Europas Pazifisten machen mobil:
Ein legitimer und schizophrener Protest
Presseschau
Auszug aus M'ariw, Seffi Hendler
Ein französischer Historiker fasste die
europäische, und in gewissem Sinne auch die arabische, Schizophrenie
recht gut zusammen: Einerseits herrsche in Europa heute ein Gefühl
der Entfremdung von den USA, welches manchmal schon in echten
anti-amerikanischen Hass ausarte. Aber andererseits möchte keiner
dieser "Anti-Amerikaner" in einer Welt leben, die von Osama
Bin-Laden kontrolliert wird.
Wenn sie mit dem Rücken zur Wand gestellt werden, wird jeder der
erklärten Kritiker Washingtons zugeben, dass sie George Bush dem
Meisterterroristen vorziehen. Dasselbe gilt auch für den neuen
Helden Zehntausender, die am Wochenende Europas Straßen füllen:
Saddam Hussein. Viele hassen Bush und seine Leute so gerne, dass sie
manchmal vergessen, dass sie nicht einmal einen Tag im Land der
Unterdrückung und der Angst Saddams leben könnten.
Auf den Straßen Frankreichs schrien die mit irakischen Fahnen
bewaffneten Demonstranten: "Bush, Sharon, ihr seid Mörder". Den
Namen des irakischen Diktators erwähnten sie nicht. Seine direkte
Verantwortung für die Massaker gegen das irakische Volk, den
Transfer zahlreicher Iraker im letzten Jahrzehnt und die schlimmsten
Folterungen, die jemals von Menschenrechts-organisationen
dokumentiert wurden, wurden auf den zahlreichen Spruchbändern mit
keiner Silbe erwähnt.
Für die französischen, belgischen, deutschen und britischen
Demonstranten genügt die Liste dieser Taten anscheinend nicht, um
Saddam in die Liste der Mörder aufzunehmen.
Nicht jeder Krieg ist gerechtfertigt, darüber gibt es keinen
Zweifel. Die Frage bezüglich der "moralischen Reinheit" eines Kriegs
gegen den Irak muss also überprüft werden. Straßendemonstrationen
gegen den einen oder anderen Staat sind in einer Demokratie im
Zeitalter der Globalisierung eine gute und wünschenswerte Sache.
Aber zwischen einer klugen Kritik an der Bush-Regierung und dem
Anti-Amerikanismus, der eigentlich die Greueltaten Saddams
legalisiert, trennt eine sehr tiefe Kluft.
Wer behauptet, nicht jeder Krieg sei gerechtfertigt, der sollte auch
verstehen, dass nicht jeder Protest gerechtfertigt ist.
hagalil.com
11-02-2003 |