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Konstantin Wecker im Irak:
Der Eiertanz von Bagdad

Von Philipp Mausshardt, Bagdad
Kompletter Artikel im Tagesspiegel, 15.01.2003

Alle Fettnäpfchen waren aufgestellt, als Konstantin Wecker mit einer Gruppe deutscher Friedensaktivisten vergangene Woche in Bagdad landete. Der Fotograf der amerikanischen Nachrichtenagentur AP hatte sich schon so postiert, dass er Wecker gleich beim Eintritt in die Empfangshalle mit einem Porträt von Saddam Hussein im Hintergrund abschießen konnte. Und das für die Begrüßung der deutschen Delegation zuständige Kulturministerium hatte fünf große Luxuslimousinen mit verdunkelten Scheiben zur Abholung bereitgestellt.

Damit hatte der Liedermacher und Komponist nicht gerechnet. Leichenblass stieg er ein, gefilmt von einem Fernsehteam des ZDF, und ließ sich schweigend ins Luxus-Hotel Al Rashid chauffieren. Noch am Abend trommelte Wecker das Dutzend friedensbewegter Deutscher zusammen und erklärte ihnen: "Entweder dieses Theater hört auf, oder ich reise wieder ab." Gemeinsam packte man am anderen Morgen die Koffer und zog in ein leicht heruntergekommenes Hotel im Zentrum der Stadt um.

(...) Von dem Moment an ist vom berüchtigten irakischen Sicherheitsapparat nichts mehr zu sehen und zu hören, und selbst erfahrene Nahost-Korrespondenten wundern sich, wie frei sich Wecker und Co. in den folgenden Tagen durch Bagdad bewegen. Selbst in "Saddam-City", bislang für Filmteams ein gesperrtes Stadtviertel, weil hier rund zwei Millionen Menschen in bitterer Armut leben, hält der Bus auf Drängen Weckers an, und auf einem Platz versammelt sich in Minutenschnelle eine Menschenmenge um die Besuchergruppe aus dem Westen. (...)

Das sind Szenen, da wird Wecker, Vater von zwei Söhnen (drei und sechs) weich wie Wachs und wütend zugleich: "Über diese Kinder jetzt auch noch Bomben abzuwerfen ist für mich eines der größten Verbrechen, die es gibt", sagt er und kann wieder einmal seine Tränen nicht verstecken. Sie fließen mehrmals in dieser Woche. Etwa auf der Leukämiestation des Almansur-Kinderhospitals. Hier liegen auffallend viele Kinder, die, wie es heißt, aus dem Südirak kommen, wo im letzten Golfkrieg schwach mit Uran angereicherte Munition die Gegend verseuchte. Den Ärzten fehlt Medizin. Nur unregelmäßig werden vom UN-Sanktionsausschuss Lieferungen genehmigt.

(...) Tags darauf im Basarviertel von Bagdad: Am Ende einer Straße, auf der die Händler gebrauchte Bücher ausgebreitet haben, liegt das alte Teehaus Schabanda, jeden Freitag Treffpunkt der Schriftsteller und Philosophen. (...) "Vielen Dank, dass Sie gekommen sind", sagt später ein alter armenischer Christ, der Wecker in seinen kleinen Laden hereingewinkt und ihm einen Tee serviert hat. Er kann nur wenig Englisch, aber es reicht, seine Freude über den Besuch auszudrücken. Man raucht zusammen eine Zigarette, ein Kuss auf die Wange zum Abschied lässt Wecker wieder völlig fassungslos das ärmliche Lokal verlassen.

Das Nein des deutschen Bundeskanzlers hat sich bis zu den Taxifahrern von Bagdad herumgesprochen. "Alman gutt" heißt deren Antwort, wenn sie die Herkunft ihres Fahrgastes hören. Ein fast zahnloser Alter, der einen der Deutschen im Basar am Ärmel zupft, will in gebrochenem Englisch Näheres wissen: "Ihr Deutschen habt doch auch Israel Waffen geschickt, stimmt das?" Der Krieg ist Straßenthema. Auch wenn man keine Hamsterkäufe oder Schlangen vor den Zapfsäulen beobachten kann, so ist doch jeder mit der Frage beschäftigt: Was passiert in den nächsten Wochen? (...)

Das Dutzend deutscher Friedensfreunde ist nicht die einzige Gruppe, die zurzeit in Bagdad ihren Protest gegen die Kriegsvorbereitungen zeigt. Rund 100 Aktivisten aus verschiedenen Ländern haben sich in der Organisation "Voices of wilderness" zusammengeschlossen und wollen auch im Bombenhagel noch im Irak ausharren. Die Amerikaner überwiegen. Wecker trifft sich mit ihnen vor einem Bunker, in dem bei der Bombardierung vor elf Jahren 408 Menschen starben. (...)

Am heutigen Mittwoch fliegt Wecker zurück nach Deutschland. "Diese Reise hat mich verändert. Ich weiß, dass ich zu Hause mehr für diese Menschen tun will. Singen allein reicht da nicht." Zurück bleibt ein glücklicher Amir. Der Junge aus der Schmiede ist jetzt "Patensohn" von Wecker. Am Tag nach der Begegnung sprach Wecker mit der einzigen deutschen Hilfsorganisation vor Ort, "Architekten für Menschen in Not", und organisierte die Wiedereingliederung von Amir in die Schule. Seine Familie erhält dafür eine monatliche Unterstützung, die den Ausfall der Kinderarbeit mehr als wettmacht.

hagalil.com 20-01-2003

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