Historischer Nahostgipfel steht bevor:
Ende der Intifada?
Von Ulrich W. Sahm
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak riss schnell
die Spielkarten an sich. Der geplante palästinensisch-israelische
Gipfel von Mahmoud Abbas mit Ariel Scharon soll am Dienstag in
Ägypten stattfinden, um sich selber als Friedensstifter und Führer
der arabischen Welt zu inszenieren.
Die Vorbereitungen zum Gipfel laufen schon seit den
palästinensischen Wahlen am 9. Januar. Sie wurden durch den Anschlag
auf den Warenumschlagplatz Karni an der Grenze zwischen Israel und
dem Gazastreifen unterbrochen. Doch unbeirrt setzte Abbas seinen
Plan um, im Gazastreifen wieder Recht und Ordnung einzuführen. In
Absprache mit den Israelis brache er tausende palästinensische
Polizisten in Stellung, um den Abschuss von Kassam-Raketen zu
verhindern. Illegal errichtete Buden entlang des Strandes von Gaza
wurden niedergerissen. Extremisten dürfen ihre Waffen nicht mehr
öffentlich tragen.
Noch kommt es täglich zu Zwischenfällen. Die Israelis finden Bomben
am Grenzzaun und die Siedler werden sporadisch mit Mörsergranaten
beschossen. Sogar der Tod eines zehnjährigen Mädchens im Schulhof in
Rafah stand im Zeichen der neuen Kooperation. Die UNO und
palästinensische Mediendienste beschuldigten ungeprüft israelische
Soldaten einer 800 Meter entfernten Stellung, das Mädchen getötet zu
haben. Die Hamas nutzte die Gelegenheit für "Vergeltung gegen die
Zionisten". Doch Zweifel kamen auf und die Palästinenser stimmten
zu, den tragischen Fall zu untersuchen. Ein Palästinenser wurde
verhaftet, weil er Freudenschüsse nach der Rückkehr von der
Pilgerreise nach Mekka abgegeben habe. Er wurde freigelassen, weil
sich nicht nachweisen ließ, ob das Mädchen von Kugeln aus seiner
Waffe getroffen wurde. Eine Aufklärung des Falles darf bezweifelt
werden. Neu ist nach vier Jahren Intifada die Bereitschaft der
Palästinenser, die Schuld für Todesfälle nicht mehr automatisch den
Israelis in die Schuhe zu schieben und propagandistisch
auszuschlachten, sondern in Zweifelsfällen auch auf ihrer Seite
Schuldige zu suchen.
Mubarak nutzt die gewandelte Stimmung, um das "Ende der Intifada"
unter seiner Regie zu begehen.
Alle Beteiligten müssen dafür einen Kurswechsel vornehmen: Ägypten
hat vier Jahre lang den israelischen Premier geschnitten und den
Botschafter aus Tel Aviv abgezogen. Derweil machte Kairo Gesten und
Mubarak erklärte Scharon zum "einzigen Israeli mit der Fähigkeit,
Frieden zu machen". Der Einladung an Scharon wird auch die Rückkehr
des Botschafters nach Tel Aviv folgen.
Jordaniens König Abdullah erhielt am Donnerstag einen überraschenden
Anruf von Scharon. Der Anlass waren Glückwünsche zum neugeborenen
Sohn. Der Grund war politisch. Amman ist gefordert, ebenfalls den
Botschafter nach Tel Aviv zurückzuschicken und vielleicht die
berühmte Bader-Division in den Norden des Westjordanlandes zu
schicken, sowie Israel dort im Rahmen des Rückzugs ein großes Stück
Land an die Palästinenser abgibt.
Die Palästinenser sind von Israel und den Amerikanern aufgefordert,
die Waffen der nach Hause geschickten Extremisten einzusammeln und
die "Infrastruktur des Terrors" zu zerschlagen. Abbas soll bei dem
Gipfel das "Ende der Intifada" verkünden, was Arafat verweigert
hatte. Er hofft, mit Scharon über Territorien statt über Terroristen
zu reden. Abbas wünscht eine politische Lösung, ohne alle
"Sicherheitsfragen" gelöst zu haben.
In Israel wird schon fieberhaft über Konzessionen diskutiert.
Tausende palästinensische Gefangene, sogar mit "Blut an den Händen"
könnten amnestiert werden. Die Kriterien sind noch nicht
beschlossen. Der "einseitige Rückzug" könnte doch in Absprache mit
den Palästinensern geschehen. Die Suche nach "Verdächtigen" soll
eingestellt werden. Sogar Muhammad Def, Nummer eins auf Israels
Fahndungsliste und schon zwei Mal Opfer einer missglückten
"Liquidierung", könnte nun vor seinen Häschern sicher sein. Den
dreizehn "Deportierten der Geburtskirche von Bethlehem" soll die
Rückkehr gestattet werden. Sie hatten sich im April 2002 in der
Kirche verschanzt und wurden nach der Belagerung ins Exil nach
Europa geschickt. Israel will geschlossene Grenzübergänge wieder
öffnen und Straßensperren abbauen. Geplant ist auch ein Truppenabzug
aus palästinensischen Städten. Seit März 2002 sind israelische
Truppen die eigentlichen Herren in den Städten, auch ohne ständige
Präsenz.
Die Amerikaner, vertreten durch Außenministerin Condoleezza Rice,
wollen dem begonnenen Prozess der Befriedung des Nahostkonflikts
Nachdruck geben. Präsident Bush kündigte schon 350 Millionen Dollar
für palästinensische Reformen an.
hagalil.com
03-02-2005 |