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IM BANNE DES FUNDAMENTALISMUS:
Israels Gesellschaft als Gefangene
der Siedler

Eli E. Lasch

Der Verfasser ist ein Israeli deutscher Herkunft, der 13 Jahre lang als Kinderarzt und Gesundheitsdirektor für die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen und im Sinai zuständig war. Während dieser Zeit wurde er zur Vertrauensperson der arabischen Bevölkerung und insbesondere des ärztlichen Personals. Er befand sich zwischen den Fronten, was ihn am Ende gezwungen hat, seinen Posten und auch Israel zu verlassen.

Man spricht viel über den islamistischen Terror, über Hamas und den islamischen Jihad, aber was passiert auf der anderen Seite? Kann man Israel die Schuld für das, was geschieht, ganz absprechen?

Nach dem Sieg im Sechs-Tage-Krieg hatte die israelische Regierung beschlossen keine jüdischen Siedlungen im dicht besiedelten arabischen Kernland zu etablieren. Dieses sollte als Pfand für einen möglichen Frieden dienen. Schon damals lautete die Parole: "Land für Frieden".

Es sollte aber anders kommen. Die Araber haben vor Oslo jede  Friedensinitiative abgelehnt, aber zum Zeitpunkt dieser Verhandlungen war der Zug längst abgefahren. Die inzwischen entstandenen Siedlungen in den arabischen Gebieten waren zum grössten Hindernis für einen möglichen Frieden geworden. Auf beiden Seiten, auf der jüdischen wie auf der arabischen, geben heute die Fundamentalisten den Ton an. Hier möchte ich mich mit dem weniger bekannten Problem des jüdischen  Fundamentalismus auseinander setzen, den Anhängern von Gross-Israel.

Alles fing am 4. März 1974 an. An dem Tag mietete sich ein wohlgekleideter Herr mittleren Alters samt seiner Familie im Park Hotel, dem besten Hotel Hebrons, ein. Die Gäste bezeichneten sich als Schweizer Touristen, die gekommen waren, um sich einige Tage in der Stadt der Gräber der Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob, aufzuhalten. Da ausländische Touristen zu jener Zeit eine Seltenheit waren, unterließ es der Hotelier die Identität der Gäste näher zu überprüfen. Später stellte es sich heraus, dass es sich dabei um einen schwer wiegenden Fehler handelte, dessen Nachwirkungen bis zum heutigen Tag spürbar sind. Dieses war nämlich der erste Schritt im Kampf  um den restlichen Teil des mandatorischen Palästina, um den Teil, der auf der arabischen Seite der Grenze von vor 1967 liegt und in der Welt als die „Westbank und Gaza“ bekannt ist. Dies ist der Krieg, der bis heute andauert und dessen Ende nicht in Sicht ist.

Schon am Tag nach ihrer Ankunft ließen  die „sogenannten Touristen“ ihre Tarnung fallen und erklärten sich als die neuen jüdischen Ansiedler von Hebron, die die historischen Rechte des jüdischen Volkes auf diese Stadt geltend machen wollten. Sie kamen nicht aus der Schweiz, sondern entpuppten sich als israelische Bürger: der aus München stammende Rabbiner  Mosche Levinger, seine amerikanische Frau, und eine ganze Gruppe von Verwandten. Seine Ausstrahlung zeigte, dass es sich um einen wahren Fanatiker handelt: asketisches Gesicht, flammender Blick. Alle Versuche der Behörden die ungebetenen Gäste aus der Stadt zu entfernen scheiterten. Die einzige Konzession, auf die sich der streitbare Rabbi und seine Anhänger in Israel und insbesondere in den USA einließen, war eine zeitweilige Übersiedlung in ein Militärlager außerhalb der Stadt.


Hebron Aktivisten in Jerusalem
 
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Kurz darauf  entstand auf einem Hügel neben der Stadt eine neue Siedlung, namens „Kiriat Arba“, der zweite biblische Name der Stadt Hebron. Aber auch in der Stadt selbst gab es bald eine weitere Ansiedlung, die sich auf die folgende Geschichte berief:  Bis zum Jahre 1929 hatte es in Hebron eine kleine jüdische Gemeinde gegeben. In diesem Jahre ereignete sich dort ein besonders blutiger Pogrom, der von einem moslemischen Fanatiker, dem Groß-Mufti von Jerusalem, Haj Amin el Husseini inszeniert wurde. 89 Juden wurden damals abgemetzelt und der Rest der Gemeinde vertrieben. Die Häuser dieser Gemeinde, die sich im Zentrum der Stadt befinden, standen seitdem leer und wurden nun von jüdischen Siedlern in Beschlag genommen.  Seitdem gibt es kaum einen Tag, an dem es dort nicht zu Auseinandersetzungen kommt.

So fing alles an, und heute leben fast 200.000 Siedler außerhalb der von der Weltgemeinschaft anerkannten Grenzen Israels.

Wer sind diese Siedler?  Ein hoher Prozentsatz von ihnen sind Einwanderer aus den Vereinigten Staaten und der früheren Sowjet-Union, die zumeist aus nicht religiösen Häusern stammen und glauben jetzt ihre „jüdische Identität“ gefunden zu haben. Ihre Vorbilder sind die Pioniere der zionistischen Bewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts sich und das Land Israel erlösen  und dort einen eigenen Staat gründen wollten. Weitere Vorbilder sind biblische Figuren wie Josua und König David. „Das Land Israel gehört nur den Juden, und zwar das ganze Land“, ist die Basis ihres Glaubens, „sonst wird der Messias nicht kommen können. Wir bereiten ihm nur den Weg.“ Die Palästinenser sind für sie gleich den Kanaanitern und Philistern (deren Namen sie auch tragen), die in der heutigen Welt zwar nicht ausgerottet werden können, aber keine eigenen Rechte auf das Land besitzen. Man kann die Siedler auch „wiedergeborene Juden“ nennen, parallel zu den „wiedergeborenen Christen“ der Vereinigten Staaten oder den islamistischen Mujaheddin.

Um nur einige Beispiele aus meiner eigenen Erfahrung zu erzählen: Nach dem Frieden mit Ägypten mussten die Siedler im Sinai ihre Siedlungen verlassen und wurden von der damaligen Regierung in den Gazastreifen umgesiedelt.

Zu der Zeit war ich verantwortlich für die öffentliche Gesundheit im Gazastreifen und musste Israel bei Treffen mit Ägyptern und diversen internationalen Organisationen vertreten. Die Frage, die immer wieder aufkam, war die folgende: Der ganze Gazastreifen hat eine Oberfläche von 320 km2 und fast eine Million Einwohner. Warum muss Israel diesen noch einen Teil ihres Landes wegnehmen? Hat Israel nicht genug Land um die Siedler unterzubringen?

Als ich mit dieser Frage zu den Militärbehörden kam, wurde ich mit fadenscheinigen Argumenten wie „Es handelt sich um eine Pufferzone mit Ägypten“ abgewimmelt. Ich sage „fadenscheinig“, denn zwischen den Siedlungen und Ägypten befindet sich die palästinensische Stadt Rafah. Ich merkte, dass diese Antwort von den Siedlern vorgeschrieben war. (Zu der Zeit war schon Menachem Begin, einer der Vertreter von Gross-Israel, an der Macht. Sein Verteidigungsminister war niemand anders als Ariel Sharon, einer der grössten Gegner der Räumung von Sinai.) Als ich mit derselben Frage zu den Vertretern der Siedlungen kam, erhielt ich die folgende Antwort: „Sie sollen dankbar sein, dass man sie überhaupt hier lässt. Dieses Land gehört schliesslich uns.“ Sie haben nur „übersehen“, dass es sich dabei um Flüchtlinge handelte, die sich nur infolge des Krieges von 1948 dort befanden.  Diese Flüchtlinge waren es auch, die den Siedlern ihre schönen Villen bauten und abends nach der Arbeit in ihre schäbigen Unterkünfte in den Flüchtlingslagern zurückkehrten.

Als ich die Siedler darauf hinwies, dass das bestimmt nicht das Verständnis zwischen den Völkern fördern würde, traf ich auf völliges Unverständnis. Diese Frage interessierte sie gar nicht. Wenn ich überhaupt eine Antwort bekam, war es die folgende: „Was wollen Sie eigentlich? Wir verschaffen ihnen doch Arbeitsplätze.“

Was  ich von den Palästinensern hörte, war folgendes: „Sehen Sie, diese Siedler nehmen uns den Rest des Bodens und das beste Wasser weg. Wo werden wir uns je niederlassen können? Und auf so ein Volk sollen wir uns verlassen, mit denen sollen wir Frieden schliessen?“ Das war der Anfang des tiefen Misstrauens gegenüber Israel. Dort entwickelte sich auch die Terrororganisation Hamas, das war ihr Nährboden. Manche Palästinenser fügten noch die ironische Bemerkung bei: „Das sind ja schöne Häuser, die wir dort für uns bauen.“ Ähnliche ironische Bemerkungen hörte ich auch bei einem Besuch mit arabischen Ärzten im ultramodernen Hadassah-Krankenhaus auf dem Skopus-Berg, das vor 1967 eine jüdische Enklave im arabischen Teil Jerusalems war.

Zu meinen Aufgaben gehörte es auch, die Pläne für die Kläranlagen der Siedlungen zu genehmigen. Als ich die Pläne sah, war ich wie vor den Kopf geschlagen. Auf den Vorlagen waren nur die jüdischen Siedlungen markiert und rund herum gab es nur weisses Papier. Palästinensische Dörfer und Städte existierten für sie nicht. Als ich den Plan mit der Landkarte verglich, stellte sich heraus, dass die Kläranlagen entweder inmitten dicht besiedelter palästinensischer Ortschaften lagen oder auf  landwirtschaftlichem Gelände.

Als ich diese Pläne nicht annehmen wollte, wurde mir die Aufsicht entzogen. Nur das Einschalten der Militärbehörden konnte ihre Ausführung verhindern.

Das 1992 in Oslo unterzeichnete Abkommen zwischen Israel und der PLO versetzte die jüdischen Fundamentalisten in eine Art Weltuntergangsstimmung, in der sie vor nichts mehr zurückschreckten. Die Begeisterung, mit der die überwältigende Mehrheit der Israelis auf die Hoffnung auf einen Frieden reagierte, sahen sie als ein Todesurteil für ihre Träume an. Nach der Räumung des Sinais wussten sie sehr genau, dass die israelische Bevölkerung auch nicht vor einem Abtragen der Siedlungen auf der Westbank zurückschrecken würde. Schliesslich sind diese – aus der Sicht der Mehrheit - nur entstanden, um den Palästinensern klar zu machen, dass sie Gefahr laufen auch den Rest ihres Landes zu verlieren. Die Reaktion der Siedler war natürlich ganz anders als die der alteingesessenen Bevölkerung Israels. Sie waren unter keinen Umständen bereit aufzugeben und drohten, dass sie sich mit der Waffe in der Hand dem israelischen Militär widersetzen und einen eigenen Staat gründen würden. Eines ihrer ersten Opfer war der Initiator des Friedensvertrags, Jizchak Rabin.

Die arabische Hamasbewegung spielte ihnen dabei in die Hände. Auch sie war nicht an einem Friedensabkommen mit Israel interessiert und inszenierte eine Reihe von Terroranschlägen innerhalb Israels. Das Resultat war genau das, was von beiden fundamentalistischen Bewegungen erhofft war. Statt Peres wurde der rechtsradikale Netanjahu gewählt und der Friedensprozess unterbrochen.

So vertiefte sich immer mehr das Misstrauen zwischen den Völkern. Die palästinensische Bevölkerung verlor immer mehr den Glauben an einen möglichen Frieden mit Israel. Sie wurde sich immer sicherer, dass Israel die Westbank nie aufgeben würde und der Besuch von Sharon auf dem Tempelberg bestätigte nur ihre schlimmsten Befürchtungen.

In der momentanen Situation würde es keine israelische Regierung wagen irgendetwas gegen die Siedler zu unternehmen. Aber diese Gefahr besteht ohnehin nicht, denn die Regierung befindet sich (z.Zt.) in den Händen derjenigen, die die Siedlungsbewegung am stärksten befürworten, also selbst den Traum von einem Gross-Israel hegen.

Die Minderheit beherrscht die Mehrheit und Israel ist zum Gefangenen der Fundamentalisten beider Seiten geworden. Um den angesehenen Kommentator Eric Silver im Londoner „Jewish Chronicle“ zu zitieren: „Es geht nicht mehr um eine Zweiteilung zwischen Juden und Arabern, sondern um eine Dreiteilung: Palästina, das weltliche Israel und den von den jüdischen Fundamentalisten regierten jüdischen Gottesstaat.“  Vielleicht handelt es sich sogar um eine Vierteilung: Als vierten Teil einen von Hamas regierten islamischen Gottesstaat.

Die Spirale der Gewalt geht weiter.

  1. The Dayan Memoirs: Hebron
  2. Israelis mehrheitlich gegen Siedlungen
  3. Die Nachkommen der jüdischen gemeinde Hebron distanzieren sich von den Siedlern

haGalil onLine 24-01-2002

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