziologendiskurs bestimmte, wunderte man sich hin und wieder darüber, dass außer ein paar Debattierzirkeln in Damaskus die Reformkräfte nicht entstehen wollten, die wenigstens kosmetische Veränderungen hätten bewirken können. Nirgendwo zeitigte der Einsatz für die reformbereiten Kräfte innerhalb der Eliten einen Erfolg. Diese Eliten, auf die auch die US-amerikanische Nahostpolitik weiter setzte, waren tatsächlich vollkommen alternativlos, da sie jeden möglichen Konkurrenten entweder bereits absorbiert, ins Exil getrieben oder vernichtet hatten.

Die US-Politik der neunziger Jahre, die einen Herrscher wie Saddam Hussein gegen den Willen der irakischen Bevölkerung an der Macht hielt, folgte blindlings der historischen Gewohnheit, gegen die gefürchteten "arabischen Massen" auf militärische Führungsriegen und den Erhalt oligarchischer Herrschaftsstrukturen zu setzen. Unter dieser Bedingung bedeutete Veränderung im Nahen Osten bislang, dass in Syrien und Jordanien die Söhne der jeweiligen Herrscher und in Saudi Arabien ein Halbbruder die Macht übernahmen.

"Alles wurde bislang im Nahen Osten versucht", schrieb der konservative Kolumnist Victor D. Hanson kürzlich, man kooperierte mit säkularen und religiösen Diktaturen, führte einen "Dialog der Kulturen" und bestrafte unbotmäßige Regimes. Nur eines sei bislang nicht versucht worden: "Freiheit".

hagalil.com 04-12-2002

 

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