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Wir wollen einen
völlig souveränen Irak

Von THOMAS SCHMIDINGER

Die Perspektiven des Nachkriegs-Irak und die österreichische Linke. Ein Volksstimme-Interview mit zwei irakischen Kommunisten.

Drei Monate nach der Eroberung Bagdhads durch die US-Streitkräfte wurde im Irak ein provisorischer Regierungsrat gegründet. Auch die Irakische Kommunistischen Partei ist mit Hamid Musa in diesem Gremium vertreten. Was hat euch bewogen an diesem Gremium teilzunehmen und welche Politik verfolgt ihr darin?

Kasim Talaa (Irakische Kommunistische Partei): Die USA hatten bei den Oppositionskonferenzen in London und Salah ad-Din, an denen die Kommunistische Partei nicht teilgenommen hat, der Opposition versprochen, eine demokratische Übergangsregierung zu bilden, die eine Verfassung ausarbeiten und eine demokratische Wahl vorbereiten soll. Nach dem Sturz der Regierung haben die USA dieses Versprechen jedoch nicht gehalten, sondern wollten ein Komitee mit "unabhängigen" Mitgliedern bilden, das die US-Vorhaben in Bagdhad umsetzen sollte. Ein zweites Komitee hätte aus 25 Personen bestehen sollen, die die Verfassung eines zukünftigen Irak ausarbeiten sollten. Dieser Vorschlag wurde von allen irakischen Parteien abgelehnt. Die Kommunistische Partei will eine Konferenz, auf der sich alle Parteien auf ein Siebenpunkteprogramm einigen:

1.) Bildung einer Übergangsregierung - unter Mitwirkung aller politischen Kräfte des Irak.
2.) Wiederaufbau einer Infrastruktur und der lokalen Verwaltung.
3.) Stabilisierung der allgemeinen Sicherheit.
4.) Entwurf einer Verfassung.
5.) Anerkennung der föderalistischen Eigenverwaltung des kurdischen Volkes.
6.) Vorbereitung freier demokratischer Wahlen - welche unter internationaler Beobachtung stattfinden sollen.
7.) Anerkennung der Rechte und Forderungen der ethnischen und religiösen Minderheiten.

Leider hatten wir mit diesen Forderungen keinen Erfolg. Nachdem die anderen irakischen Parteien die KP gebeten hatten, am Übergangsrat teilzunehmen, und die Amerikaner bemerkt haben, dass sie ohne die Kommunistische Partei keine repräsentative Regierung zusammenbringen, haben sie eine Delegation zum Generalsekretär der KP geschickt und uns gebeten, am provisorischen Regierungsrat teilzunehmen. Nachdem der Übergangsrat dann doch mehr Kompetenzen zugestanden bekommen hatte, entschlossen wir uns, daran teilzunehmen. Wir haben uns geeinigt, dass spätestens 2004 eine Verfassung für den Irak ausgearbeitet werden und eine Wahl unter internationaler Beobachtung stattfinden soll.

Wir arbeiten also im Rat mit, weil er schließlich doch mehr Kompetenzen zugestanden bekam und ein unabhängiges irakisches Gremium darstellt. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb unsere Ziele aufgegeben hätten. Wir hoffen nur, diese durch unsere Mitarbeit im Regierungsrat verwirklichen zu können.

Die Kommunistische Partei Kurdistans hat keinen eigenen Sitz im Regierungsrat. Kann sie trotzdem Einfluss auf die Politik des Rates nehmen?
Nasi Missouri (Kommunistische Partei Kurdistans): Die Kommunistische Partei Kurdistans hat sich schon vor dem Krieg mit den anderen kurdischen Parteien zusammengeschlossen, und die fünf kurdischen Vertreter im Rat vertreten nicht nur ihre Parteien, sondern den gesamten Zusammenschluss der Kurden.

Antiimperialistische Linke aus Österreich haben euch teilweise wegen der Beteiligung im Übergangsrat als "Kollaborateure mit den USA" bezeichnet und berufen sich dabei auf verschiedenste Splittergruppen der Kommunistischen Partei. Was habt ihr dazu zu sagen?
Kasim Talaa: Dass wir im Rat mitarbeiten, heisst nicht, dass wir mit dem, was die USA machen, einverstanden sind. Wir wollen einen völlig souveränen Irak und den Abzug der Besatzungstruppen. Dafür kämpfen wir mit politischen Mitteln. Wir glauben, dass dieses Ziel mit politischen Mitteln erreichbar ist - und Widerstand zu leisten heißt für uns nicht notwendigerweise, Gewalt anzuwenden. Solange politisch etwas zu erreichen ist, werden wir sicher keine Gewalt anwenden. Aber es gibt Demonstrationen im Irak und diese sind Teil des politischen Lebens im neuen Irak.

Nasi Missouri: Der Irak, in dem 35 Jahre die Baathisten regiert haben, ist nun völlig zerstört. Die Irakis brauchen deshalb heute einen Wiederaufbau des Landes und keinen gewaltsamen Widerstand. Ein Land mit so vielen politischen Kräften und so wenig demokratischer Tradition ist viel zu sensibel, um nun den bewaffneten Widerstand zu beginnen. Der Irak liefe dabei leicht Gefahr, Opfer der Nachbarstaaten zu werden und zu zerfallen.

Und diese Splitterguppen, die sich als Kommunistische Parteien bezeichnen?
Kasim Talaa: In jedem Land gibt es Splittergruppen von kommunistischen Parteien. Sie haben keine Bedeutung. Manche von diesen Gruppierungen verlangen einen gewaltsamen Widerstand - aber das ist in der gegenwärtigen Situation keine Lösung.

Nasi Missouri: Diese Splittergruppen waren im Irak jahrzehntelang nicht zu sehen, haben keinen Widerstand gegen das Baath-Regime geleistet. Nun tauchen sie plötzlich aus dem Nichts auf und wollen eine politische Rolle spielen. Sie haben jeweils nur einige Vertreter in wenigen Orten im Exil. Im Irak selbst sind lediglich unsere beiden Parteien vertreten.

Die österreichische "Antiimperialistische Koordination" (AIK) hat vor kurzem einen Herrn al-Kubaysi als Vertreter des irakischen "Widerstands" nach Wien gebracht und sammelt nun Geld für diesen Widerstand. Was ist davon zu halten?
Kasim Talaa: Die Einladung Kubaysis ist ein Beweis für die Zusammenarbeit der AIK mit dem ehemaligen irakischen Regime. Al-Kubaysi ist ein Mitglied der Baath-Partei. 1963 war er schon am baathistischen Putsch beteiligt. Damals war er einer der bewaffneten militanten Nationalisten, die mit Gewalt gegen Kommunisten, Demokraten und das gesamte irakische Volk vorgingen, wobei 17000 Menschen innerhalb einer Woche umgebracht wurden.

Wenn al-Kubaysi wirklich für das Volk kämpfen möchte, frage ich mich wo seine Stimme war, als die Baathisten in Halabja innerhalb von 5 Minuten 5000 Menschen ermordeten. Oder wo war er während der Anfal-Kampagne gegen das kurdische Volk, aus der noch immer 180000 Menschen vermisst werden. Wo war er, als es 1991 zum spontanen Aufstand gegen das Regime kam und das Regime tausende unschuldige Menschen erschießen ließ? Alle politische Kräfte der damaligen Opposition im Ausland hatten verlangt, den irakisch-iranischen Krieg zu beenden und haben gegen die Massaker dieses Krieges, der einer Million Menschen das Leben gekostet hat, demonstriert. Von al-Kubaysi und seinen Anhängern, wenn er denn welche hatte, haben wir dazu keinen Ton gehört. Bevor die US-Truppen Bagdhad erobert haben, haben fast alle politische Käfte versucht, das Regime in Badghad zu stürzen. Von al-Kubaysi war diesbezüglich nichts zu sehen.

Als die AIK al-Kubaysi nach Wien eingeladen hatte, waren keine 10 Leute auf dieser Veranstaltung, fünf davon waren von der irakischen Opposition, die versucht haben mit ihm zu diskutieren. Kubaysi hat auf ihre Fragen nicht geantwortet, worauf sie den Raum verließen.

Kubaysi hat behauptet, dass die USA Bagdad eingenommen haben, weil innerhalb des Regimes Verrat begangen wurde. Das ist schlicht gelogen. Das Regime hat vom Volk keine Unterstützung mehr bekommen, das Volk war vielmehr froh, das Baath-Regime los zu werden. Äußerungen wie jene Kubaysis sind dementsprechend nichts anderes als Rechtfertigungen für das ehemalige faschistische Regime in Bagdad.

Auch die AIK selbst hat nie etwas gegen die Massaker in Halabja oder die Anfal-Kampagne gesagt, sondern vielmehr das Saddam-Regime unterstützt.

Der Chef der AIK hat allerdings einmal behauptet, nicht das Regime in Bagdad zu unterstützen. Als Beweis meinte er, seine Bewegung hätte mehrere Artikel gegen das Regime in Bagdad geschrieben. Ich würde diese Artikel gerne einmal sehen. Ich kenne ganz andere Artikel der AIK. Als der AIK-Boss zum Beispiel einmal im Irak war, hat er sich mit Vizepräsident Tariq Aziz getroffen. (Fotos von diesem Treffen auf der AIK-Website www.antiimperialista.org)

Nasi Missouri: Die AIK sollte sich besser in Antimenschliche Koordination umbenennen. Sie hat mit einem Regime zusammengearbeitet und es unterstützt, das 35 Jahre Kriege und Massaker gegen das eigene Volk geführt hat. Bis jetzt wurden 200 Massengräber gefunden, über 300000 Menschen sind verschwunden und über 4 Millionen Iraker leben als Flüchtlinge im Ausland. Diese Organisation hat trotzdem mit dem Baath-Regime zusammengearbeitet und arbeitet heute immer noch mit den Resten dieses Regimes zusammen. Die AIK hat bei jeder Demonstration für das irakische Regime teilgenommen. Sie habenzudem stets die Fahne des irakischen Regimes mit dem Spruch "Allah Akbar" am Volksstimmefest aufgehängt.

Darüberhinaus hat die AIK immer gegen die irakische Opposition in Wien gearbeitet, die irakischen Kommunisten und kurdischen Parteien öffentlich diffamiert und ihre Aktivitäten verhindert.

Dagegen haben sie dem Bagdader Regime Solidaritätsbesuche abgestattet. Sie waren nie solidarisch mit dem irakischen Volk, sondern mit dem Regime Saddam Husseins.

Kasim Talaa: Wenn die AIK irgendwann einmal bemerken sollte, dass sie Unrecht getan hat, sollte sie einen offenen Brief an das irakische Volk schreiben und sich entschuldigen.

Für das heurige Volksstimmefest hat die AIK angekündigt, Geld für den irakischen "Widerstand" zu sammeln.
Nasi Missouri: Wenn sie wirklich solidarisch mit dem irakischen Volk sein wollen, sollen sie Geld für die Verbesserung der humanitären Situation des Landes sammeln und nicht für die Zerstörung der Infrastruktur und die Ermordung von Menschen.

2003-08-21 / THOMAS SCHMIDINGER

hagalil.com 31-08-2003

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