Saddam Hussein gefasst:
Der Bettler von Bagdad
Analyse von Yoel Marcus, Ha'aretz, 15.12.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Die Augen hafteten an der sich endlos
wiederholenden Szene und es war unmöglich, den Blick vom Bild des
Jammers auf dem Bildschirm abzuwenden. Konnte dieser heimatlose
Mann, der wie ein einsamer Bettler an einer Tel Aviver
Straßenkreuzung aussah, der seine Zähne untersuchen ließ und dessen
zerzaustes Haar auf der Suche nach Läusen durchkämmt wurde, wirklich
Saddam Hussein sein?
War dies der Mann, der turmhohe Kupferstatuen von
sich hatte machen lassen, der auf jedem Platz von Bagdad drei
Stockwerke hoch als Militärkommandeur posierte? War dies der Mann,
der 28 Paläste hatte, der seine Landsleute und seine Nachbarn in
seinem Griff hielt, der Kuwait eroberte und dem Iran einen
achtjährigen Krieg aufdrängte, der unter den Kurden einen Völkermord
anrichtete und der verantwortlich ist für den Mord an über zwei
Millionen Menschen, von denen Hunderttausende durch den Gebrauch
chemischer Waffen starben?
War dies der Macho, der erklärt hatte, er würde
sich eher selbst erschießen als ins Exil zu gehen?
Am Ende wurde er wie eine Ratte in einer
Abwassergrube gefangen, mit einer Pistole am Gürtel, die er sich
nicht bemühte zu benutzen, mit 750.000 Dollar Bargeld in der Tasche,
für die er keine Verwendung hatte.
Dies war kein Tag, an dem die Palästinenser auf
den Dächern tanzen konnten wie sie es taten, als Saddams
Scud-Raketen auf Israel niedergingen. Es kann bezweifelt werden,
dass diese Fotos auf palästinensischen Märkten weiterhin wie warme
Semmeln weggehen. Der Held ihrer Träume, der sich mit seinem
prahlerischen Machogehabe dem mächtigen Amerika widersetzte, war
bereits geschlagen, besiegt und gedemütigt, bevor er in der Nähe
seiner Heimatstadt Tikrit gefangen genommen wurde, einer Stadt, in
der er sich sicher fühlte, von der er glaubte, dass in ihr die
Loyalität noch intakt sei.
Doch die Amerikaner hatten ein
25-Millionen-Dollar-Preisschild um seinen Kopf gehängt. Irgendjemand
aus Tikrit wird sich heute vermutlich ein Sparkonto bei einer
Schweizer Bank einrichten. Saddam besitzt einen Abschluss in Jura
und er hat Geschichte studiert. Er hätte wissen müssen, dass ein
Mörder nicht für immer immun bleibt.
Es ist schwer zu verstehen, wie solch ein
grausamer Tyrann, der den Irak mit namenlosen Grabsteinen gefüllt
hat, der seine Rivalen in Säure gebadet oder ihnen Arme und Beine
abgehackt hat, den Irak etwa 30 Jahre lang regieren konnte. Die
Antwort auf dieses Rätsel ist nicht nur in Saddams entarteter
Grausamkeit zu finden, sondern auch in seiner puren Arroganz. Er hat
für sich selbst nie einen Fluchtweg vorbereitet, weil er nicht
glaubte, dass die Amerikaner es wagen würden, in den Irak
einzudringen. Und wenn sie doch eindringen sollten, so war er
überzeugt, sie zu besiegen. Nichts ist schlimmer als ein dummer
Größenwahnsinniger.
Der Sonntag gehörte der amerikanischen Armee, die
ihren Ruf als unbeholfene, strauchelnde Truppe und als
schwerfällige, einfache Kriegsmaschine erfolgreich widerlegte. Der
Trick mit dem Kartenspiel der gesuchten Männer verwandelte jeden
Iraker in einen Spitzel und schuf eine Dynamik, in deren Folge jeder
den anderen verpfiff bis der Schuldige gefunden war. Die
Verbrecherjagd wurde mit erstklassiger Gelassenheit durchgeführt,
besonders im Hinblick darauf, dass Saddam etwa zwei Dutzend
Verstecke unterhielt.
Amerikas Saga im Irak ist jedoch noch nicht zu
Ende, und Saddams Gefangennahme wird Angriffe gegen die USA nicht
drosseln. Letzten Endes wurde gezeigt, dass Amerikas
Entschiedenheit, seine Werte zu verteidigen, in den Gebrauch von
Militärstärke umgesetzt wird. Diese Tatsache übermittelt den Clowns
in unserer Region, den Neinsagern und denen, die den Terror
unterstützen, eine wichtige Warnung.
hagalil.com
15-12-2003 |