Grob unhöflich:
Saddam Hussein vor Gericht
Von Thomas Uwer
Erschienen in: Jungle World
29 - 07. Juli 2004 Die
neue Botschaft des Widerstands geht so: "Ich bin Saddam Hussein,
Präsident des Irak, und dies hier ist ein Theater. Der wahre
Verbrecher ist George Bush." Das sollte wirken, bei allen, die in
dem Sturz des ba'athistischen Terrorregimes zuallererst einen
Angriff auf die irakische Nation sahen und ein Ende der Besatzung
fordern. Es hat aber nicht
gewirkt. Hussein war offenbar nicht in der Lage zu erkennen, dass
der internationalen Ablehnung der US-amerikanischen Politik mit ihm
als Wortführer alles andere als gedient ist. Mag man von George W.
Bush auch Schlechtes halten, Saddam Hussein als Vergleichsgröße hält
derzeit noch jeder stand. Vor allem aber scheint dem selbst
ernannten Wiedergänger Saladins und einstigen Befreier Jerusalems in
spe entgangen zu sein, wie schnell der Glanz von Despoten schwindet,
stehen sie erst einmal vor Gericht. Saddam blieb nur die Wahl
zwischen der Rolle des gebrochenen alten Mannes, der mit den eigenen
Verbrechen nichts zu tun haben will, oder des unbelehrbaren
Tyrannen, der seiner Sache die Treue hält. Er hat sich für letztere
entschieden und der neuen irakischen Regierung damit ungewollt einen
großen Gefallen getan. So hat
Ministerpräsident Ijad Alawi offensichtlich gutes Gespür bewiesen,
als er nicht nur auf die schnelle Übergabe Saddams und elf anderer
ehemaliger Staatsfunktionäre drängte, sondern entgegen den
Vorstellungen des einstigen amerikanischen Zivilverwalters Paul
Bremer auch unverzüglich und öffentlich ein Verfahren gegen sie
einleitete. Mehr noch als die Bilder seiner Verhaftung im letzten
Jahr hat die in Ausschnitten ausgestrahlte Vorführung Saddams vor
einem irakischen Untersuchungsrichter deutlich gemacht, dass der
grauenvolle Spuk, für den Saddam steht, definitiv zu Ende ist.
Besiegelt wurde sein Ende von einem Untersuchungsrichter, der den
Beschuldigten höflich ermahnte, beleidigende Äußerungen zu
vermeiden. Was gestern noch Staatsideologie war, ist heute nicht
mehr als eine grobe Unhöflichkeit.
So könnte bereits der Auftakt des Vorverfahrens gegen
Saddam Auswirkungen in zwei Richtungen haben. Den marodierenden
Milizen im einst begünstigten sunnitischen Zentralirak wird deutlich
gemacht, dass sie für eine verlorene Sache kämpfen. Die lose
organisierten Banden, die sich um ihre mit dem Regime Saddam
Husseins verknüpften Vorrechte geprellt sehen, sollen von den
islamistischen Terrorgruppen getrennt und die Jihadisten dadurch
isoliert werden. Bereits einen Tag nach der Machtübergabe an die
neue Regierung verurteilten führende sunnitische Geistliche erstmals
Terroranschläge auf die Zivilbevölkerung und riefen dazu auf, gegen
die internationalen Jihadisten vorzugehen. Je mehr Menschen sich mit
der neuen Regierung zu arrangieren suchen, desto geringer wird die
Unterstützung, die der Terror in der sunnitischen Region findet.
Der zweite Effekt ist nicht weniger erfreulich. Er
dürfte darin liegen, dass Saddam Husseins Auftritt als Wortführer
des Widerstands und Vorkämpfer der arabischen Sache beide
diskreditiert hat. Weil mit einer Gestalt wie Saddam niemand zu tun
haben will, der auch nur einigermaßen bei Verstand ist, dürfte die
internationale Bewegung gegen die von den USA eingeleitete
Demokratisierung des Irak weiter schrumpfen. Noch ein oder zwei
ähnliche Auftritte, und die Irakbewegung wird auf jenen erlauchten
Kreis der Gerechten beschränkt sein, der dem einzig legitimen
Präsidenten Jugoslawiens die Treue hält und die Briefe eines Abu
Jamal für politische Literatur hält, nur weil der Mann im Gefängnis
sitzt.
hagalil.com
08-07-2004 |