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Judentum und Israel
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Jüdische Weisheit
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Wo beginnen?
Der Irak im 6. Jahrtausend seiner geschriebenen Geschichte

Dr. Peter Weinberger

Über den Krieg im Irak und seine Implikationen zu schreiben, scheint schier ein Ding der Unmöglichkeit zu sein: Fakten sind sehr oft von bewusst gefälschten oder inszenierten "Tatsachen" überdeckt, bisher gängiges internationales Recht erweist sich als nicht zutreffend, eine gewisse Hilflosigkeit bestimmt selbst die Kolumnen der meisten Kommentatoren in den internationalen Druckmedien.

Also, wo beginnen? Sicherlich nicht bei der typisch "jüdischen" Frage, ob die Situation gut oder schlecht für "die" Juden ist. Gut heute, morgen, in fünf Jahren? Gut für "die" Juden in den USA, in Europa, in Israel, oder sonst wo in der Welt? Genau darin liegt, zum Beispiel, das Dilemma professioneller, amerikanisch-jüdischer Stimmen:

Sollen sie als jüdische Amerikaner sprechen oder als amerikanische Juden? Als "neolibs" oder als "neocons"? So merkt der üblicherweise durchaus kritische FORWARD an: "Amerika, die einzige Supermacht dieser Welt, beansprucht ßir sich, überall Krieg führen zu können - nicht als Verteidigung gegen Aggression, sondern um einer möglichen Aggression zuvorzukommen. Im Namen der Aufrechterhaltung des Friedens und des Rechtes, erklären wir uns frei von Institutionen internationalen Rechts ... .", um zu enden, dass lediglich die USA im Sicherheitsrat gewillt war, der Barbarei Saddam Husseins ein Ende zu setzen. Und um dann fast resignierend festzustellen, "George Bush ist jedenfalls auf unserer Seite. Die andere Seite besteht weder aus faques Chirac, noch John Ashcroft, es sind vielmehr Saddam Hussein, Osama bin Laden und deren Mitläufer. ... Wenn es schon Krieg sein muss, dann wollen wir nicht vergessen aufweicher Seite wir sind". Dem AUFBAU geht es nicht besser. In einem, mit "Im Bett mit dem Pentagon" betitelten Beitrag über die amerikanischen Medien und den Krieg im Irak heißt es: "Dieser Krieg hat bereits gezeigt, dass das Militär und die Medien in einer freien Gesellschaft keine guten Bettgenossen sind. Vielleicht lässt sich aus den medialen Aspekten dieses Konflikts auch schon ablesen, dass die amerikanische Gesellschaß keineswegs auf eine neue Epoche expansiver, militärischer Interventionen eingestellt ist. Dies lässt hoffen, dass am Horizont dieses Krieges eine Epoche steht, in der die Nationen der Welt zu einer neuen Gemeinsamkeit finden werden."

Unipolare oder multipolare Machtpolitik

Der Widerspruch, der in beiden zitierten Beiträgen zum Ausdruck kommt, widerspiegelt im wesentlichen folgende gegensätzliche Meinungen:

(1) Es gibt nur ein einziges Machtzentrum auf dieser Welt, nämlich die USA, und somit ist der Sicherheitsrat und mit ihm die UNO tot. Das Bestreben Frankreichs, Deutschlands, Russlands und Chinas den Sicherheitsrat als demokratisches Instrument aller Staaten zu erhalten - die dazu gegensätzliche Ansicht - entspricht einer multipolaren Machtpolitik, da nur so das Vetorecht der ständigen Vertreter als machtpolitisches Instrument zum Tragen kommt. Unipolar bedingt, dass Macht und Recht eben nur von einem (nationalen) Zentrum ausgeht. Die Frage der Rechtmäßigkeit der militärischen Okkupation Iraks in einer unipolaren Welt stellt sich dann erst gar nicht, genauso wie die wirtschaftliche Nutzung dieses Landes ausschließlich den nationalen Interessen des Machtzentrums zu dienen hat.

(2) Gemäß gängiger amerikanischer Ansichten ist internationales Recht eine "post factum" Angelegenheit, das heißt, das Recht wird den vorliegenden Fakten angepasst, während in der traditionellen europäischen Sicht internationales Recht vorbeugend zu sein hat, also "ante factum" Charakter aurweisen soll. Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Werden zuerst die Fakten gesetzt und das Recht diesen Fakten angepasst, oder muss es nicht vielmehr umgekehrt sein?

Das Dilemma, in dem sich zur Zeit viele jüdische "non-neocons" befinden, ist klarerweise in den im amerikanischen Judentum noch immer vorhandenen europäisch-aufklärerischen Traditionen, aber auch in höheren Ansprüchen an Demokratie begründet. Die Hoffnung auf die vom AUFBAU gehegten, kommenden Gemeinsamkeiten ist deshalb genau auf einen Metazustand zwischen uni- und multipolarem Machtanspruch gerichtet, "post factum" selbstverständlich, da die neuen interstaatlichen Gemeinsamkeiten erst kommen werden.

Der Irak oder die vorbeugende Phantasie neokonservativer Vorstellungen

Zum Thema Demokratie im Irak selbst meint der FORWARD vom 11. April ziemlich realistisch: "Es wäre dumm zu glauben, dass der Aufbau einer Demokratie in einem Post-Saddam-Irak leicht oder gar gesichert sein wird, unabhängig davon, gar zu glauben, dass dies alle Probleme des Nahen Ostens lösen würde". Diese eher vorsichtige Einstellung wird jedoch kaum von der neuen Rechten, den "neocons", geteilt: sie lässt von der neuen Ordnung im Irak schwärmen. Ein Bundesstaatkonzept sollte es sein, mit möglichst viel politischem Einfluss für die ohnedies immer schon in Bagdad vorhandene, gebildete (und begüterte) Mittelklasse. Am Besten übrigens würde sich eine konstitutionelle Monarchie eignen, quasi als Symbol für die Einheit des Landes und dessen Zivilgesellschaft. Nicht sofort, da es in Deutschland und in Japan nach 1945 auch einige Jahre gedauert hat. Soviel an den Tag gelegte Naivität in der in den USA und auch international sehr angesehenen Zeitschrift für Außenpolitik, Foreign Affairs, lässt fast schon an bewusst öffentlich geäußerte Wunschträume denken. Ein idyllischkantonales Prinzip nach Schweizer Art in einer sich rasant religiös re-ideo-logisierenden Gesellschaft? Die Erfahrungen aus den politischen Entwicklungen im Iran, in Afghanistan (nach der Befreiung von der russischen Besetzung), in so manchem afrikanischen Land oder in Indonesien scheinen vom Winde verweht zu sein. Radikaler islamischer Fundamentalismus als Gefahr für den gesamten Nahen Osten wird schlicht und einfach ignoriert. Oder sollte er vielleicht bloß dazu dienen, wirtschaftliche Ziele leichter durchsetzen zu können?

Lamento grande: europäische Reaktionen

Die Realität eines einzigen tatsächlichen Machtzentrums und damit die zukünftige Bedeutungslosigkeit Europas sowie internationaler Organisationen (von UNO bis hin zur NATO) dürfte in den meisten europäischen Ländern noch kaum erkannt worden sein. Die Europäische Union ist machtpolitisch nicht vorhanden, der weltweit größte, zusammenhängende Wirtschaftsraum lediglich nach innen gerichtet. Europa ist von den "neocons" bestenfalls die Rolle eines geographischen Kulturmuseums zugedacht, wenngleich die von dort kommenden moralischen Ermahnungen mitunter etwas störend sind. 170.000 Exponate fehlen im Irakischen Nationalmuseum oder seien zerstört worden. Sollen sie halt jammern, die Barenboims und Jel-lineks, vom zerstörten Weltkulturerbe. Wen interessieren schon die Sumerer, Akkader oder gar Assyrer? Für die moslemischen Iraki sind die gestohlenen Exponate ohnedies nur heidnische Kultobjekte, die schleunigst zerstört werden sollten. Oder? Polizeitruppe für Kulturgüter, wie die UNESCO fordert? Wer ist schon die UNESCO? Barenboim soll dirigieren und nicht reden. "Mesopotamien und seine Kulturschätze sind wichtig für die ganze Welt, auch für das Judentum, sie sind von einer historischen Bedeutung, die man nicht unterschätzen kann. Dass man damit ohne Jede Verantwortung umgehen kann, hat mir sehr wehgetan ...". Aber sie werden doch geschätzt, Herr Barenboim, wie die Verhaftung amerikanischer Journalisten wegen illegaler Beuteobjekte im Reisegepäck bei ihrer Einreise in die Heimat zeigt! Bitte, wer möchte nicht auch ein paar sumerische Rollsiegel auf seinem Kaminsims stehen haben oder gar die Gesetzestafeln des Hammurabi im Vorgarten? Sozusagen als Reiseandenken an einen siegreichen Feldzug gegen den weltweiten Terrorismus?

Aber: Ist es nicht Kulturlosigkeit, die alle Eroberungen bisher ausgezeichnet hat? Auch die Zerstörung der Tempel in Jerusalem? Eine gewisse Resignation hat in Europa um sich gegriffen. Mehr als 10 Jahre habe es das letzte Mal gedauert, bis ein großer Teil der Exponate zurückgekauft bzw. retour-niert worden ist, heißt es, vielleicht gelingt es dieses Mal wiederum. Vielleicht wirkt die Warnung, die im Sockel der Statuen, den Fürsten von Gudea darstellend, eingraviert ist, immer noch: Verflucht sei jeder, verflucht bis in das letzte Glied seiner Nachkommenschaft, der diese Statue zerstört. Vielleicht, denn die Sumerer haben Erdöl lediglich in Form von Bitumen zur Verfestigung der Böden in ihren Häusern verwendet.

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Quelle: DIE GEMEINDE / Juni 2003 - Sivan 5763
hagalil.com 22-06-03

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