Gespaltene Zunge:
Taktieren nach dem Vorbild Arafats
Von Thorsten Schmitz
Seit jeher spricht
Palästinenserpräsident Jassir Arafat mit gespaltener Zunge. Auf
internationalem Parkett redet er vom Frieden – auf Englisch. Zurück
im Gaza-Streifen oder wie jetzt im Westjordanland hetzt Arafat gegen
Israel und preist das Märtyrertum – auf Arabisch. Viel zu lange
haben sich die westlichen Staaten von Arafat auf der Nase
herumtanzen lassen. Der Friedensnobelpreisträger, der einen
Palästinenserstaat mit Gewalt erreichen will, enthält seinem Volk
die Zukunft vor.
Der Friedensfahrplan des
Nahost-Quartetts USA, EU, UN und Russland hat nur dann eine Chance,
wenn Arafat von aller Macht entbunden ist, der palästinensische
Ministerpräsident Machmud Abbas mit allen Vollmachten ausgestattet
wird und Präsident George Bush zwischen Israel und den
Palästinensern mit vollem Engagement moderiert. Noch zieht Arafat
die Strippen. Schon sehen die Vereinigten Staaten ihr Versprechen
gegenüber der arabischen Welt in Gefahr, nach dem Irak-Feldzug den
Nahost-Konflikt beizulegen.
Abbas muss sich gegen Arafat wehren und
ist dabei auf eine kooperative israelische Regierung angewiesen.
Indem Israels Ministerpräsident Ariel Scharon den Friedensfahrplan
akzeptiert, hilft er Abbas. Die USA haben dahingehend in den letzten
Tagen enormen Druck auf Scharon ausgeübt. Aus Sicht der Amerikaner
muss alles vermieden werden, was den Palästinensern den Vorwand
gibt, nicht gegen die palästinensischen Milizen vorzugehen. Abbas
hatte sich bislang geweigert, mit der Entwaffnung von Hamas und
Islamischem Dschihad zu beginnen. Scharons Ja zum Friedensplan kann
Abbas nun als einen ersten Erfolg deklarieren. Den braucht er
dringend, denn im eigenen Volk ist er relativ unpopulär.
Als hätte Scharon sich das verbale
Jonglieren von Arafat abgeschaut, sendet er in den letzten Wochen
verwirrende Signale aus. Mal spricht er von Evakuierungen jüdischer
Siedlungen, mal dementiert er diese Äußerungen. Am Sonntag erklärte
Scharon, Israel werde das Land aufteilen müssen – vor zwei Wochen
noch schloss er dies kategorisch aus. Die Annahme des
Friedensfahrplans durch Israels Regierung ist zunächst lediglich
eine Formalie – ebenso symbolisch wie die Zustimmung der
Palästinenser-Regierung zu dem Plan, der in drei Phasen bis zum Jahr
2005 einen Palästinenserstaat verwirklichen soll.
Scharon wird unter dem wachsenden Druck
der USA nicht plötzlich zum Friedensengel. Nach wie vor besteht er
darauf, dass die Palästinenser ihre Gewalt und ihre Hasstiraden
gegen Israel beenden müssen, bevor etwa Israels Armee den Rückzug
aus Teilen der besetzten Gebiete antritt. Noch ist Scharon nur zu
verbalen Konzessionen bereit. Scharon ist der Vater vieler jüdischer
Siedlungen und hat mehrfach betont, er werde den Palästinensern
höchstens 42 Prozent des Westjordanlandes überlassen. Ein Großteil
der jüdischen Siedlungen besitzt aus Sicht Scharons einen
strategischen Wert: "Die jüdischen Siedlungen sind kein Hindernis
für den Frieden. Sie sind das beste Hindernis gegen einen Krieg."
Scharon versucht derzeit, es allen Recht
zu machen, was seine widersprüchlichen Aussagen erklärt. Er ist
bemüht, seine Regierungsmannschaft zusammenzuhalten, in der die
meisten gegen einen Palästinenserstaat opponieren. Und er weiß, dass
Israel sich einen Bruch mit den USA, dem wichtigsten Verbündeten,
nicht leisten kann. Seine Gegner sucht Scharon mit dem Versprechen
zu gewinnen, ein Jahr der Ruhe und Verhandlungen sei genau das, was
Israels katastrophale Wirtschaft nun benötige. Er spricht nicht
davon, dass Israel einen Ausgleich mit den Palästinensern für die
Zukunft Israels braucht.
Dass Scharon sich nun in
Friedensrhetorik übt, heißt nicht, dass morgen Frieden einkehren
wird in die blutende Region. Noch folgen den Worten keine Taten.
Aber immerhin hat George Bush inzwischen eingesehen, dass man Israel
und die Palästinenser nicht sich allein überlassen kann.
hagalil.com
26-04-03 |