Aus Erfahrung:
Das Inspektionsspiel
Kommentar von Ze’ev Schiff,
Haaretz, 15.11.2002
Übersetzung Daniela Marcus
Wird Hans Blix, der das Inspektionsteam der
Vereinten Nationen im Irak anführt, derjenige sein, der den USA den
Grund für einen Krieg gegen den Irak liefern wird, weil sich
herausstellen wird, dass der Irak gegen die Forderungen des
UN-Sicherheitsrates verstößt? Gibt es irgendeine Chance, dass das
Inspektorenteam Iraks Pläne zur Herstellung von
Massenvernichtungswaffen aufdecken und ihnen ein Ende bereiten wird?
Die Antwort auf beide Fragen lautet wahrscheinlich "Nein". Wenn man
aufgrund vergangener Erfahrungen urteilt, dann liegt die Aussicht,
einen Grund für den Angriff auf den Irak zu finden, eher in Saddam
Husseins Neigung zur Provokation.
Blix sagte während eines Vortrages bei einem
Trainingskurs für Waffeninspektoren, dass die vorherige
Inspektionsorganisation (UNSCOM, United Nations Special Commission,
die von Saddam ausgewiesen worden war) mehr Massenvernichtungswaffen
zerstört hätte als der Krieg von 1991. Das ist zwar richtig, doch
Blix ignorierte die Tatsache, dass es der Krieg war, der es den
UN-Inspektoren in erster Linie ermöglichte, in den Irak zu reisen –
und am Ende half ihre Präsenz sowieso nicht viel.
Vor nicht allzu langer Zeit trafen sich die Leiter
der UNSCOM zu einem Gespräch, bei dem sie über die Aussichten einer
erfolgreichen Inspektion im Irak diskutierten. Es wurde bemerkt,
dass die Kommission 620 Inspektionen durchgeführt hatte, wobei es
ihr in nur sechs Fällen möglich gewesen war, die Iraker überraschend
zu kontrollieren. Gemäß der Teilnehmer hatte der Irakische
Geheimdienst das UN-Inspektionssystem erfolgreich unterlaufen. Wenn
verbotene Dinge im Irak entdeckt wurden, dann vor allem dank
derjenigen Meldungen des Geheimdienstes, die freiwillig gemacht
wurden. Blix hob hervor, dass die neue Inspektionsorganisation
UNMOVIC (United Nations Monitoring, Verification and Inspection
Commission; UN-Kommission zur Beobachtung, Überprüfung und
Kontrolle) Berichte von Geheimdiensten erhalten wird, doch sie wird
mit diesen keine Informationen oder Einschätzungen der Situation
austauschen.
Die Resolution des UN-Sicherheitsrates zur
Inspektion, die im Irak praktiziert werden soll, ist zwar
unerschütterlich, doch sie ist nicht umfassend oder gründlich genug.
Die Resolution fordert nicht, dass der Irak eine Liste der Länder
und Firmen liefert, die ihn mit Ausrüstung für sein nukleares
Entwicklungsprogramm beliefert haben. Anscheinend hat hier jemand
Angst, entdeckt zu werden. Auch ist der Irak nicht das einzige
Beispiel. Obwohl UNSCOM eine gute Inspektionsorganisation war, hatte
sie keinen Erfolg bei der Aufdeckung dessen, was in den
Hinterzimmern des Irak vor sich ging, bis sich Hussein Kamal, Saddam
Husseins Schwiegersohn, absetzte und Geheimnisse offenbarte. Ein
weiteres Beispiel ist Nordkorea, das bindende Abkommen
unterschrieben und sich genauen Inspektionen unterworfen hatte. Bei
diesen Inspektionen fanden die Geheimdienste der Amerikaner und
anderer Länder nichts auffälliges. Erst Nordkoreas überraschendes
Geständnis, dass es ein nukleares Waffenprojekt vorantreibe,
enthüllte seine Aktionen.
Die interessantesten Lektionen, die man aus den
Problemen der Irakinspektion herauslesen kann, wurden vom
Generaldirektor der israelischen Atomenergiekommission, Gideon
Frank, während einer Rede aufgezeigt, die er vor der internationalen
Atomenergievertretung in Wien gehalten hatte. Die wichtigste Lektion
ist die, dass es ohne politische Bereitschaft des Landes, in dem die
Inspektion durchgeführt werden soll, unmöglich ist, die Ziele der
Inspektion umzusetzen. Dies trifft vor allem auf Diktaturen zu. Ein
gutes Beispiel für eine erfolgreiche Inspektion, die dank der
Bereitschaft des Landes, von seinen Nuklearwaffen loszukommen,
durchgeführt werden konnte, ist Südafrika. Trotzdem ist es wichtig,
mit der Inspektion fortzufahren, auch wenn diese aufgrund des
Mangels an Kooperation des jeweiligen Landes fehlschlagen sollte.
Denn die Aktionen der Inspektoren verursachen Verzögerungen und
steigern die Entwicklungskosten für die verbotenen Waffen. In solch
einem Fall ist es klar, dass Nachbarstaaten, die durch die
verbotenen Projekte bedroht sind, größere Sicherheitsmaßnahmen
unterhalten müssen.
Eine weitere wichtige Lektion ist folgende: je
weiter entfernt ein bedrohtes Land von der drohenden Region liegt
und je weniger es direkt bedroht wird, desto mehr wird es dahin
tendieren, Verstöße gegen die Inspektion leichter zu nehmen und das
relevante internationale Abkommen aufrecht zu erhalten, wobei es die
Augen vor den Verstößen verschließt. Deshalb ist Israels Haltung
gegenüber dem, was in Verbindung mit den Inspektionen im Irak, Iran
oder in Libyen geschieht, weitaus sensibler als diejenige anderer
Länder. Wenn Israel irgendwann in der Zukunft regionale Abkommen
bezüglich Massenvernichtungswaffen abschließen wird, dann wird es
unzweifelhaft auf bilateralen Inspektionen bestehen und sich nicht
auf schwedische oder belgische Beobachter verlassen, die diese
Arbeit an seiner Stelle tun.
hagalil.com
17-11-2002 |