Entschlossenes Zaudern
im Nahen Osten
Von Thorsten Schmitz
Israels Premierminister Ariel Scharon
ist es gelungen, mit einem vereinfachenden Vergleich in der US-Regierung
Verwirrung zu stiften. Den Kampf gegen palästinensischen Terrorismus
setzte Scharon mit dem globalen Kampf der USA gegen Terror gleich, nach
der Devise: Was die USA dürfen, soll auch uns gestattet sein.
Monate lang sandte die Regierung von US-
Präsident George W. Bush widersprüchliche Signale aus. Mal kritisierte
sie Israel für den Militäreinsatz im Westjordanland – „genug ist genug“
schimpfte Bush. Zwei Tage später war der US-Präsident wieder voll des
Lobes und nannte seinen „Freund Scharon“ einen „Mann des Friedens“. Über
Palästinenserpräsident Jassir Arafat äußerte sich Bush dagegen durchweg
negativ. Er sei „enttäuscht“ von ihm, Arafat habe sein Volk in die Irre
geführt. Die Kritik an Arafat dämpft Bush, indem er Mitleid für das
palästinensische Volk äußert.
Der Einsatz der USA im Nahen Osten
beschränkte sich bisher im Kern auf die Entsendung eines mit dem
Konflikt wenig vertrauten Sondergesandten Anthony Zinni, der bei drei
Besuchen nichts erreicht hat. Die Unentschlossenheit der US-Regierung,
im Nahost-Konflikt zu vermitteln, ihre unterschiedlichen Positionen
darüber, ob Arafat als Gesprächspartner akzeptiert werden soll oder
nicht, sind mitschuldig für die Hoffnungsleere im Nahen Osten. Zugleich
haben sie die Europäer verstimmt, deren Initiativen von den USA kaum
beachtet wurden. Und sie haben die moderaten arabischen Staaten
verärgert, die sich im März nach einem Vorschlag Saudi-Arabiens für eine
„Normalisierung“ der Beziehungen zu Israel ausgesprochen hatten, wenn
Israel sich auf die Positionen vor Beginn des Sechs-Tage-Kriegs 1967
zurückzieht. Dies beinhaltete jedoch eine Evakuierung aller jüdischen
Siedlungen, wozu Scharon nicht bereit ist – und wozu ihn die USA auch
nicht drängen.
Bush weiß, dass er bei seinem Kampf gegen
den Terror und einem etwaigen Militärschlag gegen den Irak auf das
Wohlwollen der arabischen Staaten angewiesen ist. Gleichwohl verprellt
er deren Staatsführungen, indem er Arafat quasi ins diplomatische Aus
stellt und zugleich Scharon mit Glace- Handschuhen anfasst. Durch das
Verhalten der US-Regierung verhallen die historisch beispiellos
versöhnlichen Ideen des saudi-arabischen Kronprinzen Abdallah.
Thorsten
Schmitz / SZ vom 23.05.2002 / Ressort:
Nachrichten
haGalil onLine 17-06-2002 |