In einem Kommentar der konservativen iranischen Zeitung Resalat über
die Auswirkungen des Krieges im Irak kritisiert der Autor Mahmud
Farshidi Versuche, der islamischen Welt das westliche Demokratiemodell
aufzuzwingen: Gegen die Demokratie spreche bereits die Tatsache, dass
sich die kriegführenden Staaten auf diese berufen hätten. Außerdem, so
hofft Farshidi, werde der Krieg gegen den Irak die Bevölkerung in der
Region zur Rückkehr zum Islam bewegen. Der Artikel erschien am 24. April
2003:
"Historiker gehen davon aus, dass Gewaltanwendung und Militarismus
Zeichen des Verfalls einer Regierung und einer Zivilisation sind, die in
ihrer Verzweiflung keine andere Option [als den Griff zur Gewalt] sehen.
Im Rahmen eines solchen historischen Prinzips lässt sich auch der
militärische Angriff der Führer der Demokratie gegen die irakische
Bevölkerung betrachten. Denn wie die Ausführungen der amerikanischen
Politiker während des Krieges bezeugen, ist dieser Angriff kein
Einzelbeispiel für die Unvernunft des amerikanischen Präsidenten. Dieser
Angriff wurde nach einem zehn Jahre alten Plan geführt und man kann
davon ausgehen, dass die Eroberung islamischer Staaten sich nicht auf
den Irak beschränken wird. Die Eroberung Afghanistans, die Drohungen
gegen Syrien, die Hinweise amerikanischer Stellen bezüglich der Dauer
des Krieges gegen den so genannten Terrorismus sowie die Aussagen Bushs
zu Beginn der neuen Kreuzzüge bestätigen, dass es einen langfristigen
Plan der Bannerträger der Demokratie zur Eroberung der islamischen
Staaten gibt.
Die unterschiedlichen Positionen zwischen einigen Demokratien wie
Frankreich, Deutschland oder Russland auf der einen und den USA auf der
anderen Seite sind mehr auf Interessenswidersprüche als auf
demokratische Prinzipien zurückzuführen. Vielmehr legt die Tatsache,
dass die demokratischen Meinungsführer [der westlichen Welt] auch nicht
gegen die militärische Aggression gegen den Irak argumentieren, nahe,
dass diese eine Folge der Demokratie selbst ist.
Schließlich beruht die Weltwirtschaftsordnung auf der Eroberung des
Kapitals der armen durch die reichen Länder. Aber die Bemühungen, die
armen Staaten zu einseitigen Geschäftsbeziehungen zu zwingen, werden
täglich schwieriger. Seit dem Erwachen der Weltbevölkerung -
insbesondere in der islamischen Welt - sind die Menschen immer weniger
bereit, ihr nationales Kapital für den Energiebedarf von Autos der in
der Weltordnung über ihnen rangierenden Staaten zur Verfügung zu
stellen. Nachdem es die Hegemonialkräfte lange Zeit geschafft haben, der
Dritten Welt unter dem Deckmantel von Demokratie und mit Parolen über
Freiheit, Menschenrechte, Wahlen oder Frauenemanzipation das Kapital zu
rauben, erkennt die Weltbevölkerung nun die versteckten Ziele dieser
Herolde der Demokratie.
Die Weltbevölkerung will die Herrschaft des Volkes nach eigenen
Glaubensvorstellungen und gemäß der eigenen Kultur errichten. Sie ist zu
dem Schluss gekommen, dass die liberale Demokratie die größte Hoffnung
der Menschheit, nämlich "Gerechtigkeit", nicht nur nicht verwirklicht,
sondern längst einen entgegengesetzten Weg eingeschlagen hat: Die
Botschaft der liberalen Demokratie ist die Vertiefung der Kluft zwischen
der Klasse der Armen und den Reichen.
So verzweifelte die Menschheit an den Göttern der liberalen Demokratie
und sucht nun nach einem Weg zu einer gerechten Volksherrschaft in der
eigenen Gesellschaft. Gedemütigt von den Herrschern der Welt, richten
sie ihren Blick gen Himmel und auf sich selbst. Tagtäglich fühlen sich
die Menschen so mehr zur Religion hingezogen, sie lernen gewissenhafte
Persönlichkeiten [religiöse Führer] schätzen und deren Basis in der
Gesellschaft wächst. Auch die Tatsache, dass die falschen religiösen
Rezepte der Taliban und von al-Qaida von den Anführern der herrschenden
Mächte geschrieben worden sind, lässt die Menschen wellenartig zu ihren
[richtigen] religiösen Ansichten zurückfinden und belegt zudem die Angst
der Herrschenden vor dem Anwachsen dieser Bewegung.
Die Demokratie hat so letztlich dazu geführt, dass der Name eines
jeden, der sich nicht zum Mekka des Weißen Hauses wendet, in die
schwarze Liste der Terroristen aufgenommen wird. Die Herrschenden
glauben, die nach Gerechtigkeit strebenden Bewegungen mit Repression,
Mord und Verbrechen unterdrücken und ihre Unterstützer zur Verzweiflung
treiben zu können - aber je mehr sie den Druck erhöhen, umso stärker
wächst die religiöse Bewegung.
Nach dem iranischen war es das libanesische Volk, welches als erstes
erkannte, dass nur die Religion Identität und Unabhängigkeit des Landes
schützen könne. Um Ruhe und Sicherheit zu finden, musste die Hisbollah
das Volk vor Israel schützen. Der Erfolg der Libanesen hat den
Palästinensern den Weg des Friedens vor Augen geführt: In der Intifada
hat die religiöse Bewegung inzwischen die Handlungsmöglichkeiten der
Israelis so eingeengt, dass Israel Amerika um Schutz bittet. Und die
Welt ist Zeuge, dass sich derzeit auch die unterdrückte irakische
Bevölkerung der Religion zuwendet, um sich von den Aggressoren zu
befreien. Die irakische Bevölkerung sucht die Verteidigung ihrer
Identität, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Existenz im Islam.
Der Angriff der USA gegen ein islamisches Land hat die Religiosität in
der gesamten Region gestärkt. Selbst nicht-religiöse Regierungen
täuschen nun Religiosität und Harmonie mit der Bevölkerung vor. Die
Anführer der Demokratie haben den islamischen Ländern mit ihrer
Gewaltherrschaft die Sackgasse der Demokratie deutlich vor Augen geführt
- eine Sackgasse, die dazu führen wird, dass sich die islamischen Völker
an den positiven Erfahrungen, die sie mit der religiösen Volksherrschaft
gemacht haben, orientieren werden."
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