Friedensplan fordert schmerzhafte Zugeständnisse:
Ein ehrgeiziges Vorhaben
Von Thorsten Schmitz
Das Ziel des "Nahost-Quartetts" mit seinem
Friedensfahrplan ist die "endgültige und umfassende Beilegung" des
Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Dieses
ambitionierte Vorhaben verfolgten vor dem internationalen Plan,
dessen Federführung die USA übernommen haben, bereits sechs andere
Initiativen, die allesamt erfolglos blieben, unter ihnen der
Friedensvertrag von Oslo. Der größte Unterschied zwischen dem
Oslo-Abkommen und der jetzigen Road Map besteht darin, dass die
Palästinenser bereits während des Friedensprozesses – und nicht erst
an dessen Ende – einen eigenen Staat ausrufen dürfen. Bereits Ende
dieses Jahres soll ein eingeschränkt souveränes Palästina gebildet
werden, über dessen endgültige Grenzen 2005 befunden werden soll.
Israels Regierungschef Ariel Scharon, der sich am
Mittwoch erneut für einen Palästinenserstaat ausgesprochen hat, und
die Mehrheit in seinem Kabinett argumentieren jedoch, dass die
Palästinenser nicht mitten im Friedensprozess mit einem Staat für
ihren Terror belohnt werden sollten. Der Anreiz,
Kompromissbereitschaft in den diffizilen Fragen wie der nach dem
Status von Jerusalem zu zeigen, sei dann denkbar gering.
US-Präsident George Bush hat Scharon nun aber
offenbar überreden können, von einer Zwei-Staaten-Lösung zu
sprechen, um dem palästinensischen Ministerpräsidenten Machmud Abbas
zu helfen. Dieser muss seinem Volk Erfolge vorweisen, um es zu dem
versprochenen Ende der Intifada zu bewegen.
Nach wie vor Uneinigkeit herrscht zwischen Israel
und den Palästinensern über das Schicksal der rund vier Millionen
palästinensischer Flüchtlinge. Der Friedensfahrplan strebt eine
"gerechte, einvernehmliche" Lösung an. Israel will diesen Punkt
jedoch ganz streichen und verlangt von den Palästinensern, sie
sollten ihre Forderung nach einem generellen Rückkehrrecht aufgeben.
Das aber hat Abbas bereits abgelehnt.
Der Friedensfahrplan verlangt von den
Palästinensern in der ersten Phase freie Wahlen und die Ausarbeitung
einer demokratischen Verfassung als Voraussetzung für die Ausrufung
eines vorläufigen Staates. Von Israel werden Konzessionen in der
Siedlungspolitik verlangt, doch Scharon interpretiert die Vorgaben
nach eigenem Gusto. Zwar hat Scharon angekündigt, einige der auch
von seiner eigenen Regierung als illegal betrachteten Außenposten
jüdischer Siedlungen im Westjordanland evakuieren zu lassen. Doch
der Plan sieht vor, dass alle Außenposten, die seit März 2001
errichtet worden sind, geräumt werden. Nach Angaben der israelischen
Friedensbewegung Peace Now existieren rund 100 dieser
Siedlungsvorposten, die meist nur von wenigen Familien bewohnt
werden.
Der Plan sieht zudem vor, dass Israel bereits in
der ersten Phase jegliche weiteren Siedlungsaktivitäten stoppt und
auch den "natürlichen Ausbau" einstellt. Scharon hat jedoch
unmissverständlich klar gemacht, dass er dem nicht nachkommen werde.
US-Außenminister Colin Powell habe er bei dessen jüngstem Besuch in
Jerusalem gefragt: "Oder wollen Sie etwa, dass ich schwangeren
Siedlerinnen befehle abzutreiben?"
Grundsätzlich verlangt der Plan die Auflösung
aller jüdischen Siedlungen, damit der künftige Staat der
Palästinenser nicht in mehrere Kantone zerfällt, die durch den
Siedlern vorbehaltene Straßen zerschnitten werden. Ob der ehrgeizige
Friedensfahrplan realisiert wird, wird sich schon in den kommenden
Wochen abzeichnen: Ob es Abbas gelingt, die palästinensischen
Terrorgruppen zu entwaffnen, und ob Scharon gewillt ist, außer die
Außenposten auch die übrigen jüdischen Siedlungen anzutasten.
hagalil.com
05-06-03 |