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Jungle World Nr. 46/2002, 6.11.2002
Antikriegskongress:
Baath in der Menge
Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von
amnesty international ist gegen einen Irakkrieg und gegen das
Embargo. Allerdings kritisiert Barbara Lochbihler die Verhältnisse
im Irak und berichtet über extralegale Hinrichtungen und Folter. Und
das wurde nicht gerne gehört auf dem Kongress »Der Irak -
Alternativen zu Embargo und Krieg«, der am vergangenen Wochenende im
Rathaus Schöneberg stattfand und zu dem Friedensgruppen, Attac und
Jürgen W. Möllemanns Deutsch-Arabische Gesellschaft eingeladen
hatten.
Wie die Jungle World erfuhr, wurde der Vertreterin
von amnesty zuvor nahe gelegt, sich wegen der anwesenden irakischen
Diplomaten zurückzuhalten. In der Diskussion wird sie dann vor allem
von deutschen Friedensbewegten attackiert. »Einseitigkeit« wirft ihr
eine bekennende Mutter vor, »Mumia Abu Jamal« ruft ein
linksradikaler Szeneaktivist. »Warum schweigt amnesty zum Terror des
israelischen Staates, und wer bezahlt Sie eigentlich?« will ein
irakischer Hochschullehrer von Lochbihler wissen. Überhaupt werde zu
viel über Menschenrechte und zu wenig über US-amerikanische
Interessen am Öl gesprochen, erklärt jemand von amnesie national.
Das verblüfft sogar den Friedensbewegten auf dem Podium. »Unsere
Parole lautet doch 'Kein Blut für Öl'«. Großen Beifall ernten beide.
Einfacher als Lochbihler hat es der Vorsitzende der
Deutsch-Irakischen Gesellschaft, Aziz Alkazaz. Der Irak, so führt er
aus, könne keine Opposition zulassen, weil diese potenziell eine
Alternative zum System darstelle. »Meinungsverschiedenheiten« gebe
es durchaus, aber Meinungsfreiheit sei schwer zu verwirklichen, da
sie immer in den »Dienst ausländischer, fremder Mächte gestellt«
werde. Ob er sich eine »innergesellschaftliche Demokratisierung«
vorstellen könne, fragt die Moderatorin empathisch. Ja, meint
Alkazaz, allerdings verhinderten der »Belagerungszustand« und die
dadurch entstandene »psychologische Barriere« eine solche
Entwicklung.
So bleibt es irakischen Oppositionellen überlassen, diese eloquent
vorgetragene Verteidigung des Baath-Regimes zu kritisieren. »Die
Baath-Partei ist seit 1968 an der Macht, für eine Demokratisierung
hatte sie genug Zeit«, ruft einer empört.
Auf dem Podium ist die irakische Opposition nicht vertreten. Dafür
sprechen Bagdads Botschafter in London, Mudhafer Amin, außerdem
Wolfgang Gehrcke (PDS) und der ehemalige Koordinator des
UN-Hilfsprogramms für den Irak, Hans von Sponeck. Die Opposition war
zwar eingeladen, aber niemand wollte mit Propagandisten des
Baath-Regimes gemeinsam auftreten. Wenn der Kongress eine »gewisse
Schlagseite« erhalten habe, so Peter Strutynski vom Kasseler
Friedensratschlag, liege das an der Absage der Regimekritiker. Die
Ersatzkurdin auf dem Podium, Rim Farha aus dem Vorstand der PDS,
weiß: »Frieden ist modern, Krieg ist dumm.« Ein kurdischer
Oppositioneller hingegen sagt am Rande der Veranstaltung: »Die
Alternative zum Krieg ist der Sturz Saddam Husseins.«
DORIS AKRAP UND DENIZ YÜCEL
hagalil.com
08-11-2002 |