Reformen notwendig:
Das Sicherheitschaos im Gazastreifen
Analyse von Danny Rubinstein, Ha'aretz,
16.01.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Die palästinensische Seite des Karni-Übergangs
wird komplett von palästinensischen Sicherheitskräften kontrolliert.
Es gibt dort eine ständige Präsenz palästinensischer Polizisten,
weshalb die drei Terroristen, die den Anschlag am letzten Donnerstag
ausübten, die palästinensischen Wachen passieren mussten. Haben die
palästinensischen Polizisten mit den Terroristen kooperiert? Oder
haben sie sie nicht beachtet, weil sie Angst vor ihnen hatten?
Wie auch immer, diese Fakten, die Mahmoud Abbas (Abu Mazen) und
seinen Freunden in der palästinensischen Führung wohl bekannt sind,
zeigen eine klare Politik: Die palästinensischen Sicherheitskräfte
sollen diejenigen, die Anschläge ausüben und eine Menge Waffen,
politische Macht und Beliebtheit im Volk besitzen, auf keinen Fall
direkt konfrontieren.
Ähnliche Aussagen könnten über das Abfeuern von Granaten und
Kassam-Raketen auf jüdische Siedlungen im Gazastreifen und auf die
Gemeinden im westlichen Negev gemacht werden. Einst gab es nur das
sporadische Abfeuern von geschmuggelten Raketen oder amateurhaften,
hausgemachten Granaten. Doch inzwischen ist daraus ein weit
umfassender Industriezweig geworden. Es besteht kein Zweifel, dass
die palästinensischen Geheimdienst- und Sicherheitsorganisationen im
Gazastreifen über diese Aktivitäten voll informiert sind. Doch aus
Angst vor der Konfrontation mit Terrorgruppen wird nichts dagegen
getan. Was die Dinge noch komplizierter macht ist der Wettstreit und
die bittere Rivalität zwischen den einzelnen Kommandeuren der
verschiedenen Sicherheitsapparate.
Die jungen Männer –oder wenigstens einige von ihnen-, die die
Anschläge ausüben, haben direkten oder indirekten Kontakt zu den
leitenden Kommandeuren. Diese jungen Männer standen bis vor kurzem
oftmals im aktiven Dienst der Sicherheitskräfte. Sie haben
gekündigt, erhalten jedoch weiterhin Geld, Waffen und Befehle von
ihren früheren Kommandeuren.
Abu Mazen kennt diese Fakten gut. Und deshalb redet er über die
Notwendigkeit, dem Sicherheitschaos im Gazastreifen ein Ende zu
setzen, parallel zum politischen Dialog aller palästinensischen
Gruppierungen, der unter ägyptischer Schirmherrschaft stattfinden
soll.
Wie kann das Chaos beendet werden? Zuallererst durch die Umsetzung
einer organisatorischen Reform der Sicherheitskräfte, wobei die
zwölf Abteilungen, die derzeit existieren, in drei Abteilungen
zusammengefasst werden sollen. Diese drei Gruppen müssen einer
einzigen kommandierenden Autorität unterstellt sein. Abdel-Razek al
Majaydeh, der palästinensische Sicherheitschef der größten
Sicherheitsorganisation, hat vorgeschlagen, dass Abu Mazen eine
vereinte Spezialeinheit, bestehend aus allen Zweigen, gründet. Das
Problem existiert natürlich in der Frage, wer der Kommandeur dieser
Einheit sein soll. Es besteht die Sorge, dass die Ernennung eines
Kommandeurs aus einer dieser gegenwärtigen Gruppierungen einen
Aufstand aller anderen Gruppen auslösen wird.
Was kann getan werden? Jibril Rajoub hat in seinem
Kündigungsschreiben als nationaler Sicherheitsberater vorgeschlagen,
dass Abu Mazen neue Kommandeure wählt – "junge ambitionierte Männer
mit weitem Horizont, die für eine begrenzte Zeit von drei Jahren
ernannt werden".
Wie man sieht, ist das Problem nicht, dass Abu Mazen keine
Vorschläge bekommt. Das Problem ist die Umsetzung der Vorschläge.
hagalil.com
17-01-2005 |