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Scheitern als Chance:
Die Folgen deutscher Irakpolitik

Von Thomas Uwer und Thomas von der Osten-Sacken

"Von der arabischen Wüste her wehte der Wind den feinen gelben Staub herüber, der, beim Hinweggleiten über den breiten Meeresarm mit Feuchtigkeit gesättigt, wie ein schwerer atembeklemmender Nebel über der in Gluthitze brütenden Hafenstadt Buschir am Persischen Golf lagerte." Mit Mühe versucht der Biograph Stimmung zu erzeugen. Es ist Frühjahr 1915, sein Held, Konsul Wilhelm Waßmuss, verlässt gerade das Persische Buschir und da ihm dort niemand nachtrauert, lässt er die Landschaft in Trübsinn verfallen.

Dass Dagobert von Mikusch, Autor des 1937 in Berlin erschienenen Bändchens "Waßmuss, der deutsche Lawrence", seine Heldenbiographie mit einer derart bemühten Naturbetrachtung beginnt, entspricht der Konvention. Denn wo immer sich deutsche Diplomaten und Forscher an "ihren" Orient erinnern, tun sie dies in Zwiesprache mit der Natur, in der sie immer fort sich selbst entdecken. "Waßmuss fühlte", heißt es weiter, "daß mit dem Glauben an eine vom Geschick auferlegte Aufgabe die Frage von Recht und Unrecht sich auf eine andere Ebene verschob, sich heraushob aus der privaten Sphäre, auf die er selbst mangels einer seinem Volk zum Bewusstsein gekommenen höheren Bestimmung angewiesen blieb. Er selbst hegte deshalb so rege Sympathie für die Perser, weil es sich um ein unterdrücktes Volk handelte." Und ein ebensolches, dies ist der eigentliche Sinn des Fühlens und Ahnens, sind die Deutschen auch.

So voller "Sympathie" für die Perser war Waßmuss, dass er äußerlich kaum mehr unterscheidbar war von jenen Stämmen, deren Aufstand gegen die britischen und russischen Imperialisten er sich im Dienste des deutschen Kaisers über zwei Jahrzehnte verschrieben hatte. Er reiste in Stammestracht durchs Land, verteilte in Berlin gedruckte islamische Schriften und organisierte den Heiligen Krieg gegen das britische Empire. "O Perser", rief er aus, "jetzt ist es an der Zeit, euch der heiligen Sache zu weihen! Schreckt ihr jetzt, wo der gesamte Islam vom ungläubigen Feind bedroht wird, vor dem Opfer zurück? Was wollt ihr dann dem Propheten am Tage des Gerichts antworten?" Mehr als vor dem Tag des Gerichts schreckten die meisten seinerzeit jedoch vor Waßmuss zurück, weshalb sein Plan, Großbritannien und Russland aus der Golfregion zu verdrängen und einen deutschen Platz an der Sonne zu schaffen, scheiterte. Konsul Waßmuss wurde des Landes verwiesen, kehrte später als Privatmann zurück und scheiterte erneut, diesmal bei dem Versuch, eine deutsche Agrarsiedlung im Iran aufzubauen. Was blieb, waren die Erinnerungen eines Mannes mit höherer Aufgabe und die Idee einer indo-germanischen Sendung, die in den antikolonialen Kreisen Teherans bis hinauf zu Rezah Schah sich in das Selbstverständnis der jungen iranischen Nation einfraßen und in den 30er Jahren, unterstützt von Deutschland, in einem bizarren Arier Kult kulminierten.

Die Konvention hat Bestand. Fast hundert Jahre später wirkt diese kleine Episode aus der Geschichte deutscher Orientpolitik wie ein Lehrstück zur jüngsten Nahostpolitik. Mit der Verkündung eines "deutschen Wegs" durch Gerhard Schröder im vergangenen Jahr hat sich die deutsche Außenpolitik auf die Spuren der Vergangenheit begeben. Zweimal in der Geschichte hat sich Deutschland auf der Seite der "unterdrückten Völker" des Nahen Ostens engagiert – unter Kaiser Wilhelm II und dessen "Drang nach Osten" sowie unter Adolf Hitler. Beide hatten sich zur Durchsetzung ihrer Ziele nationalistischer und antibritischer Bewegungen nicht nur bedient, sondern entscheidend an ihrer ideologischen Entwicklung und Radikalisierung mitgewirkt. Wie Reminiszenzen an vergangene Tage wirkten daher nicht nur der Vorwurf, der US-Regierung sei es lediglich um die irakischen ?lquellen gelegen, und der transatlantische Streit, den die kompromisslose Haltung der Bundesregierung ausgelöst hat, sondern auch jener an den Tag gelegte Rigorismus, selbst dann noch an dem bereits eingeschlagenen Kurs festzuhalten, wenn dieser sich längst als falsch oder doch zumindest schädlich herausgestellt hat.

Denn misst man das Erreichte an den erklärten Zielen, so weist die jüngste deutsche Irakpolitik eine derart klägliche Bilanz auf, dass es in der Tat fraglich erscheint, welchen Vorteil sich die Regierung Gerhard Schröders von diesem "deutschen Weg" versprochen hat. Von ihrem Vorhaben, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen jedenfalls haben sich die Vereinigten Staaten genauso wenig abbringen lassen, wie die Vereinten Nationen der deutschen Voraussage folgen wollten und in Staub zerfielen. Vom deutschen Projekt einer "gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik" unter dem Vorsitz von Außenminister Fischer indessen ist kaum mehr die Rede, seit sich herausgestellt hat, dass ein nicht unerheblicher Teil Europas in außenpolitischen Fragen von Bedeutung den Amerika eher traut, als den europäischen Führungsmächten Deutschland und Frankreich, die sich von einem regelrechten Cordon Sanitaire der "Koalition der Willigen" umschlossen fanden. Die deutsche Wirtschaft, die gerade dabei war, den irakischen Markt wieder für sich zu erschließen, wird auf absehbare Zeit einen schlechten Stand haben, wenn es darum geht, mit der künftigen irakischen Regierung ins Geschäft zu kommen.

Erfolg hatte Schröder hingegen wo anders. Die deutsche Weigerung, den Sturz Saddam Husseins zu unterstützen oder doch wenigstens hinzunehmen, wurde nicht zufällig als Unterstützung von genau jenen empfunden, die eine Demokratisierung der arabischen Staaten des Nahen Ostens am meisten fürchten. Als am 9. April amerikanische Truppen in bagdad einmarschierten und 30 Jahre Ba’thdiktatur beendeten, reagierte die deutsche ?ffentlichkeit in ähnlich geschockt, wie die Regimes des Nahen Ostens. "Was die Befreiung anbetrifft", sagte Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, "so glücklich wollte dieses Volk nicht aussehen, auch nicht jene US-gestützten Straßengangs von männlichen Jugendlichen." Die zugrundliegende Vorstellung, wonach nicht die Freiheit von Diktatur, sondern das Ende fremder Besatzung "Befreiung" ist, teilt sie mit arabischen Nationalisten und Islamisten.

Es mag an der Tendenz der Geschichtsschreibung liegen, Taten an ihren unmittelbaren Ergebnissen zu messen und nicht am Willen der Beteiligten, dass dem deutschen Wirken im Nahen Osten wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In der Tat könnte man das Scheitern diplomatischer und militärischer Unternehmungen zum eigentlichen Markenzeichen deutscher Orientpolitik erklären. Von Wassmuss’ Perseraufstand über die berühmte Afghanistanexpedition oder die pénétration pacifique des Osmanischen Reiches unter Kaiser Wilhelm II endeten die militärischen und diplomatischen Abenteuer in Nahost regelmäßig im Desaster. Leichthin wird daher übersehen, dass der Kampf um deutsche Interessen in Nahost auch im Namen einer historischen Mission geführt wurde, in der sich Deutschland an die Seite der unterdrückten Perser, Muslime und später Araber geschlagen sah. Gerade die Misserfolge deutscher Nahost-Eroberung stellen das Kapital dar, mit dem die deutsche Außenpolitik immer wieder erfolgreich um die Gunst panislamischer und nationalistischer Bewegungen buhlte und die dem Berliner Außenamt bis heute in der Region den Ruf eines "ehrlichen Maklers" ohne koloniale Vergangenheit beschert.

Wie wirkungsvoll die deutsche Nahostpolitik auch dann war, wenn sie ihre unmittelbaren politischen und militärischen Ziele verfehlte, zeigt das Beispiel des Diplomaten Dr. Fritz Grobba, der von 1932 bis 1941 deutscher Geschäftsführer in Bagdad war und dort jene arabischen Nationalisten unterstützte, die im Irak seit 1936 in immer kürzeren Abständen Regierungen einsetzten und wieder stürzten. Wer nicht gleich im Sold der deutschen Botschaft stand, suchte doch zumindest deren ideelle Unterstützung, um sich gegen die wachsende pro-deutsche Falange abzusichern. Zum Ende der dreißiger Jahre wurde im Irak keine Regierung mehr gebildet, an deren Zusammensetzung das deutsche Außenamt nicht wenigstens durch Konsultationen beteiligt war. Als Grobba und sein Stab 1941 den Irak verließen, befanden sie sich auf der Flucht vor britischen Truppen. Sie hinterließen ein Land, das mit ihrer Unterstützung nicht nur die erste faschistische Diktatur der Region erlebt hatte, sondern in dessen Politik der Antisemitismus als feste Größe eingeführt war.

Natürlich hatte sich Grobba einen handfesteren Erfolg gewünscht. In den arabischen Nationalisten sah das Auswärtige Amt Verbündete im Kampf um die Vorherrschaft in der Mittelmeerregion. "Selbst wenn die arabische Freundschaft zu Deutschland von eigenen Interessen geleitet ist," berichtete Grobba seinem Dienstherren in Berlin, "so ist sie doch ein wichtiger Faktor, aus dem wir sowohl politischen, als auch ökonomischen Nutzen ziehen können." Ein Aufstand der Araber in den Kolonien und Mandatsgebieten, so hoffte Grobba, würde Frankreich und Großbritannien empfindlich schwächen. Deutsche Agenten unterstützen daher vom Maghreb bis in den östlichsten Teil der arabischen Halbinsel antikoloniale arabische Bewegungen. "Dieselben Agenten, die ... in Palästina gearbeitet haben – gegen die Juden, aber auch gegen die Engländer – arbeiten heute in Algerien – gegen die Juden, aber auch gegen die Franzosen", wird bereits 1937 in der Jüdischen Revue die deutsche Propaganda beschrieben. Grobba sah, wie viele andere, in den nationalistischen Bewegungen der arabischen Halbinsel allerdings durchaus nicht nur Verbündete im Kampf gegen die Westalliierten, sondern Brüder im Geiste. In dem 1939 erschienen Buch "?lkrieg" beschreibt Anton Zischka, woraus die deutsche Liebe zu den Arabern entsprang: "Der Kampf um das ?l Mesopotamiens, um die Bagdadbahn und damit den Persischen Golf, war nur der Auftakt eines viel grausigeren Kampfes gewesen. Der "Drang nach Osten" war ja den Engländern längst ein Dorn im Auge und nicht der unwesentlichste Grund zur Weltkriegseinkreisung." Deutschland und Arabien erschienen dieser Fraktion der Nationalsozialisten als im gleichen Kampf um Raum und gegen die Macht internationaler Finanzmagnaten zu stehen. Lange allerdings fehlte ihnen die volle Unterstützung Adolf Hitlers, der erst in seinem berüchtigten Testament aus dem April 1945 es als Fehler bezeichnete, den arabischen Freiheitskampf nicht aus vollem Herzen unterstützt zu haben, sich Mitte der 30er Jahre allerdings über die Araber noch als "bemalte Halbaffen" ausließ.

Es gab allerdings eine bedeutende Gruppe innerhalb der deutschen Regierung, die schon früh auf ein deutsch-arabisches Kampfbündnis setzte. 1934 veröffentlichte das Reichspropagandaministerium ein Memorandum zur "kulturellen Propaganda" gegenüber "Ländern und Völkern in unserem Interesse", in dem die gezielte ideologische Anbindung nationaler und pan-Bewegungen an Deutschland propagiert wird. "Muß die Tatsache also noch bewiesen werden," heißt es dort, "daß Jugoslawen, Bulgaren, Türken und Ägypter, die deutsche Schulen besucht haben oder wenigstens deutschen Unterricht genossen oder an deutschen Universitäten studierten, weniger kosten und weitaus einflußreicher sind, als eine ganze Armee von Vertretern und Agenten für deutsche pharmazeutische Waren?" - im Falle des Irak sicherlich nicht. Die Bedingungen, auf die der Botschafter Grobba und seine Agenten in Bagdad stießen, waren mehr als günstig. Der Irak war von den Briten bei seiner Gründung unter die Regentschaft des Hashemiten-Königs Faisal gegeben worden, der für die Aufteilung der Region zwischen Frankreich und Großbritannien im Sykes-Piquot Abkommen entschädigt werden sollte. In London erhoffte man sich so die Gunst der panarabischen Elite zu erwerben, deren von Faisal angeführten Aufstand gegen die Osmanen man einst unterstützt, später aber fallen gelassen hatte. Statt Gunst jedoch beherrschten Unzufriedenheit und antibritische Sentiments die Eliten. Die neue Staatsklasse rekrutierte sich aus Offizieren und Beamten, die den Irak von Beginn an als unzureichenden Ersatz empfanden und deren eigentliches Ziel weit über die nationalen Grenzen hinaus in einem arabischen Großreich lag. Deutschland galt hier, nicht nur aufgrund der Erfahrungen, die viele Offiziere mit der preußischen Militärschule im Osmanischen Reich gemacht hatten, als Vorbild für die eigenen großarabischen Ambitionen. Die Araber standen vor dem Problem, daß "sie keinen ‚arabischen’ Staat hatten", erklärt der Historiker Reeva Simon die germanophile Disposition der Panarabischen. Das bürgerlich-republikanische Nationsmodell, das die Existenz eines legalen Staates voraussetzt, kam für sie schon von daher nicht in Frage. "Nichtsdestotrotz waren sie (nach ihrer Vorstellung) eine Nation." Der kututuralistische deutsche Nationalismus, "mit seiner Trennung von Nation und Staat, von kulturellem ‘Sein’ und legalen Institutionen, wurde folgerichtig zum Vorbild." Deutschland und die "arabische Nation" hatten aus dieser Perspektive auch gemein, daß ihr nationales Programm an der Intervention der selben westlichen Staaten gescheitert war.

Auch das schwerwiegende Manko des arabischen Nationalismus, aus der Niederlage heraus einen Nationalbegriff zu entwickeln, hatte Deutschland in den Augen der Panarabischen beispielhaft gelöst, das sich nach der Niederlage im Ersten Weltkrieges erneut zu einer Großmacht entwickelt hatte. So entwarf der Theoretiker des arabischen Nationalismus, Sa'ti Husri, eine fast mystische arabische Kulturnation, die nur äußerlich durch nationale Grenzen voneinander getrennt sei. Husri, zu dessen Vorbildern neben Herder, Fichte und Ernst Moritz Arndt auch der radikale Antisemit und Pangermane van Schönerer zählte, waren die aus dem Kolonialismus hervorgegangenen neuen Staaten genauso verhasst, wie die nicht-arabischen Minderheiten, die innerhalb dieser einen Anspruch auf Macht erhoben. "Husrismus" bemerkte ein ägyptischer Autor damals, "drückt das Gefühl aus, daß die Arbeit für das Wohl der arabischen Nation die Annahme einer feindseligen Haltung gegenüber allen nicht arabischen Elementen verlangt, gleich ob diese innerhalb des arabischen Raumes leben oder außerhalb." Diese Feindseeligkeit richtete sich bei Husri, der engen Kontakt zur deutschen Gesandtschaft in Bagdad unterhielt, seit Mitte der Dreißiger immer offener gegen die Juden.

Erleichtert wurde die Arbeit deutscher Agenten auch durch die Widersprüche der imperialen britischen Politik. Formal unabhängig, waren der irakische Staat und seine militärisch-bürokratische Elite in der politischen Praxis nach wie vor weitgehend an Großbritannien gebunden. Innerhalb der Nomenklatura des Staates scheiterte der vor allem gegen die Briten gerichtete Panarabismus immer daran, daß seine Träger im Alltag praktisch ständig mit ihren Feinden kooperieren mußten. Die Arbeit der deutschen Vertretung in Bagdad konzentrierte sich daher vor allem auf jene marginalisierten Zirkel arabischer Nationalisten, die im Hinblick auf die jüdische Immigration in Palästina offen mit der deutschen Rassepolitik sympathisierten und eine neue aufstrebende urbane Gesellschaftsschicht darstellten, die sich im Gegensatz zu den traditionellen Notabeln oder Stammesfürsten befand. Über diese "Palästina"-Komitees erfuhr die panarabische Idee eine neue Gewichtung. Galt den Panarabischen die jüdische Einwanderung nach Palästina lange Zeit als Ausdruck kolonialer Politik gegen die Araber – da die Briten diese doch duldeten - so konzentrierte sich die Wahrnehmung nunmehr gänzlich auf eine verzerrte und rassistisch begründete Beschäftigung mit dem Zionismus, bis die Rolle der Briten nur noch zu der von Helfern der eigentlichen "jüdischen Bedrohung" geschrumpft war. Der Antisemitismus wurde so über "Palästina" zu einer ideologischen Konvention, mittels der sich die panarabische Überzeugung äußern konnte, ohne in direkten Konflikt mit der britischen Imperialmacht zu geraten.

Die Arbeit der deutschen Gesandtschaft richtete sich gezielt auf eine massenwirksame Verbreitung dieser Konvention. Unterstützung erhielt sie dabei seit 1939 von Hadj Amin Al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, der über Beirut nach Bagdad gelangt war und eine der zentralen Figuren der Panarabischen wurde, die sich um die deutsche Gesandtschaft versammelten. Über den Archäologen Dr. Jordan, der im Dienst des Reichspropagandaministeriums stand, wurden zuerst an den Universitäten des Landes, später auch an ausgewählten Schulen, deutsche Lehrkräfte eingesetzt. Die deutsche Botschaft lieferte Bücher und Hefte an Schulen, richtete einen Studienaustausch ein und lud Beamte des Erziehungsministeriums zur Fortbildung nach Deutschland. Mit durchschlagendem Erfolg.

Der Leiter der Behörde, Mohammad Fadhil al-Jamali zeigte sich vor allem fasziniert von dem "militärischen Geist", der an deutschen Schulen herrsche, wo "Schülern nicht der Kopf verstopft wird mit Fakten, sondern wo es um die Herausbildung von Charakter" gehe. Auch sein Kollege Sami Shawkat, der von Berlin mit SA-Uniform nach Bagdad zurückkehrte und der, wie es in den Bulletins des britischen Nachrichtendienstes heißt, sich gerne "besonders deutsch" gab, war vor allem von der Hitler-Jugend fasziniert. In Anlehnung an die HJ gründete er die Studentenorganisation Futuwwa, über deren Aufgaben er 1939 der Zeitung Al-Bilal erklärte: "Wir wollen Krieg. Wir wollen unser Blut vergießen für das Heil des Arabertums."

Dieser Gedanke schlug sich auch im Curriculum für die staatlichen Schulen nieder, in denen die "Geschichte der Araber" nunmehr als völkische Überlegenheitsvision einer arabischen "Wiege der Zivilisation" gegenüber den "zugewanderten und minderwertigen Völkern" – Juden, Assyrer, Chaldäer – gelehrt wurde. Deutsch verdrängte Französisch als zweite Fremdsprache, die Geschichte des deutschen "Volkes" wurde als Vorbild für das "arabische Erwachen" obligatorisch. Shawkat empfahl sogar, in Anlehnung an sein deutsches Vorbild, eine öffentliche Verbrennung "unarabischer" Bücher. Das Lehrmaterial sei ein "Katechismus des Hasses" beschwerte sich eine besorgte Mitarbeiterin der britischen Botschaft bei der irakischen Regierung – ergebnislos.

Über den palästinensischen Arzt Dr. Ruwayha, der später als Nazi-Spion von den Briten inhaftiert wurde, förderte die deutsche Gesandtschaft "Hilfsprojekte" in irakischen Kliniken und nahm sich über den Präsidenten der medizinischen Fakultät, einem Bruder von Sami Shawkat, der Ärzteschaft an. Offiziell war Ruwayha Botschaftsarzt, inoffiziell arbeitete er als Mittelsmann zu jenen klandestinen Zirkeln, die illegal Waffen ins Mandatsgebiet Palästina schmuggelten und aus denen sich die spätere faschistische Regierung rekrutierte.

Die britische Vertretung in Bagdad hingegen konnte oder wollte lange Zeit diese Aktivitäten nicht wahrhaben. Noch 1938 wurde der Wunsch des irakischen Premierministers Nuri al-Sa’id zurückgewiesen, Grobba auszuweisen. Erst als es 1939 in mehreren Städten zu Unruhen kam, die in der Ermordung des britischen Konsuls Monck-Mason gipfelten, änderte sich die Wahrnehmung. Nachdem die verhafteten Organisatoren der Aufstände aussagten, ihre Flugblätter seien von deutschen Lehrern formuliert und mit Hilfe der Botschaft gedruckt worden, wurden rund ein Dutzend Deutsche, darunter auch der Archäologe Dr. Jordan des Landes verwiesen. Damit war freilich nur ein kleiner Teil der deutschen Beteiligung aufgedeckt.

Die deutsche Legation, berichtete das Verbindungsbüro der Royal Airforce nun alarmiert nach London, finanziere nicht nur den Studentenbund Futuwwa, dem die Verhafteten angehörten, sondern sei finanziell stark an der arabischen Presse beteiligt und habe die Zeitung Al-Alam al-Arabi praktisch übernommen. Dort erschien seit 1938 unter anderem Hitlers "Mein Kampf" auf Arabisch. Auf Grobbas Initiative wurden irakische Journalisten zu "Weiterbildungen" nach Berlin eingeladen, Redaktionen wurden kostenlos mit deutschen Agenturmeldungen und "Fotographien aus dem Reich" versorgt. 1937 hatte Grobba umgekehrt einen Besuch Baldur von Schirachs beim Studentenverband Futuwwa in Bagdad organisiert, woraufhin dieser ein Jahr später eine eigene Delegation zum Reichsparteitag der NSDAP nach Nürnberg entsandte. Daß all dies den britischen Behörden entgangen sein soll ist schwer vorstellbar. Wahrscheinlicher ist, daß diese dem Treiben so lange zusahen, wie dieses sich scheinbar nur gegen Juden richtete. Diese Haltung sollte sich bald rächen.

Im Juli 1940 dient sich ein Kreis panarabischer Offiziere den Achsenmächten als künftiger Verbündeter an. Sie erklären sich bereit, nach einer Machtübernahme mit Großbritannien zu brechen, sofern sie den Schutz der Achsenmächte genießen. Deutschland und Italien sollen zuvor eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen, in der sie die nationale Unabhängigkeit arabischer Staaten anerkennen und erklären: "Deutschland und Italien anerkennen das Recht der arabischen Länder, die Frage der jüdischen Elemente, die sich in Palästina und in den anderen arabischen Ländern befinden, so zu lösen, wie es den nationalen und völkischen Interessen der Araber entspricht, und wie die Judenfrage in Deutschland gelöst worden ist." Während die Erklärung – mit Ausnahme des Selbstbestimmungsrechts arabischer Nationen – von Deutschland sofort akzeptiert und über Radio ausgestrahlt wird, verhindert Italien den geplanten Deal in letzter Sekunde. Grobba, der seit Kriegsausbruch aus dem Irak verbannt ist, drängt dennoch weiter auf eine Unterstützung der Putschisten. Ein erfolgreicher Militärstreich, so seine Begründung, würde die strategisch wichtige Nachschubroute britischer Soldaten unterbrechen, die vom indischen Subkontinent ans Mittelmeer verlegt wurden. Als im April 1941 der Putsch erfolgt und der irakische Faschist Rashid Ali Al-Gaylani die Anbindung seiner "Nationalen Notstandsregierung" an die Achsenmächte propagiert, reist Grobba in eiliger Mission nach Bagdad, um die Unterstützung des neuen Regimes zu koordinieren. Als er eintrifft, befindet sich dieses bereits in arger Bedrängnis.

Während britische Landetruppen von der Hafenstadt Basra aus nach Norden vorrücken, haben die Jugendgruppen Futuwwa und al-Kata’ib al-Shabab unter Yunis al-Sabawi praktisch die Polizeigewalt übernommen und terrorisieren die Bevölkerung. Sabawi, der sich selbst zum Gouverneur mehrerer Provinzen ernennt, war zuvor Angestellter der deutschen Botschaft und übersetzte Artikel aus "Stürmer" und "Völkischer Beobachter" ins Arabische. Ende Mai verhängt er eine Ausgangssperre für Juden und kündigt deren Ermordung an. Unter dem Eindruck des Terrors beteiligen sich in Bagdad nur wenige Menschen an den täglichen Aufmärschen unter der Führung des Muftis Al-Husseini. Schiitische Stämme im Süden, die Kurden im Norden und Teile des Militärs stehen dem Regime offen feindselig gegenüber und unterstützen die Briten. Grobba ist angesichts der Lage verzweifelt, kann aber dennoch bis Mitte Mai erwirken, daß Militärunterstützung von der deutschen Führung zugesagt wird. Als schließlich Jagdflugzeuge der Luftwaffe in Bagdad eintreffen, schießen irakische Soldaten versehentlich die erste Maschine mitsamt des deutschen Fliegeridols Major von Blomberg ab. Grobba, sollte ein deutscher Agent gegenüber US-Streitkräften später aussagen, sei ein "Idiot" gewesen, mit der "Vision, als zweiter Lawrence von Arabien einen Aufstand anzuführen". Er habe völlig übersehen, daß ein solcher Aufstand vorbereitet werden muß.

Die deutschen Waffen, die Grobba angefordert hat, erreichen Bagdad Anfang Juni. Gaylanis Regierung ist zu diesem Zeitpunkt bereits gestürzt. Im letzten Moment verläßt auch der deutsche Lawrence Bagdad, das bereits von britischen Truppen eingekreist ist. An Bord seiner Maschine befinden sich Gaylani und der Mufti von Jerusalem, die ihren panarabischen Kampf nunmehr von Berlin aus weiter führen. Ihre zurückgebliebenen Kampfgefährten verüben noch in der selben Nacht einen antisemitischen Pogrom, den ersten in der Geschichte des Irak. 179 irakische Juden werden ermordet, an die Tausend verletzt. In seinen Memoiren streitet Grobba später jede Verantwortung ab. Als Beleg für die "guten Beziehungen" zwischen der deutschen Botschaft und den "gänzlich unpolitischen" irakischen Juden führt er an, daß selbst der Rabbiner der Bagdader Gemeinde ihn konsultiert habe. Dieser hat Grobba in der Tat aufsucht. Er bat ihn vergeblich, den irakischen Freischärlern Einhalt zu gebieten.

In die panarabischen Bewegungen des Nahen Ostens hat sich der Antisemitismus seitdem so tief eingefressen, dass auch die heutigen islamistischen Selbstmordattentäter sich umstandslos auf "säkulare" Wurzeln berufen können. Ihr einstiger Förderer und Mentor, der irakische Staatspräsident Saddam Hussein, bekannte sich offen zu der Tradition, die zwischen 1935 und 1941 die Deutschen im Irak eingeführt haben. In irakischen Schulbüchern wird Gaylani als antiimperialistischer Held gefeiert, dessen Mission die Baathpartei zu Ende geführt habe. Als diese 1968 endgültig an die Macht kam, bestand eine ihrer ersten Handlungen darin, irakische Juden in einem öffentlichen Schauprozess als zionistische Verschwörer abzuurteilen und auf dem "Liberation Square" im Zentrum Bagdads zu erhängen. Die Haltung, von der Staatsverschuldung bis zur militärischen Niederlage jedes eigene Versagen als das Ergebnis des Zionismus und Imperialismus hinzustellen, ist in arabischen Staaten derart verbreitet, dass man leicht übersieht, was dem notwendigerweise vorausgeht: Die assoziative Verbindung von Juden mit einer scheinbar alles begründenden (kolonialen) Fremdbestimmung, die als Volksvorurteil schon im Alltagsbewußtsein der Massen verankert war, bevor der Staat Israel überhaupt gegründet wurde. Die scheinbar selbstlose Haltung, mit der Deutschland sich immer wieder auf die Seite "unterdrückter Völker" geschlagen hat, spielte eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung dieses Bewusstseins.

So blickt die Rolle des "ehrlichen Maklers", die das wiedervereinigte Deutschland heute in Nahost gerne einnimmt, auf eine lange Tradition zurück, in der die politische und ökonomische Zweckrationalität immer wieder ideologischen Prämissen geopfert wurde und die ein besonderes Licht auch auf die jüngsten deutschen Versuche wirft, einen Krieg im Irak und damit einen Sturz des Hussein-Regimes zu verhindern. Auf der Suche nach den Quellen, aus der sich die deutsche Friedensbewegung im vergangenen Jahr speiste, trifft man auf jene bekannte Mission, die Völker des Orients vom Joch der "Fremdbestimmung" zu befreien. Wenn heute in Deutschland sich also Demonstranten und Politiker um das unterdrückte irakische Volk sorgen und im Gegensatz zu dessen politischen Vertretern, ein umgehendes Ende der Besatzung fordern, so stehen sie, ob gewollt oder ungewollt in einer langen Tradition, ebenso, wie die Fortwährende Unterstützung Syriens und des Iran.

Die Autoren arbeiten für die im Nahen Osten tätige entwicklungspolitische Organisation WADI e. V, sind freie Publizisten und haben gerade das Buch "Amerika, der War on Terror und der Aufstand des alten Europa" herausgegeben.

Zuerst erschienen in Haaretz

hagalil.com 23-11-2003

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