Nachdem die Palästinensische Autonomiebehörde mit den radikalen
Terrororganisatoren eine Waffenruhe, eine sog. Hudna, vereinbaren
konnte, scheint der Weg für die Umsetzung der Roadmap geebnet.
Kommentatoren in israelischen Tageszeitungen geben sich jedoch
verhalten bis skeptisch gegenüber dieser Waffenruhe.
In Jedioth Achronoth heißt es nüchtern: "Allen ist klar, wie
zerbrechlich dieser Waffenstillstand ist. Jede Seite hat eine
Ausrede, ihn jederzeit zu beenden. Die Zahl der Warnungen ist nicht
zurückgegangen, Arafat wurde noch nicht freigelassen, die
Terror-Infrastrukturen noch nicht aufgelöst." Dennoch, so urteilt
der Kommentator, sei eines klar: "Aber eines hat sich im Bewusstsein
der beiden Seiten nach 1000 Tagen und 3000 Toten festgesetzt: keiner
wird hier gewinnen. Die Führer auf beiden Seiten können noch von
einer Entscheidung sprechen, die Völker wissen bereits, dass das
alles Unsinn ist."
Ben Caspit schreibt in Maariv, dass die Amerikaner in Bezug auf
Terror und Sicherheit voll auf israelischer Seite sind. "Das Problem
beginnt, wenn man zum echten, politischen Thema vordringt. George
Bush ist zwar nicht Clinton, aber seine Vision erinnert stark an den
Vorschlag Clintons von Dezember 2000." Als Beispiel nennt er die
Diskussion um den Trennungszaun: "In ein, zwei Tagen, wenn sich die
Euphorie legen wird und wir den Besuch von Condoleezza Rice
analysieren werden, werden die Entscheidungsträger in Jerusalem
folgenden Bericht erhalten: bei ihrem Gespräch in Ramallah kam das
Thema des Trennungszauns zur Sprache, den Israel errichtet.
Abu-Masen machte sich große Mühe, Rice zu erklären, welchen Schaden
dieser Zaun den Palästinensern zufügt. Und dann stellte Rice
folgende Frage: "Nehmen wir an, der Zaun würde an den Grenzlinien 67
errichtet. Würden die Palästinenser ihn dann auch ablehnen?" Die
Palästinenser antworteten: "Nein, in diesem Fall hätten wir kein
Problem mit dem Zaun."" An diesen Ansatz müsse man sich in Jerusalem
wohl erst gewöhnen und dazu brauche Scharon mehr als einen Monat
"Anpassungszeit", so Caspit.
Optimistischer gibt sich Chemi Shalev in Maariv: "Der Großteil
der Minister, der Armee und auch der Bevölkerung hat das Gefühl,
diesen Film schon gesehen zu haben. Die Hauptdarsteller sind
dieselben, und das Drehbuch ist schon längst geschrieben. Aber
dennoch, Dinge verändern sich. Die Abkommen, die diesmal zwischen
Israel und den Palästinensern geschlossen wurden, resultieren aus
zwei wesentlichen Faktoren, die es in der letzten Runde nicht
gegeben hatte: die völlige Erschöpfung beider Seiten, und der
massive amerikanische Druck. Im Gegensatz zu ihren grundlegenden
Instinkten kamen die Amerikaner in den nahöstlichen Sumpf, in dem
sie nun bis zum Halse stecken. Und wenn es eine schwache Hoffnung
gibt, dass sich jetzt auf eine bessere Zukunft zubewegt wird, dann
liegt sie in der Möglichkeit, dass die Amerikaner die beiden Seiten
in eine aufgezwungene Regelung zerren werden."
Über die Absichten der Hamas urteilt Amit Cohen in Maariv: "Die
über 1000 Tage der Kämpfe haben die Infrastruktur der Hamas in Judäa
und Samaria schwer beschädigt. Der Gazastreifen befindet sich zwar
in einem relativ guten Zustand, aber auch dort musste die
Organisation große Verluste hinnehmen. Die Hamas kann eine Pause
wirklich sehr gut gebrauchen, um sich neu zu organisieren und die
Wunden zu lecken." Die Hamas sei wie jede andere politische
Einrichtung auch von der öffentlichen Meinung abhängig. Die
Öffentlichkeit beginne nun aber, kritische Fragen zu stellen. Ob
jedoch die Unterzeichnung der Hudna ein erster Schritt dahin ist,
die Hamas in eine gesellschaftliche Bewegung umzuwandeln, sei in
Frage zu stellen. "Die Hamas weist dies mit Nachdruck zurück und
sagt, es handle sich um eine rein taktische Maßnahme. "Der Beschluss
ist eine interne palästinensische Maßnahme, mit der dem Feind nicht
gedient werden soll". Deshalb muss damit gerechnet werden, dass
unmittelbar nach Ablauf der drei Monate (wenn nicht sogar früher)
die Hamas und die anderen Organisationen versuchen werden, einen
großen Anschlag zu verüben, um zu beweisen, dass sie nicht die
schwache Seite sind."
Diese Zeit, und damit spricht Cohen einen wesentlichen Punkt an,
"muss Israel nützen und versuchen, die Sinneshaltung der
palästinensischen Öffentlichkeit zu verändern. Sollten wirklich drei
Monate der Ruhe eintreten und das Leben auf normale Bahnen gelenkt
werden, dann kann es sein, dass es den palästinensischen
Organisationen schwer fallen wird, die Öffentlichkeit wieder für
Anschläge zu gewinnen."