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MEMRI Special Dispatch – 28. September 2004

Exiloppositionelle und iranische Reformislamisten:
Einig in der Atomfrage

Übersetzt und zusammengefasst von Dr. Wahied Wahdat-Hagh*

In der reformislamistischen Zeitung Sharq vom 20. September 2004 erklärte Mohammad Javad Ruh, dass das Atomprogramm für den Iran mittlerweile wichtiger als die Frage der Meinungsfreiheit, die Lage der politischen Gefangenen oder das Wahlrecht geworden sei. Schließlich könne eine Untersuchung durch den UN-Sicherheitsrat einen wirtschaftlichen Boykott oder ein militärisches Embargo gegen den Iran zur Folge haben, was dem politischen und kulturellen Klima des Landes schaden würde.

In seinem Artikel analysiert Ruh die unterschiedlichen Positionen zur Atomfrage von drei Gruppen im In- und Ausland. Er unterscheidet dabei zwischen Gruppen, die einen Krieg gegen den Iran befürworten sowie den demokratischen Friedensanhängern und den Konservativen. Ruh stellt in der Atomfrage einen Konsens zwischen säkularen Exilrepublikanern und den Reformislamisten im Iran fest. Für beide stünden dabei die nationalen Interessen des Iran im Vordergrund. Außerdem geht der Autor auf die Forderung von über 200 Majlessmitglieder nach einem Ausstieg aus dem NPT-Vertrag [Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen] ein. [1] Wir dokumentieren Auszüge aus seinem Artikel:

Die Kriegsbefürworter

Ruh geht zunächst auf die Gruppe der Befürworter eines Krieges gegen den Iran ein - zählt aber lediglich die Organisation der Volksmojahedin zu dieser Kategorie. Diese begrüßten seiner Meinung nach auf jeden Fall einen militärischen Angriff gegen den Iran, um den Sturz der Regierung zu forcieren. Die Volksmojahedin seien jedoch in der iranischen Gesellschaft eine isolierte Gruppe. […]

Demokratische Kriegsgegner: Reformislamisten und säkulare Exilrepublikaner

Dann bemerkt Ruh: "Es ist deutlich geworden, dass die Positionen der verschiedenen Fraktionen der Friedensanhänger im In- und Ausland in der Atomfrage gleich sind. Es handelt sich dabei um politische Fraktionen, deren politische Zielsetzungen eigentlich völlig unterschiedlich sind und die insbesondere aufgrund ihrer Geschichte Differenzen und Feindseligkeiten gegeneinander hegen. Dennoch haben sich diese Kräfte immer intensiver mit dem Thema der Demokratisierung auseinandergesetzt." So hätten auch die Exilgruppen trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen die Wahl von Mohammad Khatami zunächst unterstützt.

Mit der Zeit hätten sich die strategischen Unterschiede aber zu einem [politischen] Widerspruch entwickelt: "Die Reformer pochten auf einer 'islamischen Republik' und die [Exil]opposition auf einer [säkularen] 'Republik'. Dabei entwickelten sie unterschiedliche Positionen zu den Kommunalwahlen oder der Wahl des siebten Majless. In der Atomfrage scheint es aber keine Differenzen zwischen den beiden Lagern zu geben. Zwar gibt es unterschiedliche Positionen zu innenpolitischen Themen, wie der Verfassungsfrage oder den Rechtsfragen in Hinblick auf eine Demokratisierung der Machtstrukturen - bezüglich des Atomproblems gibt es jedoch keine Differenzen. [...] [Auch] über die bestehenden internationalen Verträge wie den NPT-Vertrag gibt es keinerlei Meinungsunterschiede zwischen den inländischen Reformern und der exil-republikanischen Opposition."

Beispielhaft führt Ruh seine These dann anhand der Position des bekannten Mitglieds der Partizipationsfront [Jebheye Mosharekat] Mohssen Mirdamadi aus, der im sechsten Majless Vorsitzender der Kommission für nationale Sicherheit war. Ruh zitiert ihn mit der Frage, warum die Aufsicht über die Atomkontrolle nunmehr von den nationalen Gremien auf die internationalen Institutionen übertragen worden sei. Mirdamadi moniert laut Ruh, dass er als Vertreter der Kommission für nationale Sicherheit erst ein Jahr nach Al-Baradei die Atomanlagen in Natanz und Arak besuchen konnte. Viele offizielle iranische Instanzen würden über die genaue Atompolitik des Iran nicht informiert werden. Mirdamadi weiter: "Wir sind der Überzeugung, dass wir alle internationalen Verträge und Protokolle akzeptieren sollten und durch die Schaffung einer Vertrauensbasis verhindern müssen, dass gegen uns weitere Maßnahmen jenseits der Verträge ergriffen werden. Wir müssen die Kapazitäten des Iran realistisch betrachten und überlegen, ob wir, falls die Akte wirklich zum Sicherheitsrat geschickt werden sollte, ein Wirtschaftsembargo überstehen würden."

Ähnlich wie die "Organisation der Mojahedin der islamischen Revolution" [1] habe die reformislamistische Partizipationsfront, so folgert Ruh, eine "Kosten-Nutzen-Analyse" durchgeführt: "Wenn die iranische Atomfrage an den Sicherheitsrat überstellt würde, wäre eine rote Linie für das Land überschritten. Ein solcher Vorgang würde nicht nur den [Ausbau eines] geschlossenen Atomkreises und die Urananreicherung verhindern, sondern darüber hinaus würden uns weitere Einschränkungen auferlegt werden." Es müsse alles unternommen werden, um zu vermeiden, dass die iranische Atomakte im Sicherheitsrat lande. "Andernfalls", so zitiert Ruh Mirdamadi, "müssten wir einen hohen Preis zahlen und für immer auf unsere Errungenschaften auf dem Gebiet der Atomforschung verzichten."

Ruh referiert dann die Position des Physikers Ahmad Shirsad, Mitglied des Zentralrats der reformislamistischen Partizipationsfront, der in seiner Kritik am iranischen Atomprogramm noch weiter geht als Mirdamadi: "Dieses (Atom-)Problem", so Shirsad, "ist zur Schwachstelle des Iran geworden, das von den Ausländern dazu benutzt wird, um den Iran unter Druck zu setzen. Dieses Problem schwächt den Iran, statt ihn zu stärken." Ähnlich zitiert Ruh auch den Bruder des amtierenden Präsidenten, Mohammadresa Khatami, Generalsekretär der Partizipationsfront: "Unser größtes außenpolitisches Problem im nächsten Jahr ist das Atomproblem. Die Krisen werden sich verschärfen, wenn das Atomproblem mit Menschenrechtsproblemen vermischt wird." Auch Khatami fürchte, dass der Druck auf den Iran noch stärker werden könnte. […]

Anschließend vergleicht Ruh diese Positionen von Reformislamisten im Iran mit den Ansichten der säkularen Exilrepublikaner und kommt zu dem Schluss: "Die Positionen der Exilrepublikaner als wichtigste Oppositionsgruppe stimmen auf bestimmte Art und Weise mit den Ansichten der inländischen Reformer überein." Letztere hatten Anfang September in einer Erklärung ihre Sorge um die nationalen iranischen Interessen, das Atomprogramm und die Situation in den Nachbarländern formuliert. Und wie sie seien eben auch die Exilrepublikaner darüber besorgt, dass die Europäer dem iranischen Atomprogramm mittlerweile misstrauisch gegenüberständen, weil die Gespräche mit Frankreich, England und Deutschland gescheitert seien und der Iran seine Versprechen über einen Stopp des Zentrifugenbaus zur Urananreicherung zurückgenommen habe. So hätten die Exilrepublikaner zum Beispiel davor gewarnt, militärische Drohgebärden zu äußern und sich dabei auf die Reden des iranischen Verteidigungsminister bezogen, der im Fall eines Angriffs auf den Iran von einem möglichen atomaren Gegenschlag [Podafande Hastei] gesprochen hatte.[3]

Außerdem, so Ruh weiter, hätten die Exilrepublikaner darauf verwiesen, dass die USA die iranische Atomakte auf jeden Fall vor den Sicherheitsrat bringen wollten. So hätten die Amerikaner eindeutig erklärt, alles tun zu wollen, um das Atomprojekt des Iran zu stoppen. Auch Israel habe davon gesprochen, gegebenenfalls die iranischen Atomanlagen zu zerstören. Diese Entwicklungen, so fasst Ruh die Warnung der Exilrepublikaner zusammen, könnten dazu führen, dass die iranischen Machthaber das politische Klima weiter militarisieren und zu militärischen Lösungsversuchen greifen könnten, weil sie innenpolitische Probleme durch außenpolitische Spannungen vertuschen wollten. Trotzdem seien auch die Exilrepublikaner der Überzeugung, dass der Iran ein Recht auf das Atomprogramm habe. Bedingung dafür sei jedoch, dass das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft gewonnen werde und die internationale Atomenergiebehörde ihre Kontrollen fortsetzen dürfe. Auch die Beziehungen zu den USA sollten normalisiert werden. Andernfalls könnte es passieren, dass der Iran einen hohen ökonomischen oder gar militärischen Preis zahlen müsste. Auch würden sie Exilrepublikaner Ruh zufolge die iranische Regierung weiter davor warnen, Europa und die USA in der Atomfrage spalten zu wollen oder gar die Probleme der USA im Irak zu instrumentalisieren. Auch die mit solchen Ambitionen verbundene Hoffnung, die IAEA könnte dem iranischen Atomprogramm womöglich ohne Berücksichtigung der US-Position zustimmen, seien nicht realistisch. Vor diesem Hintergrund würden die Exilrepublikaner von der iranischen Regierung fordern, dem NPT-Vertrag treu zu bleiben, die Militärs aus dem Atomstreit herauszuhalten und die Spannungen in den Beziehungen mit den USA nicht weiter zu verstärken.

Die Konservativen

Die Konservativen nähmen, so Ruh, in der Außenpolitik eine radikale Position ein. Eine Verbesserung der Beziehungen mit dem 'Westen' würde nach Einschätzung der Konservativen lediglich den Interessen der "Fremden" dienen. Deswegen würden sich die Konservativen von vorneherein gegen jede Zusammenarbeit mit der IAEA wenden.

Hussein Shariatmadari, Herausgeber der Zeitung Kayhan, sei einer der Sprecher dieser Fraktion. Er habe sich von Anfang an für einen Austritt des Iran aus dem NPT-Vertrag ausgesprochen. Shariatmadari kritisiere daher auch die Verhandlungen mit Europa und erklärt, dass der Westen den Iran auf diese Weise nur "überlisten" wolle. Ruh zufolge, fühlt sich Shariatmadari dadurch bestätigt, dass sich die Positionen von Europäern und Amerikanern in den letzten Wochen angenähert haben. Der Dialog mit Europa habe dazu geführt, dass die iranische Regierung eine "rote Linie des Systems" überschritten habe.

Ruh erinnert in seinem Artikel daran, dass kürzlich über 200 Majlessmitglieder schriftlich beantragt haben, dass der Iran entgegen den Forderungen der internationalen Atomenergiebehörde mit der Urananreicherung beginnen solle. Die gegenwärtige politische Lage habe dazu geführt, dass inzwischen auch moderate Konservative, wie Mohammad Javad Larijani [4], in einem Fernsehinterview "nicht nur die Urananreicherung, sondern auch die Atombombe als ein legitimes Recht des Iran betrachten". Larijani habe im Kanal 2 des iranischen Fernsehens gesagt: "Mit Blick auf unsere Verteidigungsstrategie macht es absolut keinen Sinn, dass der Feind Atomwaffen besitzt, wir aber auf Atomwaffen verzichten." Ruh erinnert daran, dass dies zu einem Zeitpunkt veröffentlicht worden wäre, als die Islamische Republik erklärt hatte, dass die "Atombombe aus religiösen Gründen verboten" sei. Trotzdem habe Larijani, der auch für einen Ausstieg aus dem NPT-Vertrag ist, ausdrücklich gesagt: "Wir brauchen die ganze Propaganda des Westens, nach der die Verfügung über atomare Verteidigungsmittel nicht legitim ist. Es ist vielmehr eindeutig unser Recht, Atomwaffen zu besitzen. Alle Länder um uns herum besitzen die Atombombe. Israel hat die Atombombe und hat daher kein Recht, uns davon abzuhalten, sie ebenfalls zu besitzen."

*Dr. Wahied Wahdat-Hagh ist Politikwissenschaftler und arbeitet für MEMRI zum Iran.

[1] Inzwischen hat der iranische Außenminister in einem Interview in Sharq von 27.9.2004 bekannt gegeben, dass die Regierung eine solche Entscheidung noch nicht getroffen habe. Falls jedoch die Europäer die iranische Akte an den Sicherheitsrat schicken würden, hielte der Iran sich angemessene Reaktionen offen.
[2] Die "Organisation der Mojahedin der islamischen Revolution" gilt als linksislamistische Organisation und zählt zur "Imam-Khomeini-Linie." Zu dieser gehört u.a. auch die von Hojatoleslam Mehdi Karrubi geführte "Kämpfende Geistlichkeit".
[3] 'Podafande Hastei' bedeutet 'im Fall eines Angriffes automatisch zündende Atombombe' (vgl. www.memri.de/uebersetzungen_analysen/laender/
iran/iran_shamkhani2_09_08_04.html)
[4] Larijani studierte an der University of California und ist Direktor des iranischen "Institute for Studies in Theoretical Physics and Mathematics". Er ist gleichzeitig ein "moderat-konservativer" Politiker im iranischen Majless, gilt als Experte für internationale Politik und berät das iranische Außenministerium.

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hagalil.com 29-09-04

 

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