Die arabischsprachige Tageszeitung al-Sharq al-Awsat veröffentlichte
gestern einen Kommentar des Chefredakteurs der Zeitung, Abd al-Rahman
al-Rashid, in dem die Haltung der arabischen Öffentlichkeit gegenüber
der irakischen Opposition scharf kritisiert wird. Al-Rashid wirft dabei
den arabischen Medien vor, nicht über das Vorgehen des irakischen
Regimes zu berichten, was dazu führe, dass es in der arabischen
Öffentlichkeit keine Proteste gegen Saddam Hussein gebe. In der Zeitung
al-Sharq al-Awsat, die in London erscheint, wurden in den letzten
Monaten immer wieder Artikel veröffentlicht, die sich trotz einer
kritischen Haltung gegenüber den Interessen der US-Regierung für einen
Regimewechsel im Irak aussprachen. Der folgende Artikel erschien am 18.
März 2003:
"Der größte Teil der arabischen Medien weigere sich, die Reaktionen,
Vorschläge und Meinungen der irakischen Opposition zum Geschehen [im
Irak] zu veröffentlichen, so beschwerte sich ein irakischer
Oppositioneller [in einem Brief an die Zeitung]. Er bedaure die
Parteilichkeit, den blinden Eifer, den die arabischen Medien gegenüber
dem Schicksal eines Volkes von über 20 Millionen Menschen angenommen
habe und weist die fast einhellige Ablehnung der arabischen Medien
gegenüber der irakischen Opposition zurück. Diese Medien seien gekauft.
Dieser Brief ist von äußerster Bedeutung. Wir stehen vor einer
erzwungenen Veränderung des irakischen Regimes. Morgen wird sich die
Bedeutung der Kritik dieser Seite und der Betrug, den viele arabische
Medien begehen, zeigen. Dies ist nicht nur ein Betrug an der politischen
Lage, sondern auch an professionellen Grundsätzen, die von den Medien
verlangen, dieser großen Gruppe der irakischen Opposition zumindest die
Möglichkeit zu geben, ihren Standpunkt zu erklären.
Dieser Vorwurf richtet sich nicht an die irakischen Medien, die weder
Macht noch Einfluß besitzen, sondern an die arabischen Medien, die die
Möglichkeit zur Darstellung und Analyse anderer Meinungen hätten und
einen Blick auf sie ermöglichen könnten. Massenmedien wie Radio und
Fernsehen beschränken sich auf Stimmen der offiziellen irakischen Medien
sowie auf solche, die das Regimes unterstützen. Es trifft natürlich
nicht zu, dass die Medien, die das Regime Saddams unterstützen, mit
Dollar oder Privilegien gekauft wurden - und wenn es Medien gibt, die
bezahlt wurden, dann sind dies Teile des irakischen Medienapparates und
[vielleicht einige] andere arabische Medien.
Die Mehrheit der Journalisten aber sieht in der Krise nichts als die
Farben des amerikanischen Sternenbanners und der blauen Streifen der
israelischen Fahne. Ihre Haltung hat nichts mit dem Irak oder den
Irakern zu tun. Der Hass auf die USA treibt sie dazu, eine ablehnende
Haltung ihr gegenüber einzunehmen, worum es auch immer gehen mag. Diese
Haltung ist Teil einer vererbten Feindschaft und fortwährender Zweifel
an allem, was aus Washington kommt. Eine solche Haltung ist verständlich
und legitim.
Andere denken, die bevorstehenden Veränderungen im Irak gehen auf einen
Vorstoß israelischer Gruppierungen zurück, und stehen [daher] dem
Gedanken an eine Veränderung und den Vorschlägen der Opposition
automatisch ablehnend gegenüber, welche Argumente sie auch immer gegen
das Regime vortragen.
Wir sollten nicht vergessen, dass das irakische Regime seine Interessen
verschleierte, indem es sich die Feindschaft gegenüber Israel auf die
Fahne schrieb. Es verstand, wie wichtig es ist, die Gunst der anderen
Araber zu gewinnen, die die Einzelheiten des Geschehens im und um den
Irak nicht verstehen. Aus diesem Grund bekam die große Mehrheit der
Araber nicht eines der zahlreichen Bilder von den Praktiken des
irakischen Regimes zu sehen, die in der modernen Geschichte nichts
Vergleichbares finden - und diese Praktiken sind schlimmer als jene des
israelischen Regimes. Nicht ein arabischer Fernsehsender brachte Filme
über die Natur des Regimes und die Methoden seiner Behörden. So sehr
diese ihr Vorgehen auch verteidigten, sie waren nicht in der Lage, die
Morde und barbarischen Vernichtungen anzuschauen, zu denen sich das
Regime bekannte und derer es sich rühmte.
Wüssten sie um die Tatsachen aus dem Inneren [des Iraks] - und ich
spreche hier von der arabischen Allgemeinheit und nicht von den
privilegierten Intellektuellen und Opportunisten - sie würden an der
Spitze der Demonstrationen stehen, die nach Veränderungen streben. Die
Frage aber ist: Wie können es die Millionen erfahren, solange ihnen die
Augen verbunden sind? Die arabischen Medien haben gegenüber dem Irak nie
eine gerechte Haltung eingenommen, obwohl sie anderen arabischen Regimen
gegenüber ins Schwanken kamen. Ihre Haltung ist eine Mischung aus
Naivität, Fanatismus und Geldern. Wie bedauerlich ist doch unsere
Situation."