Neue Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern:
Hudna in der Luft
Jedioth Achronoth
So viel Liebe haben wir seit langem nicht gesehen.
Alle stehen plötzlich in Kontakten: Sharon wirbt hartnäckig um Abu-Masen
und sendet ihm Botschaften wie "na, wann treffen wir uns denn endlich?"
Verteidigungsminister Mofas suchte verzweifelt und fand dann einen
Partner in Gestalt des palästinensischen Finanzministers, Salem Faiad,
der zwar nichts von Sicherheit versteht aber was soll's, Hauptsache man
trifft sich. Reservegeneral Amos Gilad streunt von einer Blume zur
anderen. Und der Leiter des Shabak, Avi Dichter, verdreht Radschub den
Kopf. Dieser streitet dies zwar schüchtern ab, aber er sagt nicht die
Wahrheit. Avi war bei ihm.
Und das ist nur der Anfang. Nächste Woche, wenn alles
klappt, werden noch ganz viele Liebesblumen erblühen: das Südkommando
wird mit den Leuten von Gaza zusammentreffen, das Zentralkommando mit
denen von der Westbank und Radschub und seine Leute werden wieder als
gern gesehene Gäste in den Schlagzeilen erscheinen.
Und über alledem schwebt das Versprechen einer "neuen
Hudna". Und, oh Wunder, niemand schreit bei uns: "Vorsicht, Falle!" Was
ist hier los? Kann es sein, dass die israelische Führung Modell November
innerhalb von zwei Monaten vergessen hat, was die Führung des Modells
September gesagt hat?
Die beiden Führungen, die palästinensische und die
israelische, kehren an den Punkt zurück, an dem sie vor zwei Monaten
standen, mit mehr Wunden und mehr Narben, aber vielleicht auch mit ein
paar mehr weißen Haaren der Weisheit und Vernunft.
Jetzt bietet sich wieder eine Gelegenheit zu neuen
Anfängen. Hamas ist in echter Not und will eine Feuerpause. Es kann
durchaus sein, dass ihre Führer die Pause auch diesmal nützen wollen, um
sich zu erholen (Falle?), aber vielleicht wurde diesmal die Lehre der
vorigen Hudna verinnerlicht, die besagt: der Strom der öffentlichen
Meinung in die Richtung von Hamas oder Fatach ist eine Funktion der
Hoffnung. Wenn es Hoffnung gibt, dann gewinnt die Fatach Popularität und
umgekehrt. Deshalb muss man diesmal der Feuerpause nicht nur eine Chance
geben, sondern sie auch unterstützen und nicht auf die erste Gelegenheit
warten, sie zu brechen.
Die Feuerpause muss diesmal nicht nur die
palästinensischen Gruppierungen umfassen, sondern auch Israel; direkt
oder indirekt, über die USA (es können intime Gespräche zwischen Israel
und den USA stattfinden, in welchen festgelegt wird, welche israelischen
Aktionen die amerikanischen Interessen und die Feuerpause nicht
gefährden):
Diesmal, im Gegensatz zur letzten Feuerpause, muss sie
so schnell wie möglich politischen Nutzen erbringen, was die radikalen
Elemente schwächen würde. Vor allem: sie muss Hoffnung liefern, und das
nicht nur den Palästinensern.
Alle suchen eine Alternative für die jetzige
Ausweglosigkeit. Das bevorstehende Treffen Sharon-Abu Ala ist ein
kritisches. Bei ihm werden die Erwartungen koordiniert. Wenn Israel
erwartet, dass der palästinensische Führer sich mit der Vernichtung der
Terror-Infrastrukturen befasst, dann braucht man Gespräche erst gar
nicht zu eröffnen. Wenn die Palästinenser erwarten, dass sich Israel
morgen Früh zu den Linien von September 2000 zurückzieht, dann gibt es
hier keinen neuen Anfang.
Beide Seiten haben Interesse, die jetzige Gelegenheit
zu einer neuen Feuerpause und einer Rückkehr zur Roadmap nicht zu
versäumen. Wenn wir sie versäumen, dann werden wir in zwei Monaten
wieder zu dem selben Punkt zurückkehren, mit noch mehr Wunden und noch
mehr Narben.
Darüber hinaus werden wir nach Abu Ala nur noch Arafat
haben. Das müsste doch eigentlich genügend Grund sein, einer Feuerpause
eine wirklich ernste Chance zu geben.
hagalil.com
05-11-2003 |