S.Plotzker (Jedioth achronoth) berichtet aus
Deutschland über Teilnehmer einer Demonstration gegen den Krieg in Irak,
die stolz ein Spruchband mit der Formel "Bagdad= Dresden" vor sich her
trugen. Diese Erscheinung ist ihm einen längeren Kommentar wert, hier
einige Auszüge...
Auf dem Weg nach Berlin,
auf dem Weg nach Bagdad
Vor dem Gipfeltreffen in Jalta, im Februar 1945,
und bei dem Gipfel selbst baten die Sowjets die Amerikaner und Briten um
Hilfe bei den Kämpfen gegen die Deutschen in Schlesien. Die Stadt
Dresden galt bei den Alliierten als strategischer Punkt, von welchem aus
die deutschen Soldaten an die Ostfront geschickt werden, und deshalb
begannen in der Nacht vom 13. zum 14.Februar die Luftangriffe auf die
Stadt. Ca. 80.000 * ihrer Bürger kamen bei den Angriffen ums Leben.
Die Zerstörung Dresdens erleichterte den Sowjets ihre
Bemühungen und kürzte die Dauer des 2. Weltkriegs, der Historiker,
Soziologen, Kulturforscher und Geistesforscher bis zum heutigen Tag
beschäftigt. Meinungsumfragen haben ergeben, (s. das Buch von R. Overy “Warum
gewannen die Alliierten”) dass schon im Januar 1944 77% der
Deutschen der Überzeugung waren, der Krieg sei verloren. Mit dem
Vormarsch der Alliierten nach Deutschland brachen nacheinander alle
Mythen Hitlers zusammen, so auch seine Partei, seine Regierung, seine
Vision. Die Deutschen wurden den Grauen des Krieges voll ausgesetzt.
Millionen kamen bei den Bombenangriffen ums Leben. Und dennoch schreibt
Martin Gilbert in dem Buch “Die Geschichte des 20. Jahrhunderts,
1933-1953”: “Die schrecklichen Luftangriffe auf die deutschen Städten
bewirkten keinerlei Volksaufstände und führten auch nicht zu der
Forderung nach einer Kapitulation oder einem Waffenstillstand”. Was
veranlaßte die Deutschen, bis zum Letzten zu kämpfen? Was veranlaßte 14
oder 15-jährige Jungen, sich zu den Verteidigungstruppen des Dritten
Reichs zu melden, auch als davon nur noch der Garten auf dem Dach des
Bunkers Hitlers übrig war?
Eine Antwort liefert Gilbert selbst: “Der Apparat der
Gestapo arbeitete ununterbrochen, Tag und Nacht, unterdrückte und
verfolgte jedes Zeichen der Befehlsverweigerung, das als Kapitulation
ausgelegt werden könnte.” Wenige Wochen vor der Kapitulation “dauerten
die Hinrichtungen der Nazigegner in voller Stärke an.” Auch Overy sagt:
“Bis zum Kriegsende wurde der gesamte Terrorapparat auf das deutsche
Volk angewandt. Eine Bevölkerung, die zwischen einem erbarmungslosen
Feind und einer gemeinen Diktatur gefangen war, kämpfte und arbeitete
unter zunehmender Verzweiflung weiter...Deutschland und Japan
verteidigten sich bis zum Ende gegen die Alliierten.”
Bis zum Ende: das Naziregime brach entgegen der
Erwartungen der Humanisten nicht zusammen. Deutsche Einheiten ergaben
sich normalerweise erst, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr hatten.
Die Japaner ergaben sich erst nach zwei Atombomben, obwohl bereits bei
konventionellen Bombardements einen Monat zuvor in Tokio eine viertel
Million Menschen getötet worden war. Im Bunker Hitlers in Berlin, in dem
er sich im Januar 1945 verschanzt hatte, versammelten sich hin und
wieder die hohen Offiziere und erhielten die Befehle, sich zu wehren,
anzugreifen, nicht zu kapitulieren. Joachim Fest beschreibt in seinem
Buch “Hitler, Portrait eines Unmenschen” die “wahnsinnige Welt” des
Bunkers: “Hitler, dessen Gedächtnis nachließ, der nicht fähig war, sich
zu konzentrieren, der Wutanfälle hatte und in seiner Fantasie
Geistereinheiten kommandierte, die schon längst vernichtet wurden,
gelang es noch immer, Selbstbewußtsein auszustrahlen und bei denen, die
mit ihm in Kontakt kamen, falsche Hoffnung zu wecken. Trotz seiner
Fehler und Lügen gab es niemanden, der sich gegen ihn auflehnte, bis zur
allerletzten Stunde.” Ende April 1945 prophezeite Hitler den Russen noch
“die größte Niederlage in ihrer Geschichte”.
Saddam Hussein ist nicht Hitler, aber wer den
Vergleich zwischen Bagdad und Dresden aufstellt, der sollte verstehen,
was sich daraus ergibt: es gibt keine Abkürzung bei der Bezwingung
Saddam Husseins. Wenn sein Regime mit dem Naziregime verglichen werden
kann, dann kann auch kein Bürgeraufstand erwartet werden. Selbst der
Verrat von Generälen würde nichts einbringen. Der starke Mann aus Bagdad
wird sein internes Terrorregime fortsetzen und die Iraker bis zum
letzten Moment blenden. Um ihn zu bezwingen, sind Bombardements nötig,
Eroberungen und auch das physische Erreichen des Nests des Übels, bis
hin zum Bunker, zum Kopf.
In keiner deutschen Stadt, die im Frühjahr 1945
erobert wurde, wurden die britischen und amerikanischen Soldaten mit
Blumen und Glückwünschen begrüßt, sie galten nicht als Befreier, obwohl
sie die Deutschen von dem grausamsten Terrorregime in ihrer Geschichte
befreit haben. Umsonst werden die britischen und amerikanischen Soldaten
heute auf einen herzlichen Empfang in den irakischen Städten warten.
Wenn Bagdad gleich Dresden ist, dann werden sie höchstens mit weißen
Fahnen und zusammengekniffenen Lippen empfangen werden.
Richard
Overy:
Die Wurzeln des Sieges
Warum die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewannen
* Im Allg. schwanken die Angaben zwischen 30.000 und
60.000 (z.B. spricht Wolfgang Benz von 35.000, das statistisches
Bundesamt von 60.000 Toten)
hagalil.com
06-04-03 |