
Meinungsverschiedenheiten zum Abkopplungsplan:
Ein gefährlicher Diskurs
Auszüge aus einem Ha'aretz-Leitartikel vom
25.07.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Wie erwartet hat der Gaza-Abkoppelungsplan
harsche öffentliche Meinungsverschiedenheiten ausgelöst. Die
Unterstützer des Plans, zu denen auch viele Leute der politisch
Rechten gehören, glauben, die Abkoppelung sei nötig, um Israel von
einer enormen militärischen und finanziellen Last zu befreien. (…)
Die Kritiker des Plans, zu denen auch viele Leute der politisch
Linken gehören, glauben, die Abkoppelung werde Chaos im Gazastreifen
verursachen und die Chancen auf einen umfassenden Frieden
verringern. (…)
Dies sind legitime Positionen, und sie sind
Grundlage für einen würdigen ideologischen Streit innerhalb einer
demokratischen Gesellschaft. (…) Doch gegenwärtig produziert der
Streit eine gefährliche Art des Diskurses, die zu einer
gewalttätigen Auseinandersetzung führen könnte. (…)
Als ob sie die Legitimität der Regierung
herausfordern wollten, haben Kritiker des Plans absichtlich den
Ausdruck "Transfer" geprägt, der eine negative Assoziation
hervorruft. Seine Interpretation sagt, dass jeder, der Siedlungen im
Auftrag der Regierung auflöst, einem Vertreter der "Transfer"-Idee
gleicht, und dass so jemand eine Verurteilung verdient. Ein Beispiel
für diese heimtückische Analogie kann im bösartigen Verbalangriff
gesehen werden, den Kritiker des Abkoppelungsplans auf Yonatan Basi
ausübten. Basi wurde als Leiter der Abkoppelungs-Verwaltung ernannt,
dem Gremium, das von der Regierung gebildet wurde, um den Auflösung
der Siedlungen zu handhaben. Basi ist Mitglied des religiösen
Kibbutz Sde Eliyahu. Seine Kritiker sagen, er habe zweimal
gesündigt: als religiöser Mann habe er die Sünde begangen, nicht
mehr länger an dem Gebot, das Land Israel zu besiedeln,
festzuhalten, und als Israeli sei er bereit "Transfer"-Befehle
auszuführen. Ende letzter Woche verglich Amnon Shapira –eine
bekannte öffentliche Person aus Israels orthodoxer Gemeinschaft-
Basi gar mit einem Nazi-Bürokraten. Shapira wurde wie folgt zitiert:
"Ich sagte ihm (Basi), er werde nie mehr fähig sein in die Augen von
Witwen und Waisen zu sehen, die wegen ihm in den Reihen trauernder
Israelis stehen werden. Als er mir sagte, er werde nur
Kompensationsforderungen behandeln, erwiderte ich: 'Auch während der
Schoah gab es Bürokraten, die nur technische Angelegenheiten
behandelten.'" Mit dieser verzerrten Kombination von Ausdrücken
wurde der Angriff auf Basi gerechtfertigt: ein jüdischer
Kollaborateur einer "Transfer"-Regierung, der die Verantwortung für
die Not von Witwen und Waisen zu tragen hat.
Solche Anschuldigungen haben nichts mit
öffentlichem Diskurs zu tun. Sondern sie stellen eine Hetze dar, die
Nachfolger zu Gewalt anspornt. Basi stimmte zu, den schwierigen
Posten anzunehmen, weil er glaubt, der Abkoppelungsplan stellt den
Beginn einer Lösung dar. Dieser Glaube wird von der Mehrheit der
Israelis, die auf einen diplomatischen Durchbruch hoffen, geteilt.
Deshalb verdient Basi Dankbarkeit und Unterstützung. Der
gewalttätigen Sprache seiner Kameraden aus der religiösen
Kibbutzbewegung und aus der politisch ganz rechten Ecke muss auf der
Stelle ein Riegel vorgeschoben werden. Der beste Weg dies zu tun,
ist sofort mit der Umsetzung des Abkoppelungsplans zu beginnen.
hagalil.com
27-07-2004 |