Ein verachtenswerter Vergleich
Der Leitartikel der
heutigen Ha'aretz setzt sich mit einigen Bemerkungen des britischen
Außenministers auseinander.
Leitartikel Ha'aretz, 27.03.2003,
Original:
haaretz.co.il
Der Vergleich, der am Dienstag vom
britischen Außenminister Jack Straw zwischen dem Irak und Israel
hinsichtlich der Verletzung von UN-Resolutionen gezogen wurde, ist
verachtenswert. In einem Interview mit BBC erklärte Straw, dass sich
die westliche Welt scheinheilig verhält, weil sie von Israel nicht
das gleiche Maß bezüglich der Einhaltung von UN-Resolutionen fordert
wie vom Irak.
"Der Westen macht sich einer Doppelmoral schuldig", sagte er und
fügte hinzu, dass auch sein Land schuldig sei, "und wir müssen uns
damit beschäftigen."
Am nächsten Tag erklärte Premierminister Tony Blair während der
Beantwortung einer Frage im Parlament, dass er und der amerikanische
Präsident George W. Bush glauben, es sei unbedingt erforderlich,
eine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden.
Dieser Konflikt, so sagte er, ist die Hauptursache für die Spaltung
zwischen der islamischen und der westlichen Welt. Besonders jetzt,
da der Irakkrieg im Gange ist, ist es wichtig, dass Großbritannien
seine Anstrengungen bezüglich des Nahostfriedens vorantreibt, fuhr
er fort.
In diesem Zusammenhang erwähnte er die "Straßenkarte", die vom
Quartett - bestehend aus USA, EU, Russland und den Vereinten
Nationen - vorbereitet worden ist, und versprach, dass das Recht der
Palästinenser auf einen eigenen unabhängigen Staat ein
Schlüsselelement britischer Außenpolitik werden würde.
Blair ging nicht auf die plumpen Äußerungen Straw's ein. Er machte
aber auch keine Anstalten, diese ausdrücklich zurückzuweisen. Er
äußerte nicht einmal irgendwelche Bedenken darüber. Das ist sehr
bedauerlich, da die Äußerungen des Außenministers von Grund auf
falsch sind. Und gerade deshalb müssen sie ernst genommen werden.
Rein vom legalen Standpunkt aus betrachtet gibt es keine Basis für
Straw's Beschuldigung. Israel bricht im Gegensatz zum Irak keine
Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates. Zugegeben, die
Interpretation einiger UN-Resolutionen ist seit Jahren ein
strittiger Punkt, doch der Sicherheitsrat hat niemals offiziell
gegen Israel entschieden. Was die Resolutionen der
Generalversammlung angeht, so sind diese gemäß internationalem Recht
für Mitgliedstaaten nicht bindend.
Vom ethischen Standpunkt aus gesehen sind Straw's Äußerungen äußerst
peinlich für jemanden seines Formats. Bei aller scharfer Kritik, die
gegen Israel und seine Politik vorgenommen werden kann, sollte doch
keine anständige Person jemals in Betracht ziehen, Israel im
gleichen Atemzug wie Saddam Hussein's Irak zu nennen. Indem er das
getan hat, demonstriert der britische Außenminister politische
Dummheit, denn seine Worte werden diejenigen in Israel, die Frieden
suchen, in Verlegenheit bringen, und sie werden diejenigen stärken,
die Kompromisse zurückweisen, "weil die Welt gegen uns ist".
Trotz all dem oben genannten darf es Straw's gravierendem Fehler
nicht erlaubt werden, die diplomatische Aussicht zu trüben, die -
nach einem Sieg Amerikas und Großbritanniens über Saddam - mit ihrem
Reichtum an Möglichkeiten hoffentlich weiter entwickelt werden wird.
Es ist gewiss nicht Straw's Vergleich, der die Chance für einen
Durchbruch in dieser Region hervorrufen wird, sondern die neue
Realität, von der wir nur hoffen können, dass sie wirklich
geschaffen werden wird.
In einer solchen Realität demonstriert - und riskiert - die einzige
Supermacht der Welt die Bereitschaft, Ressourcen und Prestige in
dieser Region zu investieren. Amerikas Entscheidung, Saddam zu
entfernen, könnte auch dazu beitragen, andere Krisen zu lösen,
inklusive der israelisch-palästinensischen Krise.
Der resultierende Wechsel in unserer Region muss - gemäß der
"Straßenkarte, doch auch gemäß der diplomatischen Logik - als
Katalysator für einen Neuanfang des Friedensprozesses dienen. Die
Vereinigten Staaten haben bei der Führung dieses Prozesses eine
kritische Rolle zu spielen. Blair's Großbritannien sollte auf
Demagogie verzichten und stattdessen die notwendigen praktischen
Anstrengungen unterstützen.
hagalil.com
23-03-03 |