Jehuda Litani
Das Spiel hat noch nicht begonnen, und die
Aufregung ist schon so groß, als klopfe der Frieden bereits an unsere
Tore: die Verhandlungen wurden noch nicht eröffnet, es wurde noch kein
Outpost geräumt, Absperrungen und Blockaden wurden noch nicht
aufgehoben. Und dennoch stürzen sich die Mitglieder der Likud-Fraktion
auf den MP, als sei dieser ein Verräter. In den Siedlungen bildet sich
bereits ein aktiver Widerstand, und Fuad Ben-Elieser fordert die
Likud-Abgeordneten auf, ans Grab von Rabin zu gehen und ihm um Vergebung
zu bitten. Die Börse steigt, der Dollar fällt, die Presse feiert die
"historische Entscheidung".
Die Begeisterung sollte ein wenig gedämpft werden.
Die Palästinenser haben vor allem aus taktischen Gründen beschlossen,
das Programm zu übernehmen. Sie wollen sich bei den Amerikanern nicht
als unnachgiebig zeigen, und sie möchten sofortige Erleichterungen vor
Ort erhalten. Obwohl Sharon schon seit einiger Zeit von schmerzlichen
Verzichten spricht, hat auch er diese Woche aus taktischen Gründen
beschlossen, die Roadmap anzunehmen, vor allem wegen des Wunsches, den
Druck der Amerikaner abzublocken, vor allem den von Präsident Bush.
Entsprechend der Roadmap wird der
Palästinenserstaat, der in der zweiten Phase (Juni -Dezember 2003)
entstehen wird, "ein unabhängiger Staat mit temporären Grenzen" sein,
und bis 2005 soll der Finalstatus erreicht werden, der "die Fragen
Grenzen, Jerusalem, Flüchtlinge und Siedlungen" beinhaltet. Derzeit hat
es den Anschein, als würden die temporären Grenzen mehr oder weniger die
Gebiete A und B der Oslo-Verträge umfassen. Und es sieht auch so aus,
als werde Israel darauf bestehen, dass die endgültigen Grenzen nicht
sehr von den temporären abweichen werden.
Die Räumung der in den letzten Jahren errichteten
Outposts bedeutet in erster Linie die Räumung großer Flächen staatlichen
Bodens, die die Siedler mit Hilfe der IDF und der Zivilverwaltung unter
Kontrolle genommen haben, um eine Kontinuität jüdischer Siedlungen in
der Westbank herzustellen. Sollte Sharon nach Verhandlungsbeginn
beschließen, sie zu räumen, wird dies zeigen, dass er es ernst meint.
Das ist sein Lackmus-Papier. Dann könnten die Grenzen des
Palästinenserstaats auch über die Gebiete A und B erweitert werden.
"Falls", "Vielleicht"- alles ist noch unklar, und man kann sich derzeit
nicht vorstellen, dass der Vater der Siedlungen auf die Kontrolle über
Boden verzichten wird, die eine territoriale Kontinuität Israels in der
Westbank gewährleistet.
Aber auch im Falle einer Erweiterung seiner Grenzen
wird der endgültige Palästinenserstaat, der im Jahr 2005 gegründet
werden soll, eine undefinierbare Struktur sein -mit Sicherheit kein
"souveräner Staat" - deren Autoritäten die Bereiche der munizipalen,
sozialen und kulturellen Belange kaum überschreiten werden. Der Großteil
der Autoritäten wird bei Israel liegen, einschließlich der Kontrolle
über die Grenzübergänge. Es wird sich um eine Sammlung von Enklaven
unter palästinensischer Kontrolle handeln, umkreist von israelischen
Siedlungen und Gebieten. Ein souveräner Staat hätte vor 30 Jahren
gegründet werden können. Heute kann man von der Roadmap nur sagen, "zu
wenig, zu spät".