
Ein israelischer Vorschlag zur Flüchtlingsfrage
Taba, 23. Januar 2001
"Non-Paper"
Inoffizielle Antwort auf das Papier zur palästinensischen
Flüchtlingsfrage vom 22. Januar 2001 (Konferenz
von Taba)
Die Bedeutung einer Lösung des
Flüchtlingsproblems
1. Die Frage der palästinensischen
Flüchtlinge ist von zentraler Bedeutung für die
israelisch-palästinensischen Beziehungen. Eine umfassende und gerechte
Lösung dieses Problems wird für die Herstellung eines dauerhaften und
moralisch vertretbaren Friedens entscheidend sein.
Erläuterung
2. Der Staat Israel erklärt feierlich sein
Bedauern über die Tragödie der palästinensischen Flüchtlinge, ihr Leiden
und ihre Verluste; er wird sich bei dem Bemühen, dieses vor 53 Jahren
begonnene schreckliche Kapitel der Geschichte zu schließen, als aktiver
Partner erweisen und dazu beitragen, eine umfassende und gerechte Lösung
des palästinensischen Flüchtlingsproblems zu erreichen.
3. Allen Seiten, die den heutigen Status
der palästinensischen Flüchtlinge direkt oder indirekt zu verantworten
haben, und allen, die einen gerechten und dauerhaften Frieden in der
Region für dringend geboten halten, obliegt es, Verantwortung bei dem
Versuch zu übernehmen, das palästinensische Flüchtlingsproblem von 1948
zu lösen.
4. Obwohl der im Entstehen begriffene Staat
Israel die Resolution 181 der UN-Vollversammlung vom November 1947
akzeptiert hatte, wurde er in das Blutvergießen und den Krieg von
1948/49 verwickelt, der für beide Seiten Leiden und Opfer brachte,
darunter den Verlust von Heimat und Eigentum für jene Teile der
palästinensischen Zivilbevölkerung, die zu Flüchtlingen wurden. Diese
Flüchtlinge waren seither jahrzehntelang ihrer Menschenwürde, ihrer
Bürgerrechte und ihres Eigentums beraubt.
5. Daraus folgt, dass eine Lösung der
Flüchtlingsfrage den Bedürfnissen und Hoffnungen der Flüchtlinge gerecht
werden, zugleich aber auch die veränderte Wirklichkeit seit dem Krieg
von 1948/49 in Betracht ziehen muss. Der Wunsch nach Rückkehr soll daher
in einer Weise verwirklicht werden, die mit der Existenz des Staates
Israel, als der Heimat der jüdischen Volkes, wie mit der Errichtung des
Staates Palästina, als der Heimat des palästinensischen Volkes,
vereinbar ist.
Voraussetzung
6. Konsequenz einer gerechten Regelung des
Flüchtlingsproblems, in Übereinstimmung mit der Resolution 242 des
UN-Sicherheitsrats, muss die Umsetzung der Resolution 194 der
UN-Generalversammlung sein. (P[alästinensische] Position)
7. Seit 1948 sind die Hoffnungen und
Bestrebungen der Palästinenser an zwei Grundsatzforderungen festgemacht,
die sich auf internationales Recht stützten: das "Recht auf Rückkehr"
und die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates. Die
Verwirklichung der Hoffnungen des palästinensischen Volkes, wie sie in
der vorliegenden Übereinkunft verstanden wird, schließt die Ausübung
ihres Rechts auf Selbstbestimmung und eine umfassende und gerechte
Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge ein. Ausgehend von der
Resolution 194 der UN-Vollversammlung soll die Rückkehr der Flüchtlinge
ermöglicht und ihr künftiges Wohlergehen gesichert werden, um auf diese
Weise allen Aspekten des Flüchtlingsproblems gerecht zu werden.
8. Was die Rückkehr, Repatriierung und
Wiederansiedlung angeht, so soll jeder Flüchtling eines der im folgenden
genannten Programme in Anspruch nehmen können, womit die entsprechende
Bestimmung der Resolution 194 der UN-Vollversammlung erfüllt wird.
a. Rückkehr nach Israel - mit einer
vereinbarten Obergrenze von XX Flüchtlingen und mit vorrangiger
Behandlung jener palästinensischen Flüchtlinge, die zur Zeit im Libanon
leben. Der Staat Israel erkennt seine moralische Verpflichtung an, an
einer baldigen Lösung für die schwierige Lage der Flüchtlinge in den
Lagern Sabra und Schatila mitzuwirken.
b. Rückkehr in von Israel im Austausch
abgetretene Gebiete: Zu diesem Zweck soll in den souveränen Gebieten des
Staates Israel, die unter palästinensische Souveränität gelangen, im
Rahmen eines Gesamtentwicklungsprogramms die nötige Infrastruktur für
die Aufnahme von Flüchtlingen geschaffen werden.
c. Rückkehr in den Staat Palästina: Für
die Rückkehr in den Staat Palästina, das Heimatland der Palästinenser,
bestehen keine Einschränkungen außer den Bestimmungen der dort
beschlossenen Gesetze und Verordnungen.
d. Integration in die derzeitigen
Gastländer: Wo diese Möglichkeit besteht, soll die Eingliederung so
unverzüglich und vollständig wie möglich erfolgen.
e. Umsiedlung in Drittländer: Freiwillige
Umsiedlung in Drittländer, die sich bereit und in der Lage zeigen,
palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen.
Definition des Begriffs "Flüchtling"
9. Siehe Artikel 6 im palästinensischen
Papier, P Position.
Entschädigung und Reintegration
10. Alle Flüchtlinge haben ein Anrecht auf
Entschädigung und Hilfe bei der Reintegration, zu den Einzelheiten der
dazu nötigen Programme siehe die Absätze XX. Einer internationalen
Kommission und einem internationalen Hilfsfonds, die zu diesem Zweck
geschaffen werden (siehe unten, Absätze XX), soll die ausschließliche
und vollständige Verantwortlichkeit für die Umsetzung der Lösung des
Flüchtlingsproblems in allen Aspekten übertragen werden, einschließlich
der Registrierung und Prüfung von Forderungen und der Zuerkennung und
Auszahlung von Geldern. Dabei sollen die folgenden Grundsätze beachtet
werden:
a. Diese Programme sollen einerseits die
Entschädigung in Geld und Sachwerten für die Entwurzelung (die
moralische Kränkung - P Position) und die materiellen Verluste regeln,
andererseits auch den wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen
Gemeinschaften in Betracht ziehen. Richtschnur bei der Ausarbeitung
dieser Programme soll es sein, den Einzelnen historische Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen und zugleich die wirtschaftliche Entwicklung zu
berücksichtigen.
b. Die Entschädigungsprogramme sollen
sowohl nach den gestellten Ansprüchen wie auf einer Pro-Kopf-Basis
ausgeführt werden - Letzteres um die Abwicklung zu beschleunigen (siehe
die Einzelheiten in Abschnitt XX). Zu diesem Zweck wird eine
entsprechende Abteilung der Internationalen Kommission und des
Internationalen Fonds eine vollständige und endgültige Aufstellung aller
Eigentumsrückforderungen anfertigen.
c. Die Programme zur Entschädigung und
Hilfe bei der Reintegration sind Bestandteil der Bemühungen um das
wirtschaftliche Fortkommen und die soziale Entlastung der Einzelnen wie
auch ihrer Gemeinschaften und der Länder, in denen sie leben oder sich
ansiedeln. Auf diese Weise sollen verschiedene Ansätze der Hilfe im
Einzelfall und als Verbundlösung (wird noch erläutert) ermöglicht
werden.
d. Für die Entschädigung der Gastländer
gelten die Ausführungen im nachfolgenden Absatz XX.
e. Der Internationale Fonds wird im
Wesentlichen aus Einlagen der Internationalen Gemeinschaft und des
Staates Israel in einer noch zu vereinbarenden Maximalhöhe gebildet.
Nicht bewegliche Vermögenswerte Israels, die nach dem israelischen
Rückzug dem Staat Palästina zufallen, sollen in Einlagen in den
Internationalen Fonds in Höhe von XX US-Dollar umgewandelt und als Teil
der pauschalen Gesamtsumme von XX US-Dollar gerechnet werden.
Gastländer
11. Die Länder, die Flüchtlinge aufgenommen
haben, erhalten Entschädigungen für die erheblichen Kosten, die ihnen
durch die Versorgung der Flüchtlinge entstanden sind. Die Erstattung
künftiger Aufwendungen für Integration und Investitionen wird gemäß den
Einzelbestimmungen dieser Übereinkunft geregelt, dies geschieht im
Rahmen bilateraler Vereinbarungen zwischen den Gastländern und der
Internationalen Kommission.
Internationale Kommission
12. Die Internationale Kommission besteht
aus dem Staat Palästina, den Gastländern, Israel und Mitgliedern der
internationalen Gemeinschaft, darunter die Vereinten Nationen, die
Weltbank, die Europäische Union und die G-8-Staaten sowie weitere
internationale Institutionen. Der Internationalen Kommission wird die
vollständige und ausschließliche Verantwortung für die Umsetzung einer
Lösung des Flüchtlingsproblems in allen Einzelheiten übertragen. Das
Mandat, die Struktur und Arbeitsweise der Internationalen Kommission
wird in der vorliegenden Vereinbarung noch näher erläutert.
Das UN-Hilfswerk für palästinensische
Flüchtlinge, UNRWA
13. Die schrittweise Beendigung des
UNRWA-Mandats erfolgt im Rahmen eines Zeitplans, auf den sich die beiden
Seiten einigen werden, und soll innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen
sein. Entsprechend der Fortschritte bei der Umsetzung der vorliegenden
Vereinbarung soll sich der Aufgabenbereich der UNRWA wandeln: In der
ersten Phase werden die Dienste und Verwaltungsaufgaben der UNRWA auf
die Regierungen der Gastländer übertragen, und es wird die Übernahme
entscheidender Funktionen durch die Internationale Kommission
vorbereitet. Außerdem endet der besondere Rechtsstatus der
palästinensischen Flüchtlingslager (neuer P-Text wird vorgelegt).
Vorrangige Behandlung der Flüchtlinge im
Libanon
14. Alle genannten Programme sollen
vorrangig der palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung im Libanon zugute
kommen.
Ehemalige jüdische Flüchtlinge
15. Obwohl die Frage der Entschädigung
ehemaliger jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern nicht Teil
dieser bilateralen israelisch-palästinensischen Vereinbarung ist,
verpflichten sich beide Seiten in Anerkenntnis der Leiden und Verluste
dieser Bevölkerungsgruppe, zu gemeinsamen Bemühungen um eine gerechte
und angemessene Lösung dieser Frage.
Aufhebung aller Ansprüche
16. Beide Seiten kommen überein, dass die
vorgängigen Ausführungen eine vollständige und endgültige Umsetzung von
Artikel 11 der Resolution 194 der UN-Vollversammlung vom 11. Dezember
1948 bedeuten, und dass die Umsetzung der oben beschriebenen Programme
und Maßnahmen als vollständige, endgültige und unwiderrufliche Lösung
der palästinensischen Flüchtlingsfrage in allen Aspekten gilt. Keine der
beiden Seiten wird weitere Ansprüche oder Forderungen stellen, die sich
auf diese Frage beziehen. Mit der Umsetzung der hier festgelegten
Artikel wird keine Person mehr den Status eines palästinensischen
Flüchtlings beanspruchen können.
Le Monde diplomatique Nr.
6549 vom 14.9.2001,
Seite 9, 243 Dokumentation
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01-10-2001 |