Frauen als
Selbstmordattentäterinnen:
Scheich Yassins Urteil
Scheich
Yassins Urteil über Wafa Idris, die erste palästinensische
Selbstmordattentäterin, löste innerhalb der arabischen Welt eine
vehemente Debatte über die Rolle von Frauen im "nationalen Kampf" der
Palästinenser aus.
Scharfe Kritik
kam beispielsweise von Dr. Abd al-Mu´ti al-Bayumi, Dekan an der Fakultät
für Religion an der Al-Azhar Universität. Der Hamas-Führer verstehe sich
auf das Planen und Ausführen von "Aktionen", sei jedoch kein Experte in
der Auslegung von religiösen Fragen.
Yassin wurde um
Stellungnahme gebeten, nachdem sich am 27. Januar Wafa Idris als erste
palästinensische Selbstmordattentäterin in die Luft gesprengt hatte. In
einer ersten Stellungnahme eines Hamas-Sprechers wurde sie sofort zur
Märtyrerin erklärt, es gäbe keinen Unterschied zu männlichen Märtyrern,
denn auch an der Seite des Propheten Mohammeds haben tapfere Frauen
gekämpft.
Yassin vertritt
eine andere Position. Er gab die Weisung, daß Frauen nur dann ein
Attentat ausführen könnten, wenn sie den Schutz eines Mannes zur Seite
haben, da sie auf keinen Fall alleine reisen könnten. Für das Überleben
der Nation sei es außerdem wichtiger, daß die Familie erhalten bleibt
und Kinder geboren werden. Erboste Kommentatoren forderten daraufhin,
den Frauen den "Weg freizumachen". Es könne nicht sein, daß eine Frau
nur dann das Recht habe, ihr Land zu "verteidigen", wenn sie in
Begleitung eines Mannes ist. Wafa Idris habe außerdem keine Kinder
gehabt. Sie wollte keine Kinder und forderte von ihrem Mann die
Scheidung, nachdem der sich eine andere Frau nehmen wollte.
Von religiöser
Seite wurde Scheich Yassin Inkompetenz in seiner Entscheidung
zugeschrieben. Für die Distanz, die Wafa Idris zurücklegen mußte, sei
keine männliche Begleitung nötig gewesen, so die Gelehrten. Eine absurde
Diskussion für den außenstehenden Leser, tatsächlich geht es aber um die
Macht der Hamas. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat entgegen der
meisten anderen Staaten keine religiöse Kontrollinstanz, Arafat ist
nicht an die Weisungen von Scheich Yassin gebunden.
Wafa Idris
entspricht außerdem so gar nicht dem Bild, daß Yassin und die Hamas von
einer religiös-islamischen Gesellschaft in Palästina zeichnen möchten.
Idris war rebellisch, weigerte sich Kinder zu bekommen, verweigert sich
ihrem Mann. Diesem Bild mußte Yassin in jedem Fall widersprechen.
Die Religion
wird einmal mehr als Vorwand für Machtinteressen genutzt. Schließlich
würden Hamas und Djihad ihre Exklusivität verlieren, wenn auf einmal
Mann und Frau losziehen würden, um Attentate zu verüben. Eine
Exklusivität, die bei der Gründung eines palästinensischen Staates
belohnt werden soll.
Eine absurde
Diskussion, die den ganzen Wahnsinn der Anschläge zum Vorschein bringt.
Denn es geht doch schließlich um Menschenleben. Und das nicht nur auf
Seiten derer, die sich aus Verzweiflung, Unwissenheit, Haß oder Dummheit
als menschliche Bomben instrumentalisieren lassen, sondern bei den
vielen unschuldigen Opfern, über die dadurch nach "religiösen"
Grundsätzen entschieden wird.
aue / haGalil onLine 16-03-2002 |