In Stunden nationaler Not mögen die Dichter und Denker nicht
abseits stehen. Im Feuilleton der FAZ sammelten sie sich deshalb als
"das alte Europa", "antworteten Herrn Rumsfeld" und begleiteten
zudem Joseph Fischer auf seiner jüngsten Nahostreise. Alice
Schwarzer bekannte, wie stolz sie auf den Bundeskanzler und sein
"Nein" zu einem Irakkrieg sei, während Michel Tournier,
"Schriftsteller, Jahrgang 1942", Deutschland und Frankreich
aufforderte, Truppen nach Bagdad zu entsenden, um das "irakische
Volk gegen die amerikanische Aggression zu verteidigen".
Da wundert es nicht, dass Fischer, derart mit moralischem
Marschgepäck versehen, sich zwar mit arabischen und türkischen
Politikern traf, Israel aber aussparte, wo man sich auf einen
irakischen Angriff mit deutschem Giftgas vorbereitet und vom
friedensseligen deutsch-europäischen "Sonderweg" ebenso wenig hält
wie in den USA.
So ist es noch keine Woche her, dass Ariel Sharon der
europäischen Nahostdiplomatie eine Abfuhr erteilte, die an
Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. In einem Interview mit
Newsweek erklärte er, man könne das so genannte Nahostquartett,
bestehend aus den UN, der EU, Russland und den USA, getrost
vergessen. Einzig die USA teilten mit Israel die gleichen
Vorstellungen, die langfristig zu einer friedlichen Lösung des
Konfliktes und einer Befriedung der Region führten. Yassir Arafat
müsse weiter isoliert werden, die Palästinenser müssten dem Terror
abschwören und freie Wahlen abhalten, dann könne auch über die
Gründung eines palästinensischen Staates gesprochen werden.
Unterstützung erfuhr die israelische Regierung von Paul
Wolfowitz. Der stellvertretende US-amerikanische
Verteidigungsminister erklärte, nachdem er an einer
Pro-Israel-Demonstration teilgenommen hatte, nach einem regime
change in Bagdad würden sich die USA verstärkt dem
israelisch-palästinensischen Konflikt zuwenden, das Problem der
Siedlungen thematisieren und die Schaffung eines demokratischen
palästinensischen Staates vorantreiben.
Die Isolation Arafats half auch zu verhindern, dass es den
Palästinensern oder der irakischen Führung wirklich gelang, so
massenwirksam wie 1991 die beiden Konflikte miteinander zu
verbinden. Der Kolumnist Saul Singer hofft sogar, dass gleichzeitig
mit Saddam auch Arafat verschwinden wird. "Im Jahr 2003", schrieb er
in der Jerusalem Post, "wird sich unser Schicksal wenden." Erstmals
in der Geschichte Israels seien Frieden und Stabilität nun
realistische Optionen für die Zukunft geworden, die bevorstehenden
Regierungswechsel in Bagdad, Teheran und Ramallah seien der Beginn
eines "wirklichen Friedensprozesses".
Mit dem irakischen und dem palästinensischen Präsidenten aber
verlören die Deutschen zwei ihrer engsten Verbündeten und Bewunderer
in der Region. Die Mission des Joseph Fischer dient wie seine
Warnung vor einer Destabilisierung des Nahen Ostens vornehmlich dem
Ziel, dies in letzter Minute und mit allen Mitteln noch zu
verhindern.
Offenbar fürchtet man, eine andere Regierung in Bagdad werde der
deutschen Nahostpolitik ähnlich ablehnend gegenüberstehen wie die
israelische. Eine Befürchtung, die der Schriftsteller und
Protagonist der Antiglobalisierungs- und Friedensbewegung Tariq Ali
teilt: "Die Gefahr besteht, dass unmittelbar nach dem Sturz Saddams
eine neue Regierung in Bagdad Israel anerkennen würde", sagte er in
der vergangenen Woche der Berliner Zeitung.