Kein Spaziergang
Yoel Marcus zum Krieg im Irak, Ha'aretz,
28.03.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Im Verlauf einer der Diskussionen, die im "Oval
Office" des Weißen Hauses geführt wurden, wandte sich Präsident
George W. Bush direkt an den Vorsitzenden der Oberkommandeure der
US-Streitkräfte, General Richard Myers, und fragte ihn, wie lange
der Krieg im Irak dauern würde, bis ein militärischer Sieg erreicht
sei. Doch bevor Myers auch nur ein Wort erwidern konnte, legte
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seine Hand auf die Schulter
des Generals und sagte: "Auf diese Frage brauchen Sie nicht zu
antworten."
Dass der Vorsitzende darum gebeten wurde zu schweigen, war kein
Zufallsereignis. Denn in dem Moment, da man ein bestimmtes Datum
festsetzt, wird es als Versagen betrachtet werden, wenn der Krieg
über dieses Datum hinaus andauert. Eine solche Offensive dauert so
lange, bis ihre Ziele erreicht sind. Dieser Krieg ist in seinem
Schwung nicht mit dem Sechstagekrieg von 1967 zu vergleichen, und
seine Ziele sind nicht dieselben wie im Golfkrieg von 1991. Damals
war es nicht die Absicht, Saddam Hussein zu liquidieren und sein
Regime zu eliminieren, damals war das Ziel, Kuwait von den Irakern
zu befreien.
Die Amerikaner führen einen geordneten, kalkulierten, systematischen
und mühsamen Feldzug, der weit entfernt von den Kriegen der Marke
"Schlagt sie alle tot" ist. Vom Golfkrieg 1991 dachte man, er würde
30 Tage dauern, doch dann dauerte er 43 Tage lang. In diesem Krieg
wurde größtenteils aus der Luft bombardiert, und es wurden
Marschflugkörper verwendet. Am Boden wurde nur minimal gekämpft. Die
Streitkräfte, die von der See aus angriffen, waren diejenigen, die
Saddam die endgültige Niederlage einbrachten.
Nun, da das Ziel ist, Bagdad einzunehmen, Saddam und sein Regime zu
stürzen und die nicht-konventionellen Waffen des Irak zu zerstören,
erwecken Kommentatoren den Eindruck von Amerikas Inkompetenz. Seit
das Kriegsbeil ausgegraben wurde sind erst sieben Tage vergangen,
und schon wird geflüstert, dass alles schief läuft: In Basra wurden
die Truppen nicht mit dem Werfen von Reis willkommen geheißen, und
die Massendesertionen aus der irakischen Armee fanden bisher nicht
statt. Die Türkei sagte in letzter Minute "Nein" zum Transit einer
bewaffneten Division durch ihr Territorium und verhinderte damit die
Belagerung Bagdads vom Norden aus. Diese Division ist immer noch auf
dem Weg in den Persischen Golf, nachdem sie den Suezkanal inzwischen
passiert hat.
Generalmajor der Reserve, Eitan Ben Eliyahu, ein früherer
Oberbefehlshaber der israelischen Luftwaffe, ist besorgt über die
Beharrlichkeit, die die Iraker zeigen und über die Tatsache, dass
die Vereinigten Staaten keine alternative Führung für das Land
vorbereitet haben. Er hat Angst, dass sich der Krieg ausweitet und
sieht besorgt voraus, dass die Truppen der Republikanischen Armee
bis zum bitteren Ende kämpfen werden.
Es ist wahr, dass die Iraker die Amerikaner dieses Mal nicht mit
Rosenwasser und Reis willkommen geheißen haben. Doch dafür gibt es
einen Grund: Sie haben die Lektion bezüglich ihrer Vorfreude im
Krieg von 1991 gelernt, als Saddam 100.000 Schiiten und Kurden
niedermetzelte, die mit den Amerikanern kooperiert hatten.
Das amerikanische Oberkommando handelte weise, als es entschied, die
Städte auf dem Weg nach Bagdad zu umgehen und sich hauptsächlich auf
die Umzingelung Bagdads zu konzentrieren. Die Mehrzahl des
irakischen Volkes verabscheut Saddam und seine brutalen Handlanger,
man wird jedoch keine Zeichen der Freude zeigen, solange er an der
Macht ist. Deshalb versuchen die Amerikaner, die Zivilbevölkerung
nicht zu treffen. Und deshalb stehen die Panzer der Republikanischen
Armee in der Nähe von Wohnblocks und Märkten. Doch genauso wie es
Amerika gelang, die irakische Luftwaffe zu Boden zu zwingen, so hat
es noch mehr raffinierte Methoden in petto. Zum Beispiel die
E-Bombe, eine elektronische Vorrichtung, die das gesamte
elektronische System eines Landes ausschalten kann, oder das
"Spinnen-System", das sich über alle elektrischen Drähte ausdehnt,
so dass dem Land das Licht ausgeht.
Man kann keine Armee von 300.000 Soldaten und 1.000 Flugzeugen zur
Strecke bringen, weil sich der Stabschef der Vereinigten Staaten
vorgemacht hat, dieser Krieg würde ein Spaziergang sein. Es wird
entweder Bush oder Saddam sein, sagt Zvi Rafiah, ein israelischer
US-Experte, und es ist offensichtlich, welche Art von Erdbeben für
uns auf Lager liegt, falls Saddam nicht besiegt werden sollte. Wenn
man in Begriffen von Monaten redet, bedeutet dies ein neues Vietnam.
Dies wird nicht geschehen. Das Ziel, das gesetzt wurde, wird
innerhalb von Wochen erreicht sein. Sowohl Rafiah wie Ben Eliyahu
sagen, dass die Kampagne entschieden sein wird, wenn eine der
Divisionen der Republikanischen Armee in Bagdad zusammenbrechen
wird.
Ehud Barak, früherer israelischer Ministerpräsident und Stabschef,
ist der Meinung, dass das amerikanische Expeditionskorps gemäß
festgesetztem Plan und Stundenplan operiert. Saddam möchte die
Kampagne in die Länge ziehen, in der Hoffnung, dass Russland einen
Kompromissvorschlag für das Ende des Krieges einbringen wird. Bush's
Rezept jedoch, das durch die Macht des Kongresses bestätigt wird,
ist die endgültige Kapitulation von Saddam, die entweder durch einen
Grabstein mit seinem Namen oder durch das Exil bestätigt werden
soll. Wenn Bagdad Ende nächster Woche unter Belagerung sein wird,
wird es eine Angelegenheit von Wochen, nicht von Monaten, sein, bis
der Feldzug entschieden sein wird.
Der frühere israelische Stabschef Dan Shomron sagte einst, dass es
im Krieg die Worte "wichtig" und "dringend" gibt. Von unserem
Standpunkt aus betrachtet ist es wichtig für die gesamte Region,
dass Saddam als eine teuflische Kriegsmaschine von der Arena
verschwindet. Dringend ist: die Daumen für Amerika gedrückt zu
halten.
hagalil.com
30-03-2003 |