WADI e.V. - Verband für Krisenhilfe und solidarische
Entwicklungszusammenarbeit
Die Parlamentswahlen im Irak stoßen in den überwiegend
kurdisch besiedelten Gebieten im Nordirak auf großen Resonanz. Dies
berichtet Thomas von der Osten-Sacken, der für die Hilfsorganisation
WADI als einziger deutscher Wahlbeobachter an den Wahlen teilnimmt.
"Bis jetzt haben bereits rund 60 Prozent der registrierten
WählerInnen ihre Stimme abgegeben", berichtete von der Osten-Sacken
um 12.00 Uhr Ortszeit. "Vor den Wahllokalen haben sich lange
Schlangen gebildet. Die einzige Angst scheint hier zu sein, dass man
nicht mehr rechtzeitig zur Wahlurne gelangt."
Vier Stunden in der Warteschlange stehen etwa die WählerInnen in
Biara, bis zur Befreiung 2003 Hauptquartier der
radikalislamistischen "Ansar al-Islam" und Zufluchtsort für
Terroristenchef Zarqawi, um ihre Stimme abgeben zu können. Thomas
von der Osten-Sacken, der mit der Wadi-Frauenprojektkoordinatorin
Suaad Abdulrachman Biara besuchte, berichtet davon, dass um 15.00h
Ortszeit bereits 87 % der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben
hatten.
Ein ähnliches Bild wie in Biara zeigte sich für den unabhängigen
Wahlbeobachter und seine irakischen MitarbeiterInnen auch in Halabja
und in einer Reihe anderer Orte, die heute im Laufe des Tages
besucht wurden. Von der Osten-Sacken berichtet außerdem, dass die
Wahlen zumindest in den kurdischen Gebieten vorbildlich organisiert
wären. Die gut vorbereiteten Sicherheitsvorkehrungen ermöglichen
eine hohe Wahlbeteiligung. Aus entfernt liegenden Siedlungen werden
die WählerInnen mit Autobussen zu den Wahllokalen gebracht.
Von der Osten-Sacken ist im Auftrag der Hilfsorganisation WADI im
Irak und als offizieller Wahlbeobachter bei der Unabhängigen
Wahlkommission akkreditiert. Gemeinsam mit zwei irakischen und einer
spanischen Kollegin kontrolliert er seit gestern die Vorbereitung
der Wahllokale, die Stimmabgabe und später am Abend die Auszählung
der Stimmen. Kontrolliert wurden Wahllokale in mehreren Ortschaften
nahe der iranischen Grenze, in einem Gebiet, dass bis April 2003 von
der zum Terror-Netzwerk Al Quaida gerechneten "Ansar Al Islam" Miliz
kontrolliert wurde. Die islamistische Ansar al Islam Miliz hatte
hier ein Taliban-ähnliches Regime errichtet und Frauen vollständig
aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Ein besonderes Augenmerk
legten die BeobachterInnen daher darauf, ob Frauen unbehindert
Zugang zu den Wahllokalen haben.
Von der Osten-Sacken und die Wadi-Frauenprojektkoordinatorin
Suaad Abdulrachman äußern sich dahingehende äußerst zufrieden.
Osten-Sacken: "Besonders viele Frauen sind hier und in den anderen
Orten in denen wir die Wahl beobachten zu den Urnen gegangen. Unsere
Frauenprojektkoordinatorin hat mit vielen Frauen nach der Wahl
gesprochen und dabei festgestellt, dass die Frauen wirklich
selbstständig und unabhängig von ihren Männern gewählt haben. Auch
Analphabetinnen wussten Bescheid wen und warum sie wählen. Gerade
diese hohe Wahlbeteiligung von Frauen zeigt, wie wichtig es der
gesamten irakischen Bevölkerung ist nun endlich frei wählen zu
können."
Entgegen der Befürchtungen, dass die Gewalt terroristischer
Gruppen auch auf den Nordirak überschlagen könnte, fand nach
Auskunft der BeobachterInnen dort praktisch keine Beeinträchtigung
statt. "Die Vorbereitungen auf die Wahlen sind, auch was die
Sicherheitsvorkehrungen betrifft, mit großer Umsicht getroffen
worden", sagte von der Osten-Sacken. Auch die Befürchtung, dass es
eine massive Präsenz von Sicherheitskräften Wähler abschrecken oder
die Wahl selbst beeinflussen könnte, hat sich im Nordirak nicht
bewahrheitet.
WADI erklärte am Nachmittag, dass aufgrund der vorliegenden
Informationen die Wahl im Irak als "großer Erfolg" zu bewerten sei.
"Es hat sich gezeigt, dass die Menschen freie Wahlen und eine
demokratische Gesellschaft wünschen". Die Menschen, die im
Zentralirak nicht zur Wahlurne gegangen sind, seien in überwiegender
Zahl aus Angst vor Terroranschlägen zuhause geblieben, nicht, weil
sie die Wahlen boykottierten. "Der Mut der vielen Menschen, die
trotz Todesdrohungen an dieser Wahl teilgenommen haben, ist ein
eindringlicher Beweis für den Wunsch nach Mitbestimmung."
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