Ein Bild wie von einem spanischen Meister: Beschienen vom
sanften Licht des Altars empfängt der vom Krieg bedrohte christliche
Heerführer in demutsvoller Geste das ewige Licht des Weltfriedens in
der Kapelle von Assisi. Während sich die Boten des kommenden Krieges
im Hintergrund bereits drängeln, hält der Gläubige inne, beschirmt
das Licht mit seinen Händen, als wollte er es vor dem Sturm, der
auszubrechen droht, beschützen. Tariq Aziz kennt das alte Europa und
hat in Assisi lange genug innegehalten, um als Motiv für noch zu
stickende Adveniat-Wandteppiche zu dienen.
Als Reisender in Sachen Frieden hat der irakische Vizepräsident
den Ort in Italien gut gewählt. Wie keine andere Institution steht
die katholische Kirche für das alte Europa, bündeln sich in ihr seit
je die Ausplünderung und Unterwerfung der Welt mit der bigotten
Friedensrhetorik der Pfaffen. Was das Regime in Bagdad instinktiv
mit dem alten Europa verbindet, ist die Leugnung der eigenen
Verantwortung für das Desaster im Irak. Derzeit besteht diese in dem
Vorwurf, Amerika wolle den Nahen Osten kolonisieren; mit einem in
der vergangenen Woche bekannt gewordenen Plan des
US-Außenministeriums hat er neue Nahrung erhalten. Demnach plane man
eine dauerhafte Besatzung des Irak unter Beibehaltung großer Teile
der heutigen Nomenklatura. Auch wenn es sich nur um einen weiteren
unter vielen Plänen handelt, sorgte allein die Meldung bereits für
Unruhe – und nicht nur in Bagdad und Assisi.
So waren es vor allem die irakischen Oppositionellen, die sich im
kurdischen Nordirak derzeit auf die Gründung einer
Übergangsregierung vorbereiten, die ihn kritisierten. Der
Schriftsteller Kanan Makiya, hierzulande gerne als Mitarbeiter der
CIA denunziert, hält den Plan für "eine Katastrophe". Ahmed Chalabi,
Vorsitzender des Iraqi National Congress, erklärte im Wall Street
Journal, die Befreiung des Irak müsse "von irakischen Schultern
getragen" werden. Zurückhaltender reagierten die kurdischen
Parteien, auch wenn sie keinen Zweifel aufkommen lassen, dass sie es
mit einem Austausch des Führungspersonals nicht bewenden lassen
werden. Aus ihrer Perspektive erscheinen andere Kompromisse, die das
US-Außenministerium eingehen muss, um seinen Plan zum Sturz Saddam
Husseins gegenüber Europa und den nahöstlichen Anrainern
durchzusetzen, derzeit gefährlicher. So besteht die türkische
Regierung als Gegenleistung für die Erlaubnis zur Stationierung
US-amerikanischer Truppen nicht nur auf Finanzhilfe, sondern auf dem
Einsatz eigener "humanitärer" Truppen im Nordirak.
Mehr als eine US-amerikanischen Intervention fürchtet die
Opposition daher, dass auf der Suche nach Kompromissen zu deren
Durchführung immer mehr vom ursprünglichen Plan der Demokratisierung
auf der Strecke bleibt. Denn außerhalb der USA und Großbritanniens
findet sich keine Regierung, die ihr Programm ernst nimmt und sie
anzuerkennen bereit wäre.
Die völlige Ignoranz, mit der Europa ihr begegnet, gleicht
derweil dem, was die Philosophin Hannah Arendt als "Propaganda der
Tat" bezeichnete. Die Opposition soll zu jener Bedeutungslosigkeit
herabgewürdigt werden, die längst zur Ursache für das angebliche
Fehlen einer Alternative zum Bestehenden erklärt wurde.
Bei der dann einzig verbleibenden Wahl zwischen US-amerikanischer
Besatzung und irakischer Diktatur ist die Entscheidung unter
Ausblendung der Opposition längst gefallen – gegen den
"Kolonialismus" der USA. So haben die einstigen Kolonialherren
Europas als Gegner eines Regimewechsels im Irak längst erkannt, dass
ihre Friedenskerzen wirkungsvoller leuchten, wenn man einen
Flächenbrand in der ganzen Region halluziniert.
An solchen Flammen wärmt sich Tariq Aziz gern die Hände.