Die Geister, die Scharon rief
Israels Premier regte Nahost-Konferenz
an, und ist nun der Getriebene
Alle im Nahost-Konflikt involvierten
Parteien und Moderatoren sind sich einig, dass es in diesem Sommer eine
internationale Konferenz geben wird, um aus der Gewaltspirale
herauszufinden. Allerdings herrscht Uneinigkeit über den Inhalt der
Konferenz, über ihre Teilnehmer, über den Austragungsort. Derzeit stehen
die Türkei und Japan zur Debatte.
Die Idee zu der Konferenz kommt von Israels
Regierungschef Ariel Scharon – womöglich bereut er dies. Scharon will
die Zusammenkunft gemäßigter arabischer Staaten nutzen, um ein „Klima“
zu schaffen, das direkte Verhandlungen mit den Palästinensern
ermögliche. Auf keinen Fall soll das Treffen den Charakter der
Madrid-Konferenz erhalten, die 1993 im Friedensvertrag von Oslo mündete.
Doch mit dieser Vorstellung steht Scharon allein da: Die arabischen
Staaten wollen auch unter Teilnahme Syriens einen Zeitplan für einen
endgültigen Friedensschluss zwischen Palästinensern und Israel
verabschieden. Auch soll man sich auf ein Datum für die Ausrufung eines
Staats Palästina einigen.
Die US-Regierung befürwortet dies. Nach
Prüfung der Berichte von CIA- Chef George Tenet und dem Sondergesandten
William Burns, die derzeit die Positionen in Israel und den
Palästinensergebieten ausloten, wird Bush oder Außenminister Colin
Powell am Wochenende eine programmatische Rede zum Nahost-Konflikt
halten. Darin, berichten US-Medien, werde die US-Regierung die Ausrufung
Palästinas befürworten, sollten die Reformen in der Autonomiebehörde von
Jassir Arafat voranschreiten.
Die USA haben, wie auch Ägyptens Staatschef
Hosni Mubarak, eine endgültige Beilegung des Konflikts im Visier.
Scharon dagegen setzt auf tragfähige Zwischenabkommen. Dem heute
beginnenden Besuch Mubaraks in Washington wird große Bedeutung
beigemessen. Denn Mubarak, noch immer der einflussreichste Vermittler
zwischen Palästinensern und Israel, hat einen Friedensplan im Gepäck.
Weil Scharon befürchtet, dass Bush den arabischen Forderungen nach einer
Staatsausrufung und einer Konfliktlösung nachgeben könnte, hat er sich
für Montag in Washington angemeldet.
In einem Gespräch mit der New York Times
erklärte Mubarak, er halte eine weitere Konferenz ohne politische Agenda
für überflüssig. Israel und die Palästinenser würden in Direktgesprächen
nicht zu einer Einigung kommen, es müssten vielmehr die USA jetzt die
Initiative ergreifen. Mubarak werde Bush am Freitag im Weißen Haus
vorschlagen, dass die Palästinenser Anfang 2003 ihren Staat ausrufen. In
den folgenden drei Jahren sollten die Kernpunkte des Konflikts – wie
Jerusalem, Grenzen und Flüchtlinge – geklärt werden. In Anspielung an
den früheren ägyptischen Präsidenten Anwar el-Sadat, der 1977 als erster
ägyptischer Staatschef im israelischen Parlament eine Rede hielt, bietet
Mubarak einen historischen Besuch in Jerusalem an.
Thorsten
Schmitz / SZ vom 06.06.2002 / Ressort:
Nachrichten
haGalil onLine 17-06-2002 |