One Year After - PRO:
Ein Jahr nach dem Sturz Saddam Husseins
Von Thomas von der Osten-Sacken, Arbil
Es gibt trotz der beunruhigenden Nachrichten aus
dem Irak viele gute Gründe den 9. April als neuen irakischen
Nationalfeiertag zu begehen. Wer noch Zweifel an der Richtigkeit des
vor einem Jahr erfolgreich beendeten Sturzes Saddam Husseins hegte,
den müssten spätestens die Bilder aus Falluja, wo im Andenken an den
verblichen Hamas Führer Skeikh Yassin vier Mitarbeiter einer
amerikanischen Sicherheitsfirma in einer Weise abgeschlachtet und
verstümmelt wurden, die selbst die saudischen ArabNews als
"Bestialität in Reinform" bezeichneten, eines Besseren belehren.
In den Gesichtern der Jugendlichen von Falluja,
während sie sich mit zerfetzte Körperteilen in den Händen vor den
Kameras posierten und dabei Allah und Arabien priesen, konnte man
studieren, wie die Zukunft des Irak ausgesehen hätte, wäre Saddam an
der Macht geblieben. Auf die Väter dieser Helden des "irakischen
Widerstandes" hatte sich der baathistische Terrorapparat gestützt;
ein Großteil jener Spitzel, Folterknechte und Offiziere der
Republikanischen Garden, die Hunderdtausende ihrer Landsleute
jahrzehntelang ermordeten, folterten und verstümmelten, stammte aus
Falluja. Vor wenigen Monaten
erklärte der deutsche Außenminister, die Entwicklung im Irak hätte
ihm in seiner Ablehnung des Krieges Recht gegeben. Wohlweislich
unterzog er sich nicht der Mühe mit einem alternativen Szenario
aufzuwarten. So verharrt das "Alte Europa" in moralisch verbrämter
Besserwisserei und meint, jeder blutige Anschlag gegen Amerikaner,
irakische Zivilisten oder Hilfsorganisationen bestätige gar im
Nachhinein die These, der Krieg sei ein Fehler gewesen. Verschwiegen
wird, dass der Lynchmob in Falluja sich nicht in über Nacht in
Gegnerschaft zum Krieg bildete, sondern als genuines Produkt
35jähriger baathistischer Herrschaft betrachtet werden muss, an
deren mühsamer Überwindung die Koalition gemeinsam mit der Mehrheit
der der Irakis seit einem Jahr arbeiten.
Hätte vor einem Jahr die "Achse des Friedens", wie
jenes deutsch-französich-russische Bündnis gegen den Krieg sich
nannte, seinen Willen durchgesetzt, die Täter aus Falluja wären
längst verbeamtet und lebten ihren Sadismus in einem der unzähligen
Folterkeller des Landes aus. Es wären auch keine Spezialisten
unterwegs, die die bislang entdeckten 270 Massengräber
exhuminierten, im Gegenteil: ohne dass es eine Demonstration in
Berlin, London oder Rom dagegen gäbe, würden überall im Lande neue
angelegt werden.
Die irakische Bevölkerung dagegen darbte weiter unter
UN-Sanktionen und einem Oil-for Food Programm, das vornehmlich der
Selbstbereicherung des Regimes diente und - wie sich langsam
herausstellt - zu dem bislang größten Korruptionsskandal in der
Geschichte der Vereinten Nationen geführt hat, in den nicht nur Kofi
Annans Sohn, sondern von der östereichisch-arabischen Gesellschaft
über französische und russische Regierungsmitglieder bis hin zu
Embargogegenern wie der ehemalige UN-Koordinator Dennis Halliday
eine Vielzahl mehr oder weniger respektabler Personen verstrickt
sind.
Auch Hans Blix' UN-Inspekteure suchten wohl weiter
nach Massenvernichtungswaffen. Es ist nicht anzunehmen, dass, selbst
wenn er sie wirklich zerstört hat, Saddam Hussein dies je zugegeben
hätte. Zu groß war seine Angst nicht nur vor einem Prestigeverlust
in der arabischen Welt, sondern vor der eigenen Bevölkerung, die vor
allem deshalb keinen Aufstand mehr wagte, weil sie ein erneutes
Bombardement mit chemischen Waffen fürchtete. Hätten die Inspekteure
ihm eines Tages, auch auf Druck von Frankreich und Russland, doch
das Zertifikat ausgestellt, sein Land sei Massenvernichtungswaffen
frei, einer vollständigen Wiedereingliederung des Irak in die
"internationale Gemeinschaft" hätte nichts mehr im Weg gestanden.
Die Flugverbotszone über dem Nordirak wäre gefallen und die
irakischem Kurden einmal mehr in ihrer Geschichte der Rache des
Regimes ausgesetzt worden.
Was die UN in einem solchen Falle unternehmen, wissen
die Menschen im Irak aus eigener Erfahrung, ohne sich näher mit der
Geschichte Ruanda befassen zu müssen. Erst kürzlich wurde in Bagdad
eine Studie veröffentlicht, der zu Folge jeder zweite Bewohner des
Südirak in den letzten zehn Jahren misshandelt wurde. Saddam Hussein
und nicht nur er, sondern alle Islamisten und Panarbisten der
Region, hätten, wäre er Wirklichkeit geworden, den auf europäischen
Straßen und Regierungsetagen geforderten Frieden als "Mutter aller
Siege" über die USA und Israel gefeiert. Sein Regime, das der nach
Jahrzehnten in den Irak zurückgekehrte Autor von "Republic of Fear",
Kanan Makiya, als ein vormals totalitäres beschrieb, das sich
zwischenzeitlich in einen vollkommen kriminellen Staat verwandelt
habe, der zusammengehalten wurde nur durch Angst, Terror und
Komplizenschaft, hätte erneut den Führungsanspruch in der arabischen
Welt reklamiert. Hymisch besungen wäre Saddam Hussein als moderner
Salehdin daran gegangen seine Unterstützung palästinensischer und
anderer Terrorgruppen zu intesivieren, die heute vergeblich auf die
großzügigen Schecks aus Baghdad warten.
Europa aber hätte die selbe bittere Erfahrung machen
müssen, wie Spanien dieser Tage, dass nämlich weder dem
Islam-Faschismus noch den panarabischen Nationalisten mit
Appeasement beizukommen ist. Denn gestärkt von Saddams Sieg und
zugleich in wohlwollender Konkurrenz wären die Anschläge der Al
Qaida weitergegangen, begründet mit dem Embargo gegen den Irak oder
der Anwesenheit amerikanischer Soldaten in Saudi Arabien. All jene
dagegen, wie schwach auch immer sie noch sein mögen, ob irakische,
iranische oder syrische Oppositionelle, die die im Nahen Osten
herrschenden Verhältnissen mit Ideen von Freiheit und Demokratie
verändern wollten, wären für die nächsten Jahre verstummt.
Leicht gekürzt erschienen erschienen in:
Die Welt vom 08.04.2004
One Year After - CONTRA:
Oder: Der Marsch der Torheit
Was nun im Irak geschieht, war absolut vorauszusehen. Es wiederholt
sich genau das, was uns im Libanon widerfahren ist...
hagalil.com
14-03-2004 |