Einer Meldung der
reformislamistischen Zeitung Sharq vom 10.5.2004 zufolge werden am
heutigen Dienstag die Studenten der Teheraner Universität und der
medizinischen Fakultät in der Teheraner Technischen Universität eine
Protestveranstaltung gegen das Todesurteil gegen Dr. Hashem Aqajari
organisieren. (Sharq 10.5.2004) Noch Anfang Mai hatte der iranische
Außenminister Kamal Kharasi gegenüber Bundesaußenminister Joschka
Fischer erklärt, dass das von einem lokalen Gericht ausgesprochene
Todesurteil noch an den Obersten Gerichtshof in Teheran gehen müsse. Am
Montag hat nun ein westiranisches Gericht das Urteil bestätigt und es
erneut an den Obersten Gerichtshof überwiesen.
Der Universitätsprofessor
Aqajari war im November 2002 wegen "Gotteslästerung" zum Tode verurteilt
worden, weil er eine "religiöse Erneuerung" des schiitischen Glaubens
gefordert hatte. Dabei bezieht sich Aqajari auf die Lehren von Ali
Shariati, einem modernistisch-islamistischen Theoretiker und Wegbereiter
der Islamischen Revolution. Auch hatte Aqajarai, der Mitglied einer
"linksislamistischen" Organisation ( den "Mojahedin der Islamischen
Revolution") gewesen ist, stets seine Treue zur Islamischen Revolution
und zum Revolutionsführer Ayatollah Khomeini betont.
Inzwischen haben sich nicht nur
der noch amtierende Präsident Khatami gegen das Todesurteil
ausgesprochen, sondern auch als "rechtsislamistisch" geltende Hardliner
wie der Intellektuelle Mohssen Qoravian. Der äußerte die Hoffnung, dass
der religiöse Führer das Urteil revidieren würde.
Über die Nachrichtenagentur
ILNA hat die Studentenorganisation Daftare Tahkime Wahdat (Büro zur
Festigung der Einheit) die Bestätigung des Todesurteils gegen Hashem
Aqajari verurteilt. Dieser habe lediglich "das gängige starre religiöse
und mit der politischen Macht verbundene Denken" im Iran kritisiert.
In der Erklärung heißt es: "Wie
es aussieht, haben auch die heimlichen und öffentlichen Vereinbarungen,
die die [iranischen] Entscheidungsträger und Machthaber mit
internationalen Instanzen getroffen haben, nichts an ihren politischen
Entscheidungen verändert. Die Maßnahmen der letzten Monate beschränken
sich nicht auf das Todesurteil von Dr. Hashem Aqajari, sondern betreffen
auch […] die Studenten. Permanente Vorladungen und die Verkündung harter
Urteile gegen die Aktivisten der Studentenbewegung erinnern daran, dass
die Theoretiker der Gewalt und der politischen Despotie ihre Lanzen vor
allem gegen die Universitäten gerichtet haben. Sie verfolgen das Ziel,
das restliche Licht von Freiheit und Menschlichkeit auszulöschen, das im
Iran an den Universitäten leuchtet. Sie wollen ihre Vision von der
gänzlichen Auslöschung des freiheitsliebenden Geistes in der iranischen
Bevölkerung verwirklichen. Als Teil der iranischen Studentenbewegung
haben wir stets die Institutionalisierung der Menschenrechte als
universelles Abkommen unterstützt, das die Menschenrechte der Bürger
garantiert. Wir glauben an die Botschaft der Universitäten im Sinne von
Kritik und Aufklärung sowie der Verteidigung einer mutigen Wissenschaft
und Moral. Daher verurteilen wir das mittelalterliche Todesurteil gegen
Dr. Hashem Aqajari und verteidigen die legitimen Rechte aller Iraner,
damit sie ein freies und menschliches Leben führen können. Wir werden
uns mit allen Kräften darum bemühen, die Machthaber dazu zu
verpflichten, die Menschenrechte einzuhalten." (ILNA, 10.5.2004)
Dass der Streit über das
Todesurteil gegen Aqajari zum Zankapfel zwischen "Links-" und
"Rechtsislamisten" geworden ist, macht die folgende Auseinandersetzung
deutlich:
Die "linksislamistische"
Zeitung Sharq berichtete, dass vor etwa zwei Jahren, im April 2002, als
Aqajari von "rechten" Islamisten angegriffen wurde, mit Ruhollah
Hosseinian ausgerechnet ein "Rechter" das Todesurteil wegen Apostasie
verurteilt habe. Nun aber habe, so die Sharq, derselbe Hosseinian in
einem Buch nachgewiesen, dass der als orthodoxer Shariati-Anhänger
bekannte Aqajari den wahren Sinn von Shariatis Büchern nicht richtig
verstanden habe. Aqajari sei, so wird Hosseinian in der Sharq
wiedergegeben, ein Lügner und berufe sich zu unrecht auf Shariati. Sein
Ziel sei lediglich die schiitische Geistlichkeit zu beleidigen und als
reaktionär zu beschimpfen.
Im Weiteren greift die Sharq
insbesondere die Vorgehensweise von Hosseinian an: Dieser ehemalige
Verteidiger von Aqajari spreche stets von den forschrittlichen Methoden,
die der Klerus anwende. Jetzt aber beziehe Hosseinian sich nur deshalb
auf Shariati und seine Ethik, damit Aqajari das nicht mehr tun könne.
Ebenso berufe sich Hosseinian vor allem deshalb auf den
Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, damit Aqajari nicht behaupten
könne, dass er selbst der Linie von Khomeini angehöre. (Sharq,
10.5.2004)