MEMRI Special
Dispatch, 24. März 2003
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Reaktionen in
arabischen Medien auf die Entwicklungen im Irak
In den
arabischen Medien stand auch heute wieder die Berichterstattung über die
Entwicklung der Kampfhandlungen im Irak im Mittelpunkt des Interessen.
Zahlreiche Autoren diskutierten dabei erneut die Frage nach den
Hintergründen der US-geführten Intervention und den Zielen der
US-Regierung. Verschiedene Kommentatoren wendeten sich zudem der
Berichterstattung über den Konflikt zu und kommentierten sowohl die
US-amerikanische als auch die arabische Medienpolitik. Andere Kommentare
konzentrierten sich auf die Frage, welche Folgen der Konflikt für die
regionale und internationale Ordnung zeitigen wird.
Kritik des Krieges und der Kriegsziele
Die
palästinensische Tagezeitung al-Quds veröffentlicht in ihrer heutigen
Ausgabe einen Kommentar zu den Kriegzielen der US-geführten
Intervention. Die Zerstörungen und Tötungen von Zivilisten, über die in
den letzten Tagen berichtet wurde, ließen danach auf die eigentlichen
Ziele der USA und Großbritanniens schließen: "Je länger die
amerikanisch-britische Aggression gegen den Irak fortdauert, desto
deutlicher werden die Verbrechen, die die angreifenden
amerikanisch-britischen Truppen an den Zivilisten […] begehen."
Die Zerstörungen und Tötungen von Zivilisten "entblößen das hässliche
Gesicht hinter den Parolen, dieser zerstörerische Krieg solle das
irakische Volk befreien und ein demokratisches Regime errichten […]."
"Es ist lächerlich, wenn sich die Führer der amerikanischen Aggression
gegen den Irak, Donald Rumsfeld und seine Generäle, auf die Genfer
Konvention berufen. [...] Was ist das für eine Demokratie, die durch
amerikanisch-britische Kriege erzwungen werden soll? [...] Es handelt
sich schlicht um eine amerikanisch-britische Propagandalüge, die von den
arabisch-islamischen Völkern ebenso wenig geglaubt wird wie von den
Freien der Welt, die zu Millionen demonstrieren, um all jenen, die die
Menschheit unter der Parole ,Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie' ins
Zeitalter des Kolonialismus zurückwerfen wollen, eine kräftige Ohrfeige
zu verpassen."
In ähnlicher Weise kommentiert auch die saudische Wochenzeitung Okaz in
ihrer heutigen Ausgabe das Geschehen. Unter der Überschrift "Dies ist
kein sauberer Krieg" schreibt sie: "Wenn all dies [die Berichte der
letzten Tage] stimmt, wäre es dann nicht logisch zu sagen, der Sturz des
Regimes ist nicht das eigentliche Ziel, sondern nur eine Folge der
Besetzung des Irak? Die Besetzung des Iraks ist das Vorspiel für das
Unheil in der ganzen Region."
Reaktionen auf den irakischen Widerstand
Die
pro-irakische Tageszeitung aus London, al-Quds al-Arabi, kommentiert in
ihrer heutigen Ausgabe die Schwierigkeiten, mit denen die
US-amerikanischen und britischen Truppen insbesondere in der
südirakischen Stadt Umm Qasr konfrontiert sind. In seinem Kommentar hebt
der Chefredakteur der Zeitung, Abd al-Bari Atwan, zunächst die seriöse
Berichterstattung der irakischen Medien hervor, die - anders als
erwartet - auf US-amerikanische "Propaganda" mit der Präsentation von
Fakten reagiere.
Er fährt fort: "Wichtiger als all dies ist [jedoch] die wunderbare
nationale Einheit, die sich in allen irakischen Städten zeigt. Die
Schiiten, die die Mehrheit im Irak bilden, beweisen, dass sie
nationalistischer als alle anderen sind. Sie zeigen ihre große Loyalität
gegenüber ihrer Nation, ganz im Gegensatz zu dem, was Elemente der
irakischen Opposition, die mit Amerika in Verbindung stehen, uns glauben
machen wollten. […] Die Hinweise deuten darauf hin, dass ein irakisches
Vietnam begonnen haben könnte. […] Ebenso wie die ägyptischen Soldaten
den Arabern mit ihrem heldhaften Kampf im Ramadan 1973 ihr Vertrauen
zurückgaben, [...] so sind es die irakischen Soldaten, die die negativen
Folgen der schmächlichen Unterwerfung der irakischen Soldaten im
Kuwaitkrieg 1991 fortwischen werden."
Auch die libanesische Tageszeitung al-Safir stellt am 24. März 2003 den
Widerstand in den Vordergrund ihrer Berichterstattung. In einem Artikel
der Zeitung heißt es: "Umm Qasr war ein Vorbild des Widerstandes. [...]
Den Amerikanern wurde deutlich, dass der Weg nach Bagdad zwar schwierig
sein mag, dass es aber noch schwieriger sein wird, den Widerstandswillen
des irakischen Volkes zu brechen."
"Es stimmt, Umm Qasr ist klein, aber sie gewährte uns allen - wenn auch
nur für Tage - das Gefühl des ruhmvollen Widerstandes."
In einem anderen Artikel der libanesische Tageszeitung al-Nahar vom 24.
März 2003 berichtet Elly al-Hadj von der Situation in Kuwait. Er geht
dabei insbesondere auf den Konflikt zwischen dem kuwaitischen Regime und
der Stimmung in der Bevölkerung ein: "Die kuwaitischen Sicherheitskräfte
waren erleichtert als sie gestern erfuhren, dass es ein amerikanischer
Soldat war, der die Granate im Camp Pennsylvania an der irakischen
Grenze geworfen hatte. Der kuwaitische Militärsprecher war sichtbar
erleichtert als er erklärte, dass es sich hierbei um einen kriminellen
und nicht um eine terroristischen Hintergrund handelt."
In dem selben Artikel wird ein kuwaitischer Veranwortlicher mit den Worten
zitiert, wenn man die Bilder von den irakischen Opfern sehe, "sei es für
die Behörden eines jeden arabischen oder islamischen Landes schwierig,
die Kontrolle über die Empfindungen der Bürger zu behalten. […] Die
Behörden haben Angst, der irakische Präsident Saddam Hussein könnte - in
den Medien zumindest - die Initiative übernehmen. Und Saddam Hussein
kennt die Mittel der Propaganda, er wusste wie man die große
militärische Niederlage in einen Sieg verwandelt."
"Er fügte hinzu, seine Kollegen und er hätten ‚einen anderen Krieg
erwartet, einen schnellen Krieg, der nur einige Tage dauern würde. Was
aber im irakischen Umm Qasr geschah deutet darauf hin, dass dies für die
Amerikaner und Briten kein Spaziergang ist, sie werden nicht überall mit
Blumen empfangen. Anders als 1991 kämpfen die Iraker jetzt um ihr
Land.'"
Auf die Frage nach den Konsequenzen des Krieges für Kuwait, erklärte der
kuwaitische Verantwortliche: "'Der Araber macht nur Lärm. Der
Panarabismus und die Verträge zur gemeinsamen Verteidigung sind für uns
seit 1991, als wir Angriffen und Besetzung ausgesetzt waren und die
Araber die Verträge nicht einhielten, nichtig. Das Äußerste, was
passieren könnte, ist dass der Rat der Arabischen Liga oder die
arabischen Gipfel Erklärungen verabschieden könnten, die das Geschehen
verurteilen. Das ist leeres Gerede. In Wirklichkeit kann kein arabisches
oder islamisches Land gegenüber den Amerikanern bestehen. Die
amerikanischen Armeen sind in den Irak von allen Seiten eingedrungen,
aus Jordanien, Saudi Arabien und der Türkei, abgesehen von Kuwait.'"
Die Haltung der arabischen Institutionen und der Irak-Konflikt
Die Tageszeitung al-Sharq al-Awsat aus London berichtete auch am 24. März
2003 erneut kritisch über die Haltung der arabischen Medien gegenüber
dem Geschehen. Wie bereits mehrfach in den letzten Wochen krisierte der
Chefredakteur der Zeitung, Abd al-Rahman al-Rashid, erneut die mangelnde
Bereitschaft, sich der Stimmen der irakischen Opposition sowie der Opfer
des Regimes im Irak anzunehmen: "Was geschah mit den vier Millionen
Irakern, die vor dem gegenwärtigen System flohen, die alle nur eins
fordern, das Ende des jetztigen Regimes? Alles was man zeigt sind die
Stimmen der anderen Araber, der Syrer, Saudis, Ägypter und
Palästinenser."
"Warum hören oder sehen die Araber diese Stimmen nicht? Der Grund ist die
Blockade, die die arabischen Kultur- und Medienmilizen gegen jeden
aussprach, der seine Stimme gegen das Regime in Bagdad erhebt."
Aus einer anderen Perspektive kritisiert der renommierte Kommentator
George Haddad in der halboffizielle jordanischen Tageszeitung al-Dustur
die Haltung der arabischen Institutionen zum Konflikt. In einem
Kommentar vom 24. März 2003 kritisiert er u.a die Reaktionen der
Arabischen Liga. Über die immer wieder geäußerten Hoffnungen, die
arabischen regionalen Organisationen könnten eine einheitliche Position
formulieren und der Politik der USA sowie der "zionistischen
Verschwörung" etwas entgegen setzen, schreibt Haddad: "Haben wir
vergessen, dass die Arabische Liga selbst, ihre Idee und Organisation,
ein Produkt des britischen Kolonialismus ist, mit der die Zerstückelung
gesichert und die Einheit der arabischen Länder, die mit dem Dolch der
Vereinbarungen von Sykes-Picot zerschnitten wurde, verhindern werden
sollte."
In einem Artikel über das kurdische Newroz-Fest berichtet die libanesische
Tageszeitung Daily Star am 24. März 2003 von den Feierlichkeiten im
Libanon, an denen etwa 3000 Kurden teilnahmen. Bei den Feierlichkeiten
stand danach die Solidarität mit der irakischen Bevölkerung sowie die
Ablehnung des Krieges im Mittelpunkt der Beiträge. In einer verlesenen
Rede des in der Türkei inhaftierten Abdullah Öcalan hieß es zu den
Entwicklungen im Irak: "Newroz ist der Frühling für die Völker des Nahen
Osten. Ich grüße den Frühling aller Völker der Welt zum Newrozfest 2003.
So wie der Frühling Europas im Jahre 1950 begann, wird der Frühling des
Nahen Ostens mit dem Jahr 2003 beginnen."
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH
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