Nach der Entscheidung für den Abkoppelungsplan:
Große Koalition in Sicht?
Die Regierung in Jerusalem hat am
Sonntag den revidierten Abkoppelungsplan von Ministerpräsident Ariel
Sharon mit 14 zu sieben Stimmen angenommen. Zuvor hatte Sharon am
Freitag die zwei Minister der rechtsgerichteten "Nationalen Union", die
gegen den Rückzugsplan sind, aus seinem Kabinett entlassen. Zur Stunde
beraten die Minister der nationalreligiösen Partei NRP ("Mafdal") über
einen Austritt aus der Regierung.
Aus dem Umfeld von Ministerpräsident
Ariel Sharon verlautete am Montag, dass eine große Koalition mit der
sozialdemokratischen Arbeitspartei ("Koalition der Nationalen Einheit")
immer wahrscheinlicher wird. Ein Bericht der Meinungsforscherin Dr. Mina
Tsemach unterstreicht diese Prognose: Nach einer Meinungsumfrage in
Israel, die in der Tageszeitung "Yediot Aharonot" erschien, befürworten
fast 60% der israelischen Bevölkerung einen Beitritt der Arbeitspartei
zu der Regierung Sharons.
"Eine Koalition mit der Arbeitspartei ist
unumgänglich. Auf schwachen Füssen kann man keine Regierung leiten",
sagte Eli Landau, ein Vertrauter des Ministerpräsidenten, am Montag in
Jerusalem. "Selbst wenn Mafdal bleibt, kann man auf diese Weise noch
keine Regierung leiten. Nehmen wir an, dass wir so noch zwei Monate
weitermachen. Was geschieht danach? Wenn man die Arbeitspartei nicht in
die Regierung aufnimmt, gibt es Neuwahlen. Und daran ist niemand
interessiert." Zugleich warnte Landau davor, dass eine große Koalition
an wichtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Streitfragen
zerbrechen könnte: "Es kommt nicht von ungefähr, dass Netanyahu mit
einer großen Koalition Probleme hätte. Er hat Probleme mit der
Arbeitspartei, weil er und Peres einer völlig anderen Denkart folgen.
Auch mit Amir Peretz in der Regierung hätte man ein Problem."
Lior Horev, der strategische Berater
Sharons, ist der Meinung: "Dass Mafdal die Regierung verlässt, ist nicht
zu verhindern. Was die Arbeitspartei angeht, so müssen wir die drei
Bedingungen der Arbeitspartei für einen Regierungsbeitritt bedenken: Sie
fordert die Verpflichtung zu Verhandlungen, eine Entscheidung zum
baldigen Rückzug und den Regierungsaustritt der kleinen,
rechtsextremistischen Parteien. All diese Bedingungen müssen geschaffen
werden. Sie sind noch nicht vollständig erfüllt."
Es ist anzunehmen, dass Sharon und der
Vorsitzende der Arbeitspartei, Shimon Peres, am Dienstag unter vier
Augen über das Thema beraten werden. Peres entschied heute, den
Misstrauensantrag der Fraktion zurückzuziehen und Sharon "Rückendeckung"
zu bieten. Und doch ist es ein schwerer Tag für den Ministerpräsidenten,
der sich hauptsächlich aus Fraktionssitzungen und zwei
Misstrauensanträgen in der Knesset zusammensetzt: Ein Misstrauensantrag
der linksliberalen Partei "Yachad-Meretz" und ein Antrag der
ultraorthodoxen Shas-Partei – unterstützt von den arabischen Parteien.
Nach dem heute morgen veröffentlichten
Bericht von Dr. Mina Tsemach bevorzugen nur 20% der Befragten eine
Regierung aus Likud, Shinui und Mafdal. 44% würden eine "Koalition der
Nationalen Einheit" (große Koalition) bevorzugen, das heißt der drei
großen Parteien: Likud, Arbeitspartei und der Shinui-Partei. 13% würden
eine Regierung bevorzugen, in der sich der Likud, die Arbeitspartei und
die religiösen Parteien zusammentun.
In jedem Fall kann man demnach sagen:
Etwa 57% der Befragten wünschen sich ein Mitwirken der Arbeitspartei an
der Regierung Sharons.
Aus dem Bericht geht außerdem hervor,
dass die Bevölkerung über die Entlassung der beiden Minister Liberman
und Elon der rechtsgerichteten Partei der "Nationalen Union" am
vergangenen Freitag gespalten ist. 41% sind sich sicher, dass Sharon den
richtigen Weg geht, 42% denken, dass das nicht der Fall ist. Doch der
Grossteil der Bevölkerung unterstützt die Entscheidung zur Räumung des
gesamten Gazastreifens in einer einzigen Phase (52%) und nicht als
stufenweisen Rückzug (33%).
Und auch mit einer weiteren Tatsache kann
Sharon zufrieden sein: Würden heute Knessetwahlen stattfinden, würde der
Likud unter seiner Leitung 42 Mandate erhalten (4 mehr als bei den
vergangenen Wahlen). Unter der Führung Netanyahus würde der Likud nur 37
Mandate erzielen und die Arbeitspartei würde an Stärke gewinnen. Sharon,
so scheint es, schafft es, Mandate sowohl von der Arbeitspartei als auch
von Shinui für sich zu gewinnen.
Bei der Umfrage wurden exemplarisch 500
Menschen in Israel befragt. Die Fehlerquote liegt bei 4,5%.
Ministerpräsident Sharon selbst sagte am
Sonntagabend vor ausländischen Schülern des Projektes "Taglit", die sich
in Jerusalem aufhielten: "Der Staat Israel hat heute einen bedeutenden
und entscheidenden Schritt für seine Zukunft gemacht. Die israelische
Regierung hat den Abkopplungsplan, den ich ihr vorgestellt habe,
genehmigt und dem israelischen Volk, unseren palästinensischen Nachbarn
und der gesamten Welt eine eindeutige und klare Botschaft übermittelt,
dass Israel seine Zukunft in seine eigenen Hände nimmt. Die Abkoppelung
hat begonnen."
Und weiter sagte Sharon: "Die Regierung
hat heute entschieden, dass Israel beabsichtigt, sich bis Ende 2005 aus
dem Gazastreifen und den vier Siedlungen in der Westbank zurückzuziehen.
Die meisten Israelis verstehen die enorme Bedeutung der heutigen
Regierungsentscheidung. Dies ist eine Entscheidung, welche die Zukunft
Israels garantiert, dies ist eine Entscheidung, die gut ist für die
Sicherheit Israels, für seine politische Stellung, für die Wirtschaft
Israels und für die Demographie des jüdischen Volkes in Israel."
Quelle: ynet
© Botschaft des Staates Israel
hagalil.com
07-06-2004 |